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Aue und sein Trainerproblem

Sieben Trainer in vier Jahren: Der FC Erzgebirge entwickelt sich langsam zum unliebsamen Ort für Fußballlehrer. Liegt das am Präsidenten oder den Profis?

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Von klarer Rückendeckung zur Entlassung in nur wenig mehr als 90 Minuten: Aues Ex-Trainer Aljaksej Shpileuski beim Spiel am Sonntag gegen Paderborn.
Von klarer Rückendeckung zur Entlassung in nur wenig mehr als 90 Minuten: Aues Ex-Trainer Aljaksej Shpileuski beim Spiel am Sonntag gegen Paderborn. © Robert Michael/dpa

Von Frank Kastner

Aue. Die letzte konstante Trainergröße in Aue war Gerd Schädlich. Der erfahrene Coach erlebte mit dem FC Erzgebirge von 1999 bis 2007 alle Höhen und Tiefen und stieg 2003 mit den Veilchen in die zweite Liga auf. Seitdem gaben sich 13 Trainer die Klinke in die Hand, keiner blieb mit Ausnahme von Aufstiegstrainer Rico Schmitt (2009) länger als zwei Spielzeiten. In den vergangenen vier Jahren versuchten sich sieben Fußball-Lehrer beim Kumpelverein.

Diesmal erwischte es den unerfahrenen Aljaksej Shpileuski. Der 33 Jahre alte Belarusse, der erst beim VfB Stuttgart, dann bei RB Leipzig erfolgreich im Nachwuchs arbeitete, wollte hohes Pressing, schnelles Umschaltspiel und die doppelte Sechs in Aue spielen lassen. „Ich habe an das Projekt geglaubt, aber es ist gescheitert“, meinte Präsident Helge Leonhardt unmittelbar nach dem 1:4 gegen den SC Paderborn.

Die Geduld war schnell am Ende. Präsident und Aufsichtsrat stürmten gleich nach Schlusspfiff in die Kabinen von Team und Trainer und überbrachten den Trennungsbeschluss. Noch vor dem Anpfiff hatte das Vereinsoberhaupt im Stadionrund vor laufenden Kameras getönt: „Wir lassen uns auch von Störfeuern nicht abbringen.“ Allein die Aussagen der Spieler wie Routinier Dimitrij Nazarov nach Schlusspfiff lassen tief blicken: „Da muss schleunigst was passieren, sonst gibt es hier ein böses Erwachen.“ Die Impulse eines jungen Trainers stießen auf Ablehnung, neue Spielideen und Ansätze sind offenbar nicht gewünscht. „Wir haben auch kein RB-System“, meinte Leonhardt via TV.

Er verwies auf alte Auer Tugenden im Schacht: Kampf, Kampf und noch mal Kampf. Das ging viele Jahre gut. Das Erzgebirgsstadion – gerade auch im Winter – war ein hartes Pflaster im Abnutzungskampf 2. Bundesliga. Das wusste auch Paderborns Trainer Lukas Kwasniok, der selbst 2018 mit den Brüdern Leonhardt hinsichtlich eines Engagements in Aue verhandelte. Doch der Karlsruher SC verlangte damals zu viel Ablöse. Nun kam er mit den bestens vorbereiteten Ostwestfalen („Ich erwarte eine Schlacht im Schacht“) und legte enorm hohe Effizienz an den Tag.

Die Auer Mannschaft muss sich fragen lassen: Reichen die jede Woche wiederkehrenden Lippenbekenntnisse und Floskeln aus, um in der zweiten Liga spielerisch zu bestehen? Ist das Team bereit für taktische Veränderungen? Oder haben Routiniers im Team – zuletzt ausgemustert wie Pascal Testroet oder zu Wechselspielern (Nazarov) degradiert – einfach zu viel Macht? Das Auftreten gegen Paderborn gerade in der Sieglos-Serie hatte schon Anzeichen einer Arbeitsverweigerung.

Hinzu kommt, dass es seit Jahren keinen Sportdirektor gibt, der die Sorgen und Nöte der Spieler filtert und parallel auch dem Trainer den Rücken freihält. Stattdessen rennen die unzufriedenen Akteure direkt zum Präsidenten. Diese Vorgehensweise suggeriert: Die Macht im Schacht ist die Mannschaft.

Kommt jetzt Ex-Dynamo Kauczinski?

Die beiden Zwillingsbrüder, egal ob Uwe oder Helge Leonhardt, sind als alleinige Macher im Erzgebirge für ihre harte Linie – meistens im Sinne des Teams – bekannt. Das wissen auch die Trainerkandidaten, die sich nun bewerben.

„Wir müssen ein neues Projekt starten, in der Hoffnung, dass wir wieder auf Kurs kommen“, meinte Leonhardt, der sich auf jeden Fall auf Dauer-Interims-Lösung Marc Hensel verlassen kann. Immerhin steht nun ein Auswärtsspiel am Freitag in Regensburg an, dann kommt eine Woche später der Hamburger SV. Möglich, dass der Nachfolger – im Gespräch ist bereits Ex-Dynamo-Trainer Markus Kauczinski – erst in der Länderspielpause kommt, bevor am 16. Oktober das Spiel beim Karlsruher SC ansteht.

Kauczinski ist ein exzellenter KSC-Kenner. (dpa)