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Torhüter Broll: „Dynamo wollte unbedingt mit mir verlängern“

Nach dem zweiten Abstieg mit Dynamo ging Kevin Broll weg aus Dresden. Nach langer Suche fand er in der Heimat seines Vaters einen neuen Verein. Dort kommt nun auch seine Tochter zur Welt.

Von Daniel Klein
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Ein nicht mehr ganz so aktuelles Bild: Anfang Oktober hat Kevin Broll seinen Stammplatz bei Gornik Zabrze verloren.
Ein nicht mehr ganz so aktuelles Bild: Anfang Oktober hat Kevin Broll seinen Stammplatz bei Gornik Zabrze verloren. © Imago/Michal Chwieduk

Kevin, Weihnachten steht vor der Tür, Ihre Freundin Maria Kirsten, ehemalige Volleyballerin beim Dresdner SC, ist hochschwanger. Freuen Sie sich auf ein Christkind?

Die Vorfreude ist sehr, sehr groß, wir können es kaum erwarten. Es ist alles vorbereitet: Stubenwagen, Wickeltisch. Kinderwagen, Autositz – nun warten wir, dass es zum Einsatz kommt. Ob unsere Tochter ein Christkind wird, müssen wir abwarten.

Sie bleiben über die Feiertage auf jeden Fall in Polen?

Ja. Wir leben in einer hübschen Wohnung in Katowice, zum Training fahre ich 20 Minuten mit dem Auto. Über Weihnachten kommen unsere Familien zu uns, mein Vater stammt aus einem Ort, der nur 30 Kilometer von hier entfernt ist. Meine Tante und mein Cousin leben in der Region.

Im Sommer waren Sie zum Erstligisten Gornik Zabrze gewechselt und dort bis Anfang Oktober die Nummer eins. Seitdem sitzen Sie auf der Bank. Was ist passiert?

Ich war eigentlich gut drin in der Saison, aber die Spiele liefen oftmals leider etwas unglücklich. Wir hatten viel Ballbesitz und viele Chancen, die wir nicht nutzen konnten, sind in vermeidbare Konter gelaufen. Wir haben uns nicht für den Aufwand belohnt, gerieten in eine Abwärtsspirale, machten leichte Fehler – ich auch. Ich habe ein-, zweimal nicht gut ausgesehen und gefühlt war jeder Schuss vom Gegner drin. Und dann fängt man an zu grübeln, die Selbstsicherheit ist weg.

Das letzte Mal die Nummer zwei waren Sie in der Saison 2015/16 beim damaligen Drittligisten Sonnenhof Großaspach. Wie schwer fällt es Ihnen, die Ersatzrolle zu akzeptieren?

Das muss ich akzeptieren, weil sich die Trainer nun mal so entschieden haben. Genauso erkenne ich an, dass der bisherige Ersatzmann auch gute Spiele gemacht hat. Ich habe ihn natürlich unterstützt. Dennoch bin ich mir sicher, auf Dauer die Nase vorn zu haben. Es war eine Situation, in der ich lernen konnte, mich wieder ranbeißen zu müssen. Das wird mir helfen.

Mit der ehemaligen DSC-Volleyballerin Maria Kirsten ist Kevin Broll seit knapp vier Jahren liiert. Sie bringt in den nächsten Tagen eine Tochter zur Welt.
Mit der ehemaligen DSC-Volleyballerin Maria Kirsten ist Kevin Broll seit knapp vier Jahren liiert. Sie bringt in den nächsten Tagen eine Tochter zur Welt. © Robert Michael

Mit Bartosch Gaul haben Sie einen Trainer, der wie Sie Deutsch-Pole ist. Inwieweit hat das Ihre Entscheidung beeinflusst, zu Gornik Zabrze zu wechseln?

Wir hatten im Vorfeld ein super Gespräch. Er fand, dass ich als Typ und mit meiner Spielweise gut passen würde. Drei Minuten, nachdem ich aufgelegt hatte, rief Lukas Podolski an. Ich dachte zuerst, da erlaubt sich jemand einen Scherz. Er meinte, dass sie bei Gornik auf mich warten würden. Das hat mir das Gefühl gegeben, gebraucht zu werden. Hinzu kam, dass ich die Gegend um Zabrze ganz gut kenn. In meiner Kindheit und Jugend war ich über Weihnachten immer wieder hier, um die Verwandten zu besuchen.

Lukas Podolski wurde 2014 Weltmeister und machte sich in Deutschland durch seine flotten Sprüche einen Namen. Ist er in der Kabine auch so lustig?

Er ist da sogar noch lustiger als bei den Pressekonferenzen und in den Interviews. Er ist ein absolut offener Typ, ein Pfundskerl, ein Spaßvogel durch und durch – und einer der professionellsten Fußballer, die ich bisher kennengelernt habe. Es ist einfach Wahnsinn, was er mit 37 Jahren im Training anstellt. Wenn er seinen linken Hammer rausholt, macht es nicht wirklich Spaß, im Tor zu stehen. Mitunter halte ich aber auch mal einen Schuss von ihm.

Wie gut sprechen Sie Polnisch?

Meine Freundin sagt: sehr gut. Ich denke, dass da noch Luft nach oben ist. Bei einigen Vokabeln und der Grammatik habe ich Lücken. Aber es versteht mich jeder.

Hat das die Eingewöhnung erleichtert?

Ja, immens. Viele Polen können oder wollen nicht so gerne Englisch sprechen. Da hilft es natürlich, sich verständigen zu können. In der Mannschaft sind wir ein bunter Mix aus Polen, Slowenen, Spaniern, Japanern, Deutschen, Schweizern und Skandinaviern. Der Trainer spricht Englisch zu uns, damit ihn jeder versteht.

Was unterscheidet den polnischen vom deutschen Fußball?

Wenn man sich die internationalen Wettbewerbe anschaut, dann hat es einzig mal Legia Warschau über die Qualifikation in die Gruppenphase der Champions League geschafft. Und Lech Poznan spielt regelmäßig in der Europa League. Insgesamt versuchen die Mannschaften schon, taktisch ordentlichen Fußball zu spielen, doch mitunter ist es noch ein wenig wild. Die zweite und dritte Liga werden als Ackerligen bezeichnet, weil dort – abgesehen von wenigen Ausnahmen – vor allem aufopferungsvoll gekämpft wird.

Trost von Torwart-Trainer David Yelldell bekam Kevin Broll in den drei Jahre bei Dynamo öfter. Zweimal stieg der Keeper mit Dresden in die 3. Liga ab.
Trost von Torwart-Trainer David Yelldell bekam Kevin Broll in den drei Jahre bei Dynamo öfter. Zweimal stieg der Keeper mit Dresden in die 3. Liga ab. © dpa/Robert Michael

Und wie groß ist das Interesse der Zuschauer?

Zabrze war 14-Mal polnischer Meister, das letzte Mal allerdings 1988. Der Verein hat eine große Tradition und die Fans fiebern danach, mal wieder einen Titel feiern zu können. Zu unseren Heimspielen kommen zwischen 11.000 und 19.000 Zuschauer ins Stadion, das gerade umgebaut wird.

Bei Dynamo, wo Sie bis zum Sommer drei Jahre lang gespielt haben, waren es in der coronafreien Zeit meist mehr. Warum wollten Sie nach dem Abstieg in die 3. Liga nicht mehr bleiben?

Ich kannte die Liga aus dem Effeff, habe vier Jahre mit Großaspach und zwei mit Dynamo dort gespielt. Nach dem Abstieg im Mai wollte ich etwas Neues erleben und sah mich durchaus auf Zweitliga-Niveau. Dynamo wollte unbedingt mit mir verlängern, aber ich habe darunter dann einen Strich gemacht.

Warum hat es nicht mit einem Wechsel zu einem deutschen Klub geklappt?

Ich war ablösefrei, bekam aber trotzdem keine richtigen Angebote. Als die ersten Vereine schon mit der Vorbereitung begonnen hatten, habe ich meinen Berater gewechselt. Dann tat sich einiges. Letztlich haben wir uns für Zabrze entschieden – auch wegen der familiären Bande.

In Ihrer Zeit bei Dynamo haben Sie nach verlorenen Spielen schon mal Klartext geredet und zum Beispiel von Jugendfußball gesprochen. Kam das bei Ihren Mitspielern immer so gut an?

Ach, die wussten, wie ich ticke, dass ich ein offener und ehrlicher Typ bin. Einige Male haben sie mir zwar zu verstehen gegeben, dass ich das so doch nicht sagen könne. Aber letztlich haben sie es akzeptiert. Was mir wichtig ist: Ich habe nie jemanden in die Pfanne gehauen, finde allerdings, dass man nicht immer alles schönreden darf. Es hilft nichts, stets die Arme auf die Schultern zu legen. Mitunter muss man auch mal ein bisschen deutlicher werden.

Wie ordnen Sie die drei Jahre bei Dynamo rückblickend ein?

Es waren sehr prägende Jahre. Ich schaue wegen des Aufstiegs und der zwei Abstiege mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurück. Der Verein hat eine enorme Power, das Stadion ist ein Hexenkessel, die Fans sehen alles schwarz oder weiß, grau gibt es für sie nicht. Gleich im ersten Jahr habe ich meine Liebe Maria kennengelernt. Es war eine schöne und intensive Zeit, die ich nicht missen möchte.

Sind Sie überrascht, dass Dynamo nur auf Platz neun überwintert?

Mich hätte es überrascht, wenn die Mannschaft wie wir vor zwei Jahren durchmarschiert wäre. Es gab einen Umbruch im Sommer, die Jungs müssen sich erst mal finden und das System verinnerlichen. Es ist schon eine gute Truppe mit viel Zweitliga-Erfahrung, aber es gab auch viele Verletzte, es wurde rotiert. Da fehlte die Konstanz. Ich bin gespannt darauf, wie das Team in der Rückrunde performen wird.

Am Ende der Saison läuft Ihr Vertrag aus. Wie geht es danach weiter?

Ich habe mich bewusst für nur ein Jahr entschieden, weil wir erst einmal sehen wollen, wie es läuft – vor allem dann auch mit einem Baby in einem Land, das nicht die Heimat ist. Wir werden sehen, wie es kommt. Mittel- oder langfristig möchten wir schon zurück nach Deutschland.