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Warum Dynamo jetzt nicht abheben darf

Die Dresdner stehen auf einem Aufstiegsplatz Liga zwei – nach drei Spieltagen. Doch es gibt ein warnendes Beispiel aus der eigenen Vergangenheit.

Von Sven Geisler
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Sie sind obenauf bei Dynamo nach dem Saisonstart mit zwei Siegen und einem Unentschieden in Liga zwei, dazu das Weiterkommen im DFB-Pokal.
Sie sind obenauf bei Dynamo nach dem Saisonstart mit zwei Siegen und einem Unentschieden in Liga zwei, dazu das Weiterkommen im DFB-Pokal. ©  dpa/Sebastian Kahnert

Dresden. Drei Spiele, sieben Punkte, Platz zwei: So gut ist Dynamo noch nie in eine Zweitliga-Saison gestartet. Dabei hatte es der Auftakt durchaus in sich, auch, weil gegen Mitaufsteiger Ingolstadt zu Beginn gleich ein Sieg erwartet wurde – damit man durch mögliche Niederlagen beim Hamburger SV und gegen Hannover nicht allzu weit ins Hintertreffen gerät. Deshalb war es das Ziel für die Startphase, „dass wir uns ein Polster schaffen und nicht unter Druck kommen“, wie Trainer Alexander Schmidt jetzt verrät.

Doch nun steigen nicht nur wegen der überraschend guten Ausbeute die Erwartungen. Die Mannschaft begeistert Fußball-Dresden mit ihrer leidenschaftlichen Spielweise, ihrem Offensivgeist und dem gelebten Zusammenhalt. Mit dieser Truppe, so scheint es, könnte mehr drin sein als der Klassenerhalt. Tatsächlich wurde Julius Kade schon bei der Pressekonferenz vor dem Hannover-Spiel gefragt, ob er davon träumt, mit Dynamo mal in der Bundesliga zu spielen. Der 22-Jährige nahm das schmunzelnd zur Kenntnis und antwortete clever: „Auf jeden Fall, träumen ist immer erlaubt. Aber jetzt sind wir in der zweiten Liga und geben da alles.“

Der Trainer formuliert es nach dem 2:0-Sieg gegen Hannover dann eindeutiger: „Wir sind sehr stolz und glücklich, dass wir so einen starken Gegner besiegen konnten, aber jetzt heißt es, die nächste Partie in Rostock konzentriert anzugehen und nicht von Dingen zu träumen, die unrealistisch sind.“

Was Dynamos eigene Geschichte lehrt

Wer auf einem Aufstiegsplatz steht und im Pokal weitergekommen ist, könnte leicht abheben, aber solchen Vermutungen widersprechen sie energisch. Torwart Kevin Broll meint sogar, die Tabellensituation interessiere ihn überhaupt nicht. „Wir haben erst den dritten Spieltag hinter uns.“

Nach dem Spiel klatschen sich Tim Knipping und Sebastian Mai ab.
Nach dem Spiel klatschen sich Tim Knipping und Sebastian Mai ab. © dpa/Sebastian Kahnert

Auch Dynamos Geschichte lehrt, dass es schnell anders laufen kann. In der Saison 2005/06 hatte die Mannschaft nach einer Niederlage am ersten Spieltag dreimal in Folge gewonnen, darunter überraschend mit 2:1 in München gegen den TSV 1860. Es war der erste Sieg für ein Gästeteam in der Allianz-Arena überhaupt, euphorisch gefeiert von mehr als 25.000 Dynamo-Fans. Schon wurde über einen möglichen Aufstieg diskutiert. Was folgte, waren – bedingt durch den Ausfall von Führungsspielern – 13 sieglose Spiele, zur Winterpause fanden sich die Dresdner mit 13 Punkten auf dem vorletzten Platz wieder.

Vor übertriebenen Ansprüchen ist Schmidt jetzt aber nicht bange. „Ich weiß nicht, warum wir uns über irgendetwas Sorgen machen sollten“, erklärt er, denn: „Unsere Mannschaft spielt einen geilen intensiven Fußball, wir hauen uns jedes Spiel rein.“ Genau das sei der Schlüssel, nicht ständig über alles nachzudenken. „Wir haben eine gute Energie und sind frei im Kopf.“ Egal, wer sich äußert, sie sprechen davon, demütig und bodenständig zu bleiben. „Die Mannschaft hat einen so guten Charakter. Wir wissen das alles einzuordnen“, meint zum Beispiel Tim Knipping.

Gleichzeitig baut der Vize-Kapitän schon mal vor. „Es werden Phasen kommen, in denen es nicht mehr so gut läuft. Dann dürfen wir uns trotzdem nicht von unserem Weg abbringen lassen.“ Eine negative Serie kann schließlich genauso passieren wie eine positive. Die von Schmidt ist beeindruckend. In den zehn Pflichtspielen als Trainer von Dynamo ist er ungeschlagen, den Sachsenpokal mal vernachlässigt. Für sich allein will der 52-Jährige diese Erfolgssträhne nicht beanspruchen. „Das ist nicht nur meine Serie“, betont er. „Sie ist verbunden mit sehr viel Arbeit im gesamten Verein, der eine Top-Einstellung hat und nicht irgendwie eingefahren ist.“

"Wir pflegen diese Kameradschaft extrem"

Was die Mannschaft ausstrahlt, wird offenbar auch im Team drumherum gelebt. „Wir pflegen diese Kameradschaft extrem, weil wir genau wissen, dass auch schwierigere Zeiten kommen könnten“, sagt Schmidt. „Wir wollen es natürlich so lange wie möglich rausziehen. Aber gerade, wenn es weniger gut läuft und die Zuschauer mal pfeifen, macht es sich noch mehr bezahlt, wenn wir als Einheit auftreten.“

Daran denkt auch Broll, zumal er weiß, dass sich der Wind ziemlich schnell drehen kann. „Druck hat man in Dresden immer: schwarz oder weiß“, sagt der Torwart, der seit Sommer 2019 bei Dynamo ist und erst Ab-, dann Aufstieg erlebt hat. „Es wird Leistungsschwankungen geben, diese Intensität nicht jedes Mal da sein. Dann muss man beharrlich bleiben und darf nicht die Nerven verlieren, auch nicht hier in der Stadt.“

Der 25-Jährige weiß, wie lang der Weg ist, und zwar der, den Ligaverbleib zu sichern. „Es kommen noch viele harte Spiele, es kommt der Winter, wenn die Plätze schwerer werden. Dann schauen wir weiter“, sagt Broll. Trotzdem ist ein guter Start grundsätzlich viel wert. „Es fällt leichter, wenn man Punkte auf dem Konto hat, als wenn man zwei-, drei-, viermal hintereinander verliert“, sagt auch Schmidt.

Das Beispiel von 2005/06 zeigt allerdings eben auch, dass man sich nicht zu früh freuen darf. Dynamos Aufholjagd endete dramatisch. Die Dresdner gewannen mit 3:1 in Rostock, aber Unterhaching spielte 0:0 gegen den bereits feststehenden Aufsteiger Bochum. 41 Punkte waren – bei damals vier Absteigern – einer zu wenig.