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Als DDR-Sprinterin Renate Stecher die Schallmauer durchbrach

Vor 50 Jahren sprintet Renate Stecher als erste Frau der Welt die 100 Meter unter elf Sekunden. Warum das der heute 73-Jährige gar nicht wichtig war.

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Renate Stecher beim Jugendmeeting des Dresdner SC im Heinz-Steyer-Stadion im Mai 2017.
Renate Stecher beim Jugendmeeting des Dresdner SC im Heinz-Steyer-Stadion im Mai 2017. © Archiv: Ronald Bonß

Von Andreas Frank

Jena. Die Stadionuhr in Ostrau zeigte 16.15 Uhr, die Bedingungen waren widrig – und doch rannte Renate Stecher am 7. Juni 1973 in eine neue Sprint-Epoche. Mit handgestoppten 10,9 Sekunden blieb die damals 23-Jährige als erste Frau über 100 Meter unter elf Sekunden, eine legendäre Schallmauer der Leichtathletik war durchbrochen.

Dabei war der Auftritt in der damaligen Tschechoslowakei überhaupt kein von langer Hand geplanter Rekordlauf. „Mir war der Sieg immer wichtiger als die Zeit. Die Kubanerin Silvia Chivas tönte immer, dass sie die Erste sein würde. Daran habe ich mich nie beteiligt“, sagte die Jenaerin später rückblickend.

Die Niederlage von München 1972 schmerzt noch immer

Dennoch: Stecher sammelte zwischen 1970 und 1976 mehr als 20 Weltbestmarken, Yards-Strecken und kurze Hallendistanzen eingeschlossen. Nach ihrem Rücktritt 1976 wurden handgestoppte Rekorde zu einem Auslaufmodell. Schon ein Jahr später blieb ihre Nachfolgerin Marlies Göhr in 10,88 Sekunden auch elektronisch gemessen unter der magischen Grenze, später drückte sie diese Marke auf 10,81 Sekunden. Das ist bis heute noch deutscher Rekord.

Aber obwohl keine deutsche Leichtathletin noch mehr Medaillen bei Olympischen Spielen gewann, ist der breiten Sportöffentlichkeit eine von Stechers wenigen Niederlagen mehr in Erinnerung geblieben als sechsmal olympisches Edelmetall. Beim Staffel-Endlauf über 4 x 100 Meter 1972 in München unterlag sie als Schlussläuferin überraschend der (west)deutschen Rivalin Heide Rosendahl.

Ein Stachel, der bis heute ein bisschen pikst. Die in Sachsen geborene Renate Stecher dazu: „Wir waren damals falsch besetzt, aber das war von ganz oben angeordnet. Ich bin sonst immer die zweite Strecke gelaufen, und das war immer die entscheidende Position.“

Umstrittene Aufnahme in die Hall of Fame

Vier Jahre später, bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal, gelang die Revanche – mit der Ausnahmesprinterin auf der Gegengerade im Einsatz.

Nach dem Mauerfall wurde die studierte Sportwissenschaftlerin immer wieder mit Dopingvorwürfen konfrontiert. „Dass alle sportlichen Leistungen der DDR auf Doping reduziert wurden, hat sie – wie viele andere – erst misstrauisch und dann verschlossen gemacht“, steht in ihrer Biografie auf der Website der Hall of Fame des deutschen Sports. Ihre Aufnahme vor zwölf Jahren war hochumstritten. (sid)