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Hauch von Olympia im Hochsicherheitstrakt

Kienbaum ist die Medaillenschmiede des deutschen Sports – und seit Wiedereröffnung im Mai 2020 ohne Corona-Fall.

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Das Olympische und Paralympische Trainingszentrum für Deutschland – so lautet der offizielle Titel der Medaillenschmiede im deutschen Leistungssport in Kienbaum.
Das Olympische und Paralympische Trainingszentrum für Deutschland – so lautet der offizielle Titel der Medaillenschmiede im deutschen Leistungssport in Kienbaum. © PR

Von Jens Marx

Grünheide. Auf den letzten Metern wummert die Musik, auf dem Zielbogen steht in großen Buchstaben „Road to Tokio“. Ein Hauch Olympia weht über das Trainingsgelände in Kienbaum. Aber nicht nur an diesem trüben Mittwoch vergangene Woche, an dem die letzten zwei Plätze für das deutsche Triathlon-Team vergeben wurden.

Etwa eine Autostunde von Berlin entfernt liegt die „Oase der Ruhe mit qualitativ hochwertiger Ausstattung, wo sich die Spitzenathleten in waldreicher Luft und fernab von jeglichem Trubel auf die Höhepunkte der Saison vorbereiten können“. So wirbt das Olympische und Paralympische Trainingszentrum auf seiner Homepage.

Fern der Großstadt ist Distanz in Kienbaum seit über einem Jahr nun auch eines der obersten Gebote. Seitdem das Trainingszentrum im Mai 2020 wieder öffnen durfte, gab es nach eigenen Angaben nicht einen Corona-Fall. Und in den Wochen und Monaten vor den Olympischen Spielen ist Kienbaum wieder Anlaufpunkt für die Athletinnen und Athleten, die in Tokio topfit sein und um Medaillen kämpfen wollen. Eine Blase mit Fluktuation. Leichtathletik, Judo, Kanu-Rennsport, Bogenschießen, Boxen, Turnen, Rhythmische Sportgymnastik, Synchronschwimmen – rund 120 Kadersportler waren da.

Einige kommen noch mal, bevor es nach Japan geht. Auch die Para-Athleten nutzen die Anlagen, etwa 80 werden erwartet. Hinzu kommen schon die Winterdisziplinen, Peking im Februar 2022 ist nicht mehr fern. „Kienbaum zu schließen, wäre auch für den deutschen Sport insgesamt eine Katastrophe gewesen“, sagt Geschäftsführer Klaus-Peter Nowack.

Es gilt die 13. Fassung des Hygienekonzepts

14 Seiten umfasst das Hygienekonzept. Mittlerweile ist es die 13. Fassung. „Es wird immer den unterschiedlichen Auflagen durch den Bund, durch das Land, durch das Gesundheitsamt, durch den DOSB, durch den Arbeitsschutz und so weiter angepasst“, erklärt Nowack. Die wichtigsten Punkte wie Testung, Maskenpflicht, Trainingsstätten, Regeneration, Versorgung und Unterkunft würden jeder einzelnen Athletin und jedem einzelnen Athleten bei der Anreise noch einmal nahe gebracht. „Wir sagen auch ganz klar: Wir geben die Regeln vor, wer die Regeln nicht annehmen möchte, der muss auch nicht zu uns kommen“, sagt Nowack. Seit 2002 führt er die Geschäfte und hat die Entwicklung entscheidend vorangetrieben. Längst ist Kienbaum die Medaillenschmiede des gesamtdeutschen Sports.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Trainingszentrums sind angehalten, auf die Einhaltung der Corona-Maßnahmen zu achten, auch mit Fingerspitzengefühl. Geräte zum Fiebermessen sind auf der Anlage aufgestellt, Doppelzimmer werden nur mit einem Gast belegt.

Was leidet, ist die RegenerationOb im Essensraum oder im Kraftraum: Desinfektion steht ganz oben auf der To-do-Liste. Das ist ein Mehraufwand für das Trainingszentrum, der wiederum dadurch ausgeglichen wird, das in anderen Bereichen nur ein vermindertes oder gar kein Angebot besteht.

Zugang zum Kraftraum begrenzt

„Einschränkungen bestehen in der Regeneration, das muss man eindeutig sagen. Das fehlt den Sportlerinnen und Sportlern am meisten“, meint Nowack. Zudem müssen sie sich auch an zeitliche Vorgaben halten, wenn sie beispielsweise in den Kraftraum wollen, weil auch dort nur eine bestimmte Nutzerzahl zugelassen ist.

„Es hat schon etwas von einem Hochsicherheitstrakt. Man schläft in Einzelzimmern, isst an einzelnen Tischen in genau vorgegebenen Zeitfenstern und muss außer an den Geräten eigentlich überall Maske tragen. Aber so ist es eben in Zeiten der Pandemie“, sagt Turner Marcel Nguyen, der kürzlich einen Kreuzbandriss erlitten hat und nun um seine Karriere bangen muss. Die Vorzüge von Kienbaum bleiben. Der 33-Jährige war in den vergangenen Monaten mehrfach da, und er weiß die hervorragenden Möglichkeiten trotz der Einschränkungen auch sehr zu schätzen. „Man muss dankbar sein für solche Konzepte, die es einem ermöglichen, überhaupt zu trainieren“, sagt Nguyen.

So dürften es auch die acht Triathletinnen und fünf Triathleten sehen, die um jeweils ein Ticket für Tokio bei den Frauen und Männern kämpften. Absperrband wies ihnen überall den richtigen Weg, große Knuddeleien für die siegreichen Anabel Knoll und Justus Nieschlag gab es allerdings nicht. Und auch das entspricht einem Hauch Olympia in Corona-Zeiten. (dpa)