Dresden. Dass Kevin Broll nicht abergläubisch ist, glaubt man ihm spätestens bei der Antwort auf die zweite Frage. Wobei Dynamos Torwart erst einmal eine Weile schweigt, bevor er sagt: „Ich habe keinen Bezug zu der Nummer.“ Es geht um die Zahl 13, mit der die einen Pech, andere aber auch Glück verbinden. In seinem Fall ist sie vor allem ein statistischer Bestwert, denn so viele Spiele hat er in dieser Saison keinen Gegentreffer kassiert. „Ach, das ist gemeint“, sagt Broll – und ordnet das sofort ein: „Ich habe ja nicht die Null gehalten, sondern die gesamte Mannschaft, jeder wirft sich rein, um zu verteidigen.“
Das ist sicher richtig und es trotzdem kein Zufall, dass er der Schlussmann in der besten Defensive der 3. Liga ist. 24 Gegentore in 30 Spielen und eben jene 13 makellosen Partien – in der Abwehr legt Dynamo den Grundstein für den Aufstieg. Zumindest besagt das eine Fußball-Weisheit: Die Offensive gewinnt Spiele, die Defensive Meisterschaften. Mit solchen Sprüchen braucht man Broll nicht zu kommen, die wehrt er genauso souverän ab wie den Ball und verweist auf die Zahlen, die für ihn entscheidend sind: acht Spiele, 24 Punkte. „Es liegt noch ein langer Weg vor uns.“
Und der wird kein leichter sein, erst recht nicht gegen die Mannschaften aus dem untereren Tabellendrittel. Damit kennt er sich schließlich aus, hat selbst bei Sonnenhof Großaspach einst um den Klassenerhalt gekämpft und im Saisonendspurt mehrere Favoriten überrascht. „Wir haben alles reingeschmissen und manches Spiel gewonnen, von dem vorher alle dachten, der Gegner gewinnt locker mit 3:0“, erinnert sich Broll und ist deshalb gewarnt vor der Partie am Sonntag beim Tabellenletzten Unterhaching. „Das wird kein Freifahrtschein, die sind auch gute Kicker.“
Im Team müsse er das nicht ansprechen. „Nein, ich will die Jungs nicht verrückt machen. Wir sind alle lange genug dabei, um das zu wissen. Da muss ich nicht meinen Senf dazugeben“, meint Broll. Er will auf wie neben dem Platz Ruhe ausstrahlen, Sicherheit vermitteln. Das erscheint seit dieser Woche umso wichtiger, denn mit Patrick Wiegers, der nach einem Kreuzbandriss am Donnerstag operiert wurde, fällt sein Ersatzmann monatelang aus. Wenn etwas passiert, müsste der talentierte, aber erst 19 Jahre alte und unerfahrene Stefan Kiefer ins Tor.
Broll über Wiegers: Ein klarer Kerl, ein sehr guter Junge
„Mein ganzes Mitgefühl ist bei ,Wiege‘“, betont Broll. „Die Diagnose war eine Schocknachricht. Er ist ein klarer Kerl, ein sehr guter Junge.“ Die beiden Torhüter treiben sich im Training gegenseitig an, erst neulich sagte Chefcoach Markus Kauczinski, ob Wiegers Broll überhaupt nachsteht, könne er nicht sagen, weil er die Chance noch nicht hatte, es über einen längeren Zeitraum zu zeigen. „Er ist ein wichtiger Bestandteil der Mannschaft, pusht die anderen, geht mit seiner Einstellung vorneweg“, sagt Broll über den Kollegen. „Das schätzt jeder wert.“

Für ihn ändere sich trotzdem nichts, auch wenn Mitspieler scherzhaft sagen, der „Brollo“ müsse jetzt besonders gepflegt werden. Er selbst werde nicht vorsichtiger agieren, weil die Gefahr sowieso nicht auszuschließen ist. „Ich könnte auch aus dem Haus gehen und umknicken oder mit dem Hund spazieren und treffe den Bürgersteig nicht“, meint er. „Ich gehe in jedes Training, in jedes Spiel und will jeden Ball halten. Und wenn es knallt, dann knallt’s. Als Torwart musst du unter größtmöglicher Spannung stehen, darfst aber trotzdem nicht verkrampfen.“
Dreimal Holz: Bisher ist Broll verletzungsfrei geblieben, bei Dynamo hat er in den nun fast zwei Jahren lediglich ein Spiel verpasst – das letzte in der vorigen Saison, als Ersatzmann Tim Boss zu seinem Abschied ran durfte. Und Broll ist auch nicht der Typ, der Gefahr läuft, wegen unbeherrschter Aktionen vom Platz zu fliegen wie etwa früher Oliver Kahn, wobei die Schiedsrichter bei dem Bayern-Torwart allzu oft Gnade vor Recht gelten lassen haben. Broll hat in acht Jahren als Profi eine Gelbe Karte gesehen.
Keine Diskussion mit dem Schiedsrichter
„Es kommt schon mal zum Trash-Talk, aber da halte ich mich raus“, sagt er. „Ich habe es mir auch abgewöhnt, mit dem Schiedsrichter zu diskutieren, weil das sowieso nichts bringt. Ich konzentriere mich auf meine Aufgabe, die Null zu halten.“ Teilweise mit spektakulären Paraden wie im Ost-Duell gegen Hansa Rostock, als er den abgefälschten Schuss von Bentley Baxter Bahn parierte. Trainieren könne man so etwas nicht. „Das ist eine Reflexreaktion, mit Glück habe ich meine Flosse noch ranbekommen“, meint Broll. „Dann musste ich schon mal durchpusten.“

Der Druck, dass jeder Fehler von ihm spielentscheidend sein kann, erst recht, wenn vorne kein Tor fällt, ist für den in Mannheim geborenen Torhüter kein Problem. Broll ist mental stark, hat auch die zwei, drei Patzer zu Beginn der Saison gut weggesteckt. „Ich bin nicht so nervös wie vielleicht mancher auf der Tribüne oder ander Seitenlinie“, meint er.
Broll ist der Rückhalt, der den anderen die Stabilität vermittelt, zudem ein Klare-Kante-Typ, wie er sich selbst charakterisiert. Deshalb hat nach dem Abstieg nicht einmal darüber nachgedacht, Dynamo vorzeitig zu verlassen. Er wollte und will das wiedergutmachen. „Natürlich wusste ich nach dem Umbruch im Sommer nicht, dass es so positiv läuft, sich die neue Mannschaft so schnell findet und eine gute Harmonie herrscht“, sagt er. „Dabei müssen wir viele schwere Verletzungen wegstecken, das ist nicht so einfach.“
Jetzt gehe es darum, eine gewisse Lockerheit beizubehalten und dennoch Schärfe ins Spiel zu bringen. „Uns darf nichts mehr aus der Bahn werfen, wir müssen geil sein auf Tore, auf die drei Punkte“, fordert Broll. „Jeder erwartet einen Fehltritt von uns, aber wir müssen ausstrahlen: Mit uns nicht, wir wollen gewinnen!“
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