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Sind das die Nachfolger des Doppel-Olympiasiegers?

Seit Jahren glänzt Tom Liebscher als Weltklasse-Athlet. Doch junge Talente aus Dresden setzen ihn unter Druck - und machen bei der WM auf sich aufmerksam.

Von Alexander Hiller
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Aufstrebende Kanu-Talente aus Dresden: Jonas Draeger, Tobias Hammer, Estella Damm, Jakob Kurschat und Albert Fritzsche (v.l.)
Aufstrebende Kanu-Talente aus Dresden: Jonas Draeger, Tobias Hammer, Estella Damm, Jakob Kurschat und Albert Fritzsche (v.l.) © Heike Gußer

Dresden. Er überstrahlt derzeit alles in der Sportlandschaft der sächsischen Landeshauptstadt. Seit knapp einem Jahrzehnt ist Tom Liebscher das Gesicht der Kanuten hier. Und nun ist er nach seinem bislang größten Triumph in Rio sogar Doppel-Olympiasieger. Der Kajak-Vierer mit Liebscher wiederholte den Coup in Tokio. Doch die Karriere des 28-Jährigen ist endlich. Bis zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris plant der Modellathlet zunächst. Dann ist er 31.

Die Frage drängt sich förmlich auf: Was kommt danach? Zumindest muss Landestrainer Jens Kühn nicht bange vor der näheren Zukunft sein. Von der Junioren- und der U23-WM aus Portugal kehrten Dresdner Kanuten mit vier Medaillen heim. Der 19-jährige Tobias Hammer errang im Kajak-Zweier den U23-Titel auf der nicht olympischen Distanz über 1.000 Meter. Jakob Kurschat gewann Silber im Zweier-Kajak über 500 Meter.

Silber bei den Junioren gab es auch für Estella Damm, die im deutschen Vierer saß. Albert Fritzsche (alle WSV "Am Blauen Wunder") holte ebenfalls mit dem Junioren-Vierer Bronze. Hinzu kommt ein guter sechster Platz von Jonas Draeger (22/KC Dresden) im 200-m-Sprint im Einer. Draeger und Kurschat saßen zudem im Vierer, bei ihnen brach allerdings vor dem Vorlauf das Steuer - durchaus eine Seltenheit. Die sicher geglaubte Medaille war dahin.

Zwei Mal Tom Liebscher, zwei Mal mit Olympiagold. Der 28-Jährige plant noch bis Paris, hat aber schon potenzielle Erben in der eigenen Trainingsgruppe.
Zwei Mal Tom Liebscher, zwei Mal mit Olympiagold. Der 28-Jährige plant noch bis Paris, hat aber schon potenzielle Erben in der eigenen Trainingsgruppe. © dpa-Zentralbild

Alle Genannten gehören zu der knapp 15-köpfigen Trainingsgruppe um Tom Liebscher. "Das werden nicht die neuen Liebschers, sondern die neuen Hammers und Kurschats. Das sind schon coole Jungs, die sich immer weiter rangekämpft haben und mir im Training ganz schön einheizen", sagt der Doppel-Olympiasieger. "Tobi hat endlich gezeigt, was er kann, hat sein Herz in die Hand genommen", sagt der gebürtige Dresdner über den nun neuen U23-Weltmeister und erklärt sogar noch hinderliche Hintergründe. "Er wurde vom Deutschen Kanu-Verband in kein einziges Trainingslager mitgenommen, sondern hat sich den ganzen Winter Zuhause vorbereitet. Er hat offenbar fleißig weitertrainiert."

Der 28-Jährige ist sich nicht zu fein, um zu erklären, dass die Dresdner Talente ihm in manchen Trainingseinheiten schon davonfahren. "Es gibt sehr viele Tage, an denen sie besser sind. Tatsächlich auch an den Tagen", erklärt der 28-Jährige feixend, "wenn andere zugucken".

Das mache den Alltag aber spannend. Diese Konkurrenz belebt, treibt alle an. "Dieses Niveau halten zu müssen und mich täglich mit meiner Leistung auseinanderzusetzen, ist schon sehr krass. Wenn ich einen schlechten Tag habe, fahre ich mit Puls 180 mit den Beiden mit", sagt Liebscher und meint Tobias Hammer und Jakob Kurschat. "Und das ist schon hart, da wird einem nichts mehr geschenkt."

Das Dresdner Modell ist außergewöhnlich

Jakob Kurschat verpasste die interne nationale Qualifikation für Tokio nur knapp. "Es ist schön zu sehen, dass sich das in den letzten Jahren so entwickelt hat, dass es nicht nur von meinen Erfolgen abhängt, sondern dass die Talente ihren eigenen Weg gehen können", blickt der Sportsoldat im Rang eines Stabsunteroffiziers schon einmal voraus.

Mit der erst 17-jährigen Estella Damm ist endlich auch eine Paddlerin mit dabei, die irgendwann in die Rolle von Steffi Kriegerstein (29) schlüpfen könnte. "Die ganze Mischung macht es. Eigentlich müssten wir an einem Bundesstützpunkt trainieren und nicht an einem Landesstützpunkt, an dem theoretisch nur Nachwuchs-Kader trainiert werden. Unser Konzept bedarf ein bisschen mehr organisatorisches Geschick", sagt Liebscher und bringt damit seinen langjährigen Heimtrainer Jens Kühn ins Gespräch, der dieses Modell für Dresden durchgesetzt und entwickelt hat.

"Ihm muss für die Zukunft gar nicht bange sein. Er möchte Anfang 2025 in seinen wohlverdienten Ruhestand gehen, aber er will einen guten Laden übergeben. Da sind wir auf dem besten Weg", sagt der Top-Athlet, der aufgrund vieler Trainingslager der Nationalmannschaft nur noch knapp vier, fünf Wochen am Stück in seiner Heimatstadt trainiert. "In diesen Tagen merke ich einfach, dass sie auf mich gucken. Und es ist von mir höchstgewollt, dass sie mir nichts schenken, sondern versuchen, mir auf der Strecke den Arsch zu versohlen", unterstreicht Tom Liebscher.

Kurschat bekommt kein Sportstipendium mehr

Zwei seiner Trainingskollegen können und sollen nun bei der Kanu-Weltmeisterschaft in Kopenhagen (14. bis 19. September) ihr Können nochmals unter Beweis stellen: Jakob Kurschat und Jonas Draeger. Die Olympia-Mannschaft des DKV hatte auf den Einsatz in Kopenhagen verzichtet. Also darf die zweite Reihe ran - und die ist ambitioniert. "Das ist noch mal ein Zeichen, dass der Nachwuchs stärker herangezogen wird. Das wird nächstes Jahr kein Selbstläufer, sich für die Nationalmannschaft zu qualifizieren", meint Tom Liebscher. Jakob Kurschat wurde bei der Weltmeisterschaft mit seinem Zweier-Partner Jakob Thordsen aus Hannover im K2 über 1.000 Meter Fünfter. Das deutsche Duo hatte lange geführt, dann gingen den U23-Vize-Weltmeistern allerdings im Endspurt die Kräfte aus.

Jakob Kurschat musste trotz seiner Erfolge einen persönlichen Einschnitt hinnehmen. Der 22-Jährige ist von der Stadt Dresden aus dem Kreis jener Sportler befördert worden, die ein sogenanntes Sportstipendium der Landeshauptstadt bekommen. Maximal ist damit ein monatlicher Zuschuss in Höhe von 1.000 Euro verbunden. Vielleicht ist dieser vorläufige Ausschluss aus einem illustren achtköpfigen Personenkreis für Jakob Kurschat auch eine Motivation für weitere Höhenflüge.

Tobias Hammer (l.) und sein Kanu-Partner Nico Paufler aus Essen sind jetzt U23-Weltmeister.
Tobias Hammer (l.) und sein Kanu-Partner Nico Paufler aus Essen sind jetzt U23-Weltmeister. © Heike Gußer