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Wieder Gold für Liebscher-Lucz: So feiert Dresden seinen dreifachen Olympiasieger

Weltklasse-Kanute Tom Liebscher-Lucz treibt den deutschen Kajak-Vierer zur Goldmedaille in Paris. Dem 31-jährigen Dresdner gelingt damit etwas, das noch niemand geschafft hat. Auch zu Hause ist der Jubel riesig.

Von Alexander Hiller
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Der Dresdner Tom Liebscher-Lucz gewinnt in Paris sein drittes Olympiagold mit dem deutschen Kajak-Vierer - und hat noch nicht genug.
Der Dresdner Tom Liebscher-Lucz gewinnt in Paris sein drittes Olympiagold mit dem deutschen Kajak-Vierer - und hat noch nicht genug. © dpa/Sebastian Kahnert

Dresden. Der Putz an der Decke im Bootshaus des KC Dresden hat schon einige Körnchen nach unten abgeben müssen. In diesem Augenblick aber ist das Triste egal, denn es ist ein goldener - und vielleicht der größte überhaupt in der Karriere von Tom Liebscher-Lucz. Er wird in Paris zum dritten Mal Olympiasieger und zu Hause in Dresden gerät eine knapp 70-köpfige Anhängerschaft aus Freunden, Unterstützern und Trainingspartnern beim Public Viewing im Bootshaus völlig aus dem Häuschen.

Schon als der deutsche Kajak-Vierer am Donnerstagmittag im olympischen Gewässer kurz nach dem Start in Führung geht, und das nach einem zuvor selbst produzierten Fehlstart, gibt es kein Halten mehr. "Deutschland, Deutschland", rufen die Kanu-Fans - in Dresden ebenso wie in Paris, wo Liebscher-Lucz' Ehefrau Dora mit Töchterchen Zoey das Finale verfolgen. Auch die Eltern des 31-Jährigen und sein Heimtrainer Jens Kühn sind vor Ort direkt an der Regattastrecke.

Dort also, wo jetzt im Endspurt über die 500-Meter-Distanz längst die Muskeln brennen. In den Mienen des deutschen Vierers spiegelt sich pure Anstrengung wider - aber auch unbändiger Wille. Und der beflügelt. Das schwarze deutsche Boot, eine weltweit einzigartige Anfertigung des FES-Instituts in Berlin, schiebt sich nach vorn. Australien bleibt dran. Nur wenige Meter noch, die Ekstase in Dresden erreicht ihren Höhepunkt, der deutsche Vierer überquert die Ziellinie als Erster. Das hat auch der ARD-Kommentator so gesehen.

Erst 47 Sekunden nach dem Rennen steht der Sieg fest

In Dresden durchstoßen jubelnde Fäuste die Luft. Dann wird es plötzlich ruhig in der Bootshalle. Denn die Olympiasieger jubeln nicht, starren stattdessen wie gebannt auf die noch leere Ergebnistafel. Hat es etwa doch nicht gereicht?

Die Zitterpartie dauert 47 Sekunden - eine gefühlte Ewigkeit. Dann ist es klar: Mit 0,04 Sekunden Vorsprung, umgerechnet zehn Zentimeter, liegt Deutschland vorn. Wieder brandet Jubel im Dresdner Bootshaus auf.

"Es war ein verdammt geiles Rennen. Die letzten 50 Meter waren etwas knapp, keiner wusste, wer jetzt jubeln soll", sagt Liebscher-Lucz, und dann stellt er sichtlich glücklich fest: "Bei jedem liegt das Gold jetzt auf dem Nachttisch."

Für ihn ist es die insgesamt dritte Goldmedaille, eingefahren jeweils im Vierer-Kajak. Damit sorgt der Dresdner - gemeinsam mit Kollege Max Rendschmidt - für ein Novum im olympischen Sport. Noch nie zuvor hat ein Sportler in dieser Bootsklasse dreimal in Folge olympisches Gold gewonnen. Nach Rio 2016, Tokio 2021 nun also Paris 2024 - das goldene Triple ist perfekt.

"Dass wir dreimal Gold in Serie gewonnen haben, ist einmalig. Es spricht für den Verband und seine Arbeit. Bei uns wird viel richtig gemacht, und wir sind stolz, für den Deutschen Kanu-Verband zu fahren", betont Liebscher-Lucz.

So emotional wurde im Bootshaus von KC Dresden am Donnerstag mit Tom Liebscher-Lucz mitgefiebert.
So emotional wurde im Bootshaus von KC Dresden am Donnerstag mit Tom Liebscher-Lucz mitgefiebert. © René Meinig

In Dresden knallen Sektkorken. Jonas Draeger, Trainingskamerad von Liebscher-Lucz und Anschlusskader des Nationalteams, findet als einer der ersten wieder Worte nach dem Herzschlagfinale. "Auf einer Spannungs-Skala von eins bis zehn war das eine Zwölf", sagt der 25-Jährige. "Ich habe bei Tom gesehen, wie schwer das für ihn mit der neuen Familiensituation war, mit was für einer Disziplin er dahinterstand", sagt Draeger. Seit Februar 2023 ist der Dreifach-Olympiasieger eben auch Vater - und der Leistungssport nicht mehr das Ein und Alles.

Neben Draeger gehört unter anderem auch der dreifache U23-Weltmeister Tobias Hammer vom WSV "Am Blauen Wunder" zur bärenstarken Dresdner Trainingsgruppe von Landestrainer Kühn. "Man schenkt sich nichts. Tom hat sich in der einen oder anderen Einheit die Zähne ausbeißen müssen", erzählt Draeger.

Holt Liebscher-Lucz noch eine Medaille?

Das musste Liebscher-Lucz auch am Anfang seiner Karriere. Dass er da als Siebenjähriger gleich mal ins Wasser geplumpst ist, erzählt der sechsfache Weltmeister immer mal wieder - mit wachsender Genugtuung. Denn er hat sich durchgebissen, wurde 2012 dreifacher Junioren-Weltmeister, fuhr zu den Spielen von London als Ersatzmann, musste zuschauen. Das wurmte ihn damals, aber er ist daran gewachsen.

Nach dem dritten Gold wolle er sich mit den Kollegen ein kleines Bier an der Bar gönnen, das könne man sich schon erlauben, sagt Liebscher-Lucz. Groß gefeiert wird allerdings frühestens am Freitagabend. Denn der Erfolgs-Vierer teilt sich nun in zwei Zweier-Kajaks auf. Beide deutschen Boote gewannen ihre Vorläufe, müssen vormittags noch ihre Halbfinals überstehen und könnten im Finale am Freitagnachmittag aufeinandertreffen.

"Wir haben unsere vier Medaillen in der Tasche. Alles, was jetzt noch kommt, nehmen wir als Rückenwind mit", meint Liebscher-Lucz. Fest steht: Im alten Bootshaus ist dann wieder die Hölle los.

Auch die Unterstützung aus der Heimatstadt lange nicht ganz. Liebscher-Lucz und Max Rendschmidt fuhren im Zweier als Fünfter ins Ziel, verpassten Bronze und damit eine zweite Paris-Plakette um lediglich 0,25 Sekunden. Schon vor acht Jahren bei den Spielen in Rio war der Dresdner Weltklasse-Athlet im Zweier als Fünfter "um 15 Zentimeter an Bronze vorbeigeschrammt", erinnerte sich der 31-Jährige vor seiner Abreise nach Paris. Auch diesmal waren es nicht unwesentlich mehr Zentimeter.