Landkreis Meißen. Fragt man Eric Schubert, auf welcher Position er Fußball spielt, leuchten seine Augen. "Sturm!" - ganz klar. Der Großenhainer, dem das Sprechen etwas schwerer fällt, kickt seit vielen Jahren in der Mannschaft der Lebenshilfe. "Er ist ein echtes Vorbild", schwärmt sein Trainer Sebastian Blut. Der Heilerziehungspfleger ist der hauptverantwortliche Trainer des Teams, dem elf Männer und fünf Frauen angehören. Die meisten haben eine Behinderung mit einhergehender Intelligenzminderung. Auch zwei Menschen mit Down-Syndrom, einer mit autistischen Zügen und einer mit Borderline-Störung spielen mit.
"Es ist gar nicht so einfach, alle unter einen Hut zu bekommen", erzählt Blut. Spieler wie Schubert, der den Ball nochmal auf seine Mitspieler ablegt, obwohl er selbst schießen könnte, seien da Gold wert. Zudem ist er sportlich auf so einem Niveau, dass er auch mit der zweiten Männermannschaft des Großenhainer FV trainiert.
Das Team der Lebenshilfe war am Dienstag ins Kino in Meißen eingeladen, zusammen mit Spielern vom DRK Meißen, der mit dem Meißner SV 08 ebenfalls eine Inklusionsmannschaft betreut. Die Männer und Frauen mit Handicap schauten einen Film, in dem es um einen Jungen namens Dylan geht, der genau wie Schubert im Sturm spielt. Dylan ist einer der besten im Team, sehr ehrgeizig und voller Selbstbewusstsein.
Menschen mit und ohne Handicap auf dem Platz
Doch dann hat er einen Unfall und ist querschnittsgelähmt. Zunächst will Dylan nicht glauben, dass er nicht mehr auf den Platz zurückkann. Er versucht sich als Torwart und als Trainer, bis er eine für ihn passende Lösung findet – im Rollstuhl. Bis dahin vergehen Wochen voller Rückschläge, Tränen, Streits, aber auch lustigen Momenten und Freude. Ein Zuschauer wird nach dem Abspann emotional: „Glaubt an eure Ziele und Träume“, sagt er. Der Film mit dem Titel „Bleib am Ball“ kommt am 5. September in die Kinos.
Besser hätte es Heiko Probst nicht ausdrücken können. Der Vorsitzende des Großenhainer FV engagiert sich im Kreisfußballverband Meißen und im sächsischen Fußballverband für den Breitensport. Die Inklusion von Menschen mit Handicap sei wichtig und mache auch deshalb Spaß, weil man so viel zurückbekommt. "Das ist eine ganz andere Dankbarkeit", sagt Probst. "Sie freuen sich wahnsinnig über solche Aktionen heute oder ein Turnier."
Sein Verein veranstaltet zweimal im Jahr einen Pokal für Menschen mit geistiger Behinderung. Beim vergangenen Turnier waren neun Mannschaften aus ganz Sachsen am Start. Sebastian Blut erzählt von einem Turnier in Kleinwachau, wo Spieler und Spielerinnen mit und ohne Handicap gemeinsam auf dem Platz stehen. Menschen ohne Behinderung dürfen dabei nur Tore vorbereiten.
Inklusionsliga bis 2027 in Sachsen geplant
Geht es nach dem Sächsischen Fußballverband (SFV), könnten solche Initiativen in Zukunft überall in Sachsen zur Regel werden. "Fußball wird sich in den nächsten Jahren verändern", meint der Inklusionsbeauftragte des SFV, Axel Ackermann.
Er will fußballbegeisterte Menschen mit und ohne Beeinträchtigung stärker zusammenbringen. Zunächst in Leipzig plant er deshalb eine Art Mini-Liga mit fünf Spieltagen. Mindestens drei beeinträchtigte Menschen sollten im Team sein, ansonsten gibt es keine Vorgaben. "Wir machen da gar keine Unterschiede", sagt Ackermann. Zu den Formen des Handicap-Fußballs gehören neben dem Fußball für Menschen mit geistiger Behinderung auch Sitz-, Rollstuhl-, Gehörlosen-, Amputiertenfußball, ebenso wie Fußball für Menschen mit Hirnschädigung und der Blindenfußball, der in den nächsten Tagen bei den Paralympischen Spielen in Paris zu sehen ist.
Ralph-Uwe Schaffert, Vizepräsident beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) für sozialpolitische Aufgaben, sagte in einem Interview, dass man in vielen Bereichen immer noch am Anfang stehe. Bis 2027 will er in allen deutschen Landesverbänden eine Inklusions-Spielklasse anzubieten, in der Menschen mit und ohne Beeinträchtigung spielen.
"Das sieht man auf anderen Sportplätzen viel zu selten"
Das zu organisieren ist mit deutlich mehr Aufwand verbunden. "Viele unserer Jungs können nicht sagen, wir machen mal alleine los", weiß Heiko Probst. Bei Spielen kann das zum Problem werden. "Bei einem Turnier kamen drei Mannschaften nicht, weil der Betreuer oder ein Fahrzeug fehlte", erzählt der Großenhainer.
Deshalb will Axel Ackermann die Inklusionsmannschaften noch stärker an die Vereine binden, so wie es in Großenhain und Meißen bereits vorgelebt wird. Dabei sei es zunächst zweitrangig, wie erfolgreich das Team ist. "Man muss Fußball wollen und nicht können", lautet das Motto. Der Gedanke, dass alle ihren Platz finden, eint die Teams, was man auch im Umgang miteinander merke. "Sie sind fairer miteinander, geben sich nach dem Foul die Hand, und dann geht es weiter", erzählt Probst und fügt hinzu: "Das sieht man auf anderen Sportplätzen viel zu selten."