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Minge in Halle als neuer Sportdirektor vorgestellt

Dynamos Vereinslegende hat sich lange zurückgezogen - und nach einem Jahr Auszeit jetzt eine neue Herausforderung. Das Anforderungsprofil passt perfekt.

Von Sven Geisler
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Ralf Minge hat einen neuen Job - er ist neuer Sportdirektor beim Halleschen FC.
Ralf Minge hat einen neuen Job - er ist neuer Sportdirektor beim Halleschen FC. © Robert Michael

Dresden. Bisher waren es Gerüchte, vage Vermutungen. Doch nun hat Ralf Minge einen neuen Job gefunden. Bei seinem Heimat- und Herzensverein Dynamo Dresden war er von Februar 2014 bis zum Juni 2020 zum zweiten Mal als Geschäftsführer für den sportlichen Bereich verantwortlich. Die Auszeit, die er sich danach genommen hat, ist nun vorbei.

Am Mittwochmittag präsentierte der Hallesche FC die Dynamo-Legende bei einer Pressekonferenz als neuen Sportdirektor, Minge erhalt einen Zwei-Jahres-vertrag bis zum 30. Juni 2023. Präsident Jens Rauschenbach sprach von einer einstimmigen Entscheidung von Vorstand und Verwaltungsrat. Dabei sei es bei einem ersten längeren Telefonat vor sechs Wochen nicht die Intention oder Absicht gewesen, direkt zusammenzuarbeiten, wie Minge berichtet. "Es war einfach ein Austausch, der sich über zwei längere Gespräche hier fortgesetzt hat." Weil beim HFC viel in Bewegung ist und viel zu bewegen sei, wurde es für beide Seiten jedoch "schnell eine Option".

Er freue sich auf die Herausforderung, betont Minge, denn: "Ich bin 60 Jahre alt, da ist es ein ganz entscheidendes Kriterium, wenn man etwas Neues anfängt, dass man ein Bauchgefühl hat: Das reizt dich einfach." Er sei nach dem zweiten Gespräch in Halle losgefahren und hatte "ein saugutes Gefühl", sagt Minge bei einer Pressekonferenz. Den HFC habe er bereits zu seiner aktiven Zeit als Traditionsverein gesehen, "wie ein Blümchen, das noch gegossen werden soll und muss", meint Minge. "Ich bin kein Romantiker, aber ich liebe Tradition."

Er werde sich eine kleine Wohnung in Halle nehmen und nicht ständig nach Dresden pendeln. Ziel müsse es sein, den Verein im oberen Tabellendrittel der 3. Liga zu etablieren, es sei allerdings auch nicht selbstverständlich, dass der HFC bereits in seine zehnte Drittliga-Saison geht. Es gebe ein gutes Fundament, auf das er aufbauen könne, die Ausschläge dürften aber nicht mehr so groß sein. Zuletzt hatten die Hallenser nach einer guten ersten Halbserie eine Talfahrt erlebt. Er freue sich darauf, "eine langfristige Entwicklung vorantreiben zu können."

Ideengeber, Antreiber, Leitfigur

Für Minge ist es ein Neuanfang, nachdem sein Vertrag bei Dynamo zum Ende der Saison 2019/20 nicht verlängert worden war. Allerdings hatte auch er eine weitere Zusammenarbeit infrage gestellt, weil er nicht mehr das volle Vertrauen der Führungsgremien, speziell im Aufsichtsrat, gespürt hatte. Der Abstieg wurde auch Minge angelastet, weil die Mannschaft vor der Saison nicht zweitligatauglich zusammengestellt worden und erst mit sechs Neuzugängen im Winter konkurrenzfähig war. Doch die Aufholjagd wurde durch die Corona-Quarantäne gebremst.

Minge hatte 1,7 Millionen Euro aus dem Budget für den Kader zunächst nicht ausgegeben und sich bei der Mitgliederversammlung selbst als "alten Schotten" bezeichnet, der jeden Euro dreimal umdreht - im Sinne des Vereins. Denn der hatte bei seinem Amtsantritt sportlich, wirtschaftlich und perspektivisch am Boden gelegen. Von dem Sparkurs und dem Aufbauwerk, an dem Minge als Ideengeber, Antreiber und Leitfigur maßgeblich beteiligt war, profitiert Dynamo auch jetzt noch in der Pandemie.

Aus einem Schuldenberg wurde ein Eigenkapital von mehr als zehn Millionen Euro. Im Sportpark Ostra entstand ein modernes Trainingszentrum, mit dem Dynamo laut dem neuen Trainer Alexander Schmidt erstligatauglich ist. Die Nachwuchsakademie ist sowohl finanziell als auch personell sehr gut aufgestellt und dient wieder als Talentquelle. Die jüngsten Beispiele sind Kevin Ehlers und Ransford-Yeboah Königsdörffer, die wegen der guten Bedingungen und Perspektive bereits in der Jugend nach Dresden gewechselt sind.

Erfahrungen passen zum Anforderungsprofil

Mit diesen Erfahrungen passt Minge perfekt in das Anforderungsprofil des Halleschen FC, denn der Verein aus Sachsen-Anhalt errichtet seit vergangenem September für rund elf Millionen Euro ein Nachwuchsleistungszentrum, das Ende 2022 fertiggestellt werden soll. Dem bisherigen HFC-Sportchef Ralf Heskamp wird unter anderem vorgeworfen, sich zu wenig darum gekümmert zu haben. Außerdem soll das Verhältnis zwischen ihm und Präsident Jens Rauschenbach spätestens gestört sein, seit sich Heskamp im Spätsommer vorigen Jahres 2020 bei Dynamo auf die Stelle des kaufmännischen Geschäftsführers als Nachfolger des entlassenen Michael Born beworben hatte. Die Stelle bekam jedoch der Dresdner Jürgen Wehlend, der zuvor beim VfL Osnabrück gearbeitet hatte.

Der eigentlich noch bis Dezember 2022 gültige Vertrag mit Hesskamp wird aufgelöst.

Beim Spiel gegen den VfL Osnabrück Ende Juni 2020 bereiteten Mannschaft und Fans Ralf Minge einen emotionalen Abschied von Dynamo.
Beim Spiel gegen den VfL Osnabrück Ende Juni 2020 bereiteten Mannschaft und Fans Ralf Minge einen emotionalen Abschied von Dynamo. © dpa/Robert Michael

Der HFC hatte den Kontakt zu Minge, den es bereits seit Mitte April gibt, nicht dementiert. "Im Übrigen gilt beim HFC, dass sich der Verein an öffentlichen oder medialen Personalspekulationen nicht beteiligt", meinte Rauschenbach. Der Präsident hatte jedoch Entscheidungen angekündigt, wenn der Klassenerhalt perfekt ist. Seit einer Woche hat der HFC Gewissheit, auch in der nächsten Saison in der 3. Liga zu spielen. Damit kann die Personalplanung vorangetrieben werden.

Trainerfrage wohl die erste Aufgabe in Halle

Eine der ersten Fragen, die Minge klären muss, ist wohl die nach der Zukunft des Trainers. Florian Schnorrenberg hat nur einen Vertrag bis Saisonende, den der Verein zu Beginn der Rückrunde verlängern wollte. Schnorrenberg zögerte, verwies auf das Saisonziel von 46 Punkten - und schlitterte mit seiner Mannschaft zunächst in eine Krise mit fünf sieglosen Spielen, von denen vier verloren wurden. Im April ging es wieder aufwärts mit dem 3:0-Erfolg gegen Dynamo in Dresden als Höhepunkt.

Es bleibe der Gesamteindruck einer "sportlich sehr wechselhaften Saison mit Licht, aber auch viel Schatten", sagte Rauschenbach der Mitteldeutschen Zeitung. "Schließlich hatten wir einige kritische Situationen und standen kurz vor dem Abgrund." Das Ziel mit 46 Punkten hat der HFC inzwischen erreicht, aber nach zwei Jahren im Abstiegskampf will sich der Klub weiterentwickeln. Ob mit Schnorrenberg - das muss der neue Sportdirektor entscheiden.

Minge kündigte bei seiner Vorstellung in Halle eine "intensive Analyse in den nächsten Tagen" an. Dann solle zeitnah eine Entscheidung fallen. Durch Gespräche des Präsidiums gebe es bereits "erste Vorinformationen".

Mit vier Kandidaten für den Posten des für die sportliche Entwicklung Verantwortlichen soll gesprochen, aber Minge von Anfang an favorisiert worden sein. Nach seinem emotionalen Abschied von Dynamo wanderte Minge gut 400 Kilometer auf dem Jakobsweg, wie er bei einer Preisverleihung im vergangenen Oktober zum "Sachsen des Jahres" verraten hatte. Inzwischen dürfte er genügend Abstand gewonnen und Kraft getankt haben, um eine neue Aufgabe mit dem Engagement anzugehen, das ihn auszeichnet.

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