Das ist mal ein Abenteuer, zumindest klingt es so: Karsten Neitzel, einst Spieler bei Dynamo Dresden, trainiert seit Dezember vorigen Jahres den malaysischen Klub FA Selangor. Nun holt der 53 Jahre alte Fußball-Lehrer einen weiteren Spieler aus Deutschland nach Südostasien. Und auch er hat mal in Dresden gespielt: Wie der RevierSport berichtet, wechselt Manuel Konrad zu dem Klub an der Westküste der malaiischen Halbinsel.
"Ich kenne Manuel Konrad schon sehr, sehr lange", wird Neitzel von dem Internetportal zitiert. "Ich habe ihn schon vor vielen Jahren in Freiburg (Ende der 1990er-Jahre/d. Red) betreut. Damals pendelte er zwischen der Regionalliga- und Bundesligamannschaft. Ich habe seinen Werdegang dann auch intensiv verfolgt." Konrad bestritt insgesamt 200 Spiele in der zweiten Liga, davon 41 in seinen zwei Jahren von 2016 bis 2018 bei Dynamo.
Der frühere Junioren-Auswahlspieler war vom FSV Frankfurt nach Dresden gewechselt und sollte mit seiner Erfahrung eine Führungsrolle übernehmen. Das schaffte er allerdings nicht, sondern galt vor allem in seiner ersten Saison eher als Ersatzmann. Im zweiten Jahr kam er öfter auch von Anfang an zum Einsatz und sorgte in einem Spiel besonders für Aufsehen: Am 24. September 2017 erzielte er in Darmstadt drei Tore für die Schwarz-Gelben, umso bitterer für ihn, dass sich Dynamo in den Schlussminuten noch zwei Tore einfing und die Partie mit 3:3 endete.
Nach einigem Zögern verlängerte Konad seinen Vertrag trotz eines Angebotes im Frühjahr 2017 nicht.
In Sprachnachricht den Präsidenten imitiert
Für Aufsehen sorgte er in der vorigen Saison beim KFC Uerdingen - allerdings abseits des Platzes. In einer bei WhatsApp verschickten Sprachnachricht imitierte Konrad mit russischem Akzent den Klub-Mäzen Mikhael Ponomarev, der seine Anteile inzwischen verkauft hat. Nach den Schilderungen von Konrad soll der russische Investor minutenlang gebrüllt, einen Tisch durch die Gegend getreten und mit der Faust gegen den Kühlschrank geschlagen haben. Die Spieler mussten sich demnach als Idioten beschimpfen lassen, den damaligen Chefcoach Heiko Vogel soll Ponomarev angeblafft haben: "Trainer, erzähl mir: Was du machen mit Mannschaft? Arschloch du, weg du."
Konrad hatte sich danach entschuldigt und erklärt, es sei eine "überzeichnete Persiflage" gewesen. Er könne den Präsidenten sogar verstehen. "Er steckt viel Geld in den Verein, und derzeit stehen Investition und Ertrag in einem krassen Missverhältnis."
Der Mittelfeldspieler wurde für zwei Spiele vereinsintern gesperrt, hatte aber zum Ende der vergangenen Saison wieder einen Stammplatz. Im Oktober hat er seinen Vertrag in Uerdingen jedoch aufgelöst und war seitdem ohne Verein. Nun bekommt er über Neitzel die neue Chance. "Ich habe zuletzt natürlich auch seine Situation in Uerdingen
wahrgenommen. Nach seiner Vertragsauflösung habe ich einfach mal gefragt
und er war sofort Feuer und Flamme für dieses Abenteuer Malaysia", erklärt Neitzel im RevierSport.
Nach einer siebentägigen Quarantäne kann Konrad ab dem heutigen Montag mit der Mannschaft trainieren, die sich auf die neue Saison in der Super League vorbereitet, die in drei Wochen startet. Neitzel, der seine bislang erfolgreichste Zeit als Trainer von 2013 bis 2016 bei Holstein Kiel hatte, ist mit dem frühen Wiederbeginn nach der Corona-Zwangspause nicht wirklich glücklich. Erst am 15. Februar wurde das Training wieder aufgenommen. Die Saison beginnt nach der extrem kurzen Vorbereitung von drei Wochen mit einer englischen Woche. "Ich sage es mal so: Sportwissenschaftler saßen bei dieser Entscheidung nicht am Tisch. Das ist schon Wahnsinn. Aber trotzdem freuen wir uns auf den Ligastart", meint Neitzel.
Dresdner Neitzel beginnt in Radeberg
Der Dresdner begann in Radeberg bei der BSG Robotron, Fußball zu spielen, und wurde 1980 zu Dynamo delegiert. Neitzel entwickelte sich zu einem der besten Defensiv-Talente im DDR-Fußball, wurde mit der DDR-Juniorenauswahl 1986 Europameister und holte im Jahr darauf bei der WM die Bronzemedaille. Bei Dynamo wollte ihn Trainer Klaus Sammer bereits zur Saison 1985/86 zum Oberliga-Team holen, was intern jedoch zunächst verhindert wurde. Trotzdem gab Neitzel am 23. November 1985 sein Debüt bei einem 0:2 in Jena, bestritt im ersten Jahr insgesamt sechs Spiele.
Neitzel blieb jedoch meist bei der zweiten Mannschaft und verließ schließlich 1989 den Verein, es war quasi ein Spielertausch: Er ging zum Halleschen FC, von dort kam mit Andreas Wagenhaus ein anderer Libero nach Dresden.
Mit Konrad holt sich der Trainer Neitzel nun einen Profi, der seiner Spielweise ähnelt. "Er ist ein total zuverlässiger Spieler, der einen starken Zweikampf und ein gutes Auge für den Mitspieler hat", beschreibt er Konrad jedenfalls.
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