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Dresdens Paralympics-Siegerin kritisiert: "Parasport wird nie fair sein"

Die Dresdnerin Christiane Reppe holte 2016 Gold in Rio und erklärt vor den Paralympischen Spielen von Paris ihre kritische Sicht auf verwirrend viele Schadensklassen und Möglichkeiten der besseren Inklusion.

Von Alexander Hiller
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Christiane Reppe beendete vor drei Jahren ihre erfolgreiche Karriere und sagt jetzt: "Den Cut hätte ich eher machen müssen. Die Zeit, die danach kam, war anstrengend, aber so geil."
Christiane Reppe beendete vor drei Jahren ihre erfolgreiche Karriere und sagt jetzt: "Den Cut hätte ich eher machen müssen. Die Zeit, die danach kam, war anstrengend, aber so geil." ©  dpa/Robert Michael

Dresden. Nach Olympia in Paris ist vor den Paralympics. Seit den Olympischen Spielen 1988 in Seoul findet das größte und wichtigste Sportereignis für Menschen mit körperlicher Einschränkung in derselben Stadt und in denselben Sportstätten wie bei den Olympioniken statt. Seit jeher ist es ein Kampf um mehr Akzeptanz, mehr Bewusstsein, um mehr Anerkennung - und ja, mehr Aufmerksamkeit.

Und die ist auch in Paris gerechtfertigt. Zumindest in den sportlichen Top-Nationen betreiben die Athleten und Athletinnen den gleichen Aufwand wie nicht behinderte Sportstars. Und dennoch stellen sich trotz wachsendem medialem Interesse aller vier Jahre die immer gleichen Fragen.

Warum beschränkt sich das Blickfeld auf Handicap-Sportler bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich auf die Paralympics? Warum gibt es, und das ist für den TV-Zuschauer wohl der verwirrendste Aspekt, so viele Schadensklassen in jeder Sportart? Und wie wird Inklusion eigentlich außerhalb des paralympischen Leistungssports gelebt?

"Das sorgt im Lager der Parasportler für Riesentheater"

Auch Christiane Reppe stellt sich diese Fragen. Dabei war die inzwischen 37-Jährige jahrelang mittendrin. In drei Sportarten: Schwimmen, Handbike und Triathlon. Im Schwimmsport gewann sie 2004 zweimal Bronze bei den Paralympics, 2016 in Rio Gold im Handbike-Straßenrennen. 2021 - vor den Paralympics von Tokio - beendete sie ihre Karriere. "Ja klar fehlt zwischen den Paralympics die öffentliche Aufmerksamkeit", stellt sie im Gespräch mit Sächsische.de fest. "Ich habe aber ohnehin das Gefühl, dass Sport seit Covid etwas in den Hintergrund gerückt ist. Die Welt beschäftigt sich gerade mit anderen Themen", sagt sie.

Reppe, die sich aus ihrem Start-up "Thats Coffee" mit dem Dresdner Unternehmer Stefan Meyer-Götz wegen Unstimmigkeiten über die Ausrichtung wieder verabschiedet hat, erkennt in dem Durcheinander an undurchdringlichen Schadensklassen auch ein Problem. Eine Lösung dafür sieht aber auch sie nicht und argumentiert dabei mit einem drastischen Beispiel: "Man kann ja nicht sagen: Oh, dessen Arm ist jetzt ein Zentimeter länger, da ist ein Vorteil." Aber, so schränkt Reppe ein: "Das sorgt auch im Lager der Parasportler regelmäßig für Riesentheater. Parasport wird für alle Parasportler nie fair sein."

Die Erkenntnis wirft allerdings die Frage auf: Ist das bei den Nichtbehinderten überhaupt anders? Die vierfache Weltmeisterin, der im Alter von fünf Jahren aufgrund eines bösartigen Tumors das rechte Bein amputiert werden musste, vertritt dazu eine klare Meinung. "Nicht jeder kommt mit dem gleichen Potenzial auf die Welt. In der Leichtathletik ist das sehr deutlich. Da sind meist Athleten vorn, die andere, optimalere körperliche Voraussetzungen für ihre Disziplin haben", sagt sie.

Reppe war in der Schule vom Sport befreit

Die auf größtmögliche Fairness bedachten Schadensklassen minimieren entsprechend die Starterfelder. Keine Behinderung ist wie die andere. In Rio gab es allein im 100-Meter-Lauf der Männer 16 Olympiasieger. Reppe holte ihr Rio-Gold in der Schadensklasse WH4 - und trat dabei gegen drei Kontrahentinnen an. Die Frage mag despektierlich klingen, aber sie stellt sich: Ist man dann die Beste der Welt? Christiane Reppe überlegt kurz: "Klar, ich war die Beste der Welt - in meiner Klasse bei den Frauen", sagt sie.

Vielmehr fragt sich die Dresdnerin: Wie lässt sich Inklusion, die Förderung von Gehandicapten im Alltag verbessern? Sie selbst war an der 62. Dresdner Oberschule "Friedrich Schiller" vom Schulsport befreit. "Bei mir wurden dann die Leistungen von den Wettbewerben bewertet. Auf dem Zeugnis stand dann meist eine Eins", sagt die Frau, die derzeit eine Weiterbildung zur Sachverständigen für Immobilienbewertung absolviert.

Bleibt die Vorstellung inklusiver Sportstunden ein nicht einlösbares Ideal? "Wenn ich hätte am Rand sitzen müssen, wäre das wahrscheinlich uncool gewesen. Aber es müsste jeder Sportunterricht inklusiv gestaltet werden. Ich glaube nicht, dass es dafür eine zweite Person im Sportunterricht braucht. Aber das ist durchaus etwas, worüber man nachdenken könnte."

Ein besonderer Glücksmoment: Christiane Reppe wurde ihre Goldmedaille von Rio nur wenige Tage nach dem Triumph auf einer Pressekonferenz gestohlen. Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert kümmerte sich persönlich um Ersatz - und überreicht die neue Plaket
Ein besonderer Glücksmoment: Christiane Reppe wurde ihre Goldmedaille von Rio nur wenige Tage nach dem Triumph auf einer Pressekonferenz gestohlen. Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert kümmerte sich persönlich um Ersatz - und überreicht die neue Plaket © Sven Ellger

Immerhin können einige Paraathleten mittlerweile auf Eliteschulen des Sports gefördert werden - beispielsweise in Berlin. "Auch bei mir stand das für Dresden mal im Raum", erinnert sich Reppe, die heute nur noch hin und wieder ins Arnholdbad 30 Minuten schwimmen geht oder sich auf dem heimischen Peloton-Gerät fit hält.

Ihr Herz, so viel ist klar, wird in den kommenden Tagen etwas schneller schlagen. Die Aufregung ist immer noch da. "Die Paralympischen Spiele sind nicht nur ein Sportereignis. Sie sind ein kraftvolles Beispiel dafür, was möglich ist, wenn wir bereit sind, über den Tellerrand zu schauen und offen zu bleiben", schrieb sie vor wenigen Tagen auf ihrem Instagram-Account.