Friesinger-Postma: „Pechstein ist immer noch in den Top 20“

Anni Friesinger-Postma, Sie haben in Salzburg ein Geschäft, in dem Sie unter anderem Kinderkleidung verkaufen. Wie läuft es für Sie als Geschäftsfrau?
Pünktlich zum ersten Lockdown sind wir umgezogen in ein Ladenlokal nebenan, wir haben uns von 50 auf 150 Quadratmeter vergrößert. Corona war schon eine heftige Zeit, aber wir sind einigermaßen gut durchgekommen.
2010 in Vancouver haben Sie Ihre letzte olympische Medaille gewonnen. Wie haben Sie ins Leben nach dem Sport gefunden?
Als Leistungssportlerin hatte ich immer eine postsaisonale Depression. Wenn nach dem letzten Wettkampf von einem Tag auf den anderen der Alltag eintritt, dann ist das schon hart. Wenn du den Stress und das Adrenalin nicht mehr hast, dann wirst Du unglücklich. Bei mir war es so, dass ich die Karriere aufgeben musste, mein Knie war einfach zu kaputt durch die Arthrose. Aber ich hatte schon eine Liste, was die Zeit nach der Laufbahn betraf. Ich wollte Mutter werden, ich wollte dem Sport treu bleiben, und ich habe parallel schon an meinem Concept Store gearbeitet. Das war ein geschmeidiger Übergang. Das Geschäft fordert mich sehr und meine Töchter natürlich auch, die sind beide mittlerweile sportlich aktiv.
„Alles Politische ist jetzt nicht die Baustelle der Athleten“
Also sind Sie Ihrem Sport weiter verbunden, gehen Sie noch aufs Eis?
Meinem Knie geht es gut, ich gehe Skifahren und auch mal auf eine 400-Meter-Bahn zum Laufen, meine Töchter haben das auch probiert. Allerdings hat es sie zum Eishockey verschlagen, sie spielen bei Red Bull im Nachwuchs und sind die einzigen Mädels im Team, aber das stört sie nicht. Es macht ihnen einen Riesenspaß, die Ältere ist nun in den Bundesliga-Play-offs, das macht mich sehr stolz.
Wie viel Spaß können Sie denn als Kommentatorin der Spiele in China haben. Sie sind ja für Eurosport am Start.
Ich war viermal bei Olympia, und jedes Mal war es anders. Wenn du als Leistungssportlerin zu den Olympischen Spielen gehst, bist du immer in einer Art Bubble mit deinem Leistungsdruck. Du bist nicht viel draußen, du bist vor allem in deiner Leistungsgruppe. Insofern ist das in Peking nicht ein ganz so großer Unterschied für die Athleten zu anderen Spielen. Alles Politische ist jetzt nicht die Baustelle der Athleten. Es sind doch vor allem die Randsportarten, die nun ihre großen Augenblicke haben. Darauf haben die Sportler jahrelang hingearbeitet, das darf man ihnen nicht wegnehmen.
„Pechstein will die achte Olympia-Teilnahme genießen“
Im Eisschnelllauf sieht es schlechter aus als zu Ihrer Zeit.
Das stimmt. Wir haben ein paar Lichtblicke. Wichtig ist, dass der Verband den Inlineskatern gestattet hat, aufs Eis zu gehen und weiter parallel Inlineskating zu betreiben. Da sind Gute dabei wie der Felix Rijhnen. Bei den Damen ist es schon schwieriger. Da ist das sehr dünn, wir haben nur die Claudia und die Michelle Uhrig. Und Claudia ist vom Alter her nicht mehr auf dem Niveau, das sie damals hatte.
Eigentlich sollte die Pechstein-Frage erst später kommen…Da habe ich dann mal vorgelegt. Wie sehen Sie denn Claudia Pechstein? Sie waren ja einst Konkurrentinnen und haben sich schon mal gegenseitig kritisiert.
Vornweg: Die olympische Norm zu erreichen, ist nicht so ganz ohne. Da musst du dich schon strecken. Von ihren Zeiten her über 3.000 Meter ist sie zwölf Sekunden hinter der Weltspitze, sie ist immer noch in den Top 20, aber sie läuft halt hinterher. Aber sie hat es geschafft, in Peking dabei zu sein. Das wollte sie, ihr Ziel war die achte Teilnahme. Sie will das genießen.
„Die Weltspitze hat sich weiterentwickelt“
Aber hilft das dem deutschen Eisschnelllauf weiter, wenn Claudia Pechstein mit 49 Jahren das genießt und keine guten jungen Starterinnen nachkommen?
Die Weltspitze hat sich weiterentwickelt, da sind Mädchen mit Mitte 20, da kannst du vom Körper nicht mitkommen. Claudia hat einfach andere Ziele.
Sie hat in der Deutschen Eisschnelllauf-Gesellschaft ein gutes Standing, Ihr Lebensgefährte ist dort inzwischen Präsident. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Da hat sich einiges getan. Man kann drüber streiten. So dick in der DESG bin ich jetzt nicht, bin mehr international aufgestellt. Zu Recht wurde vieles angekreidet, der harte Umschwung war vielleicht nicht jedermanns Sache. Aber es gab auch gute Dinge, und wir haben gute Hallen. Coronabedingt klafft da eben eine Lücke – zu viele Hallen waren geschlossen, ich kann jetzt nur für Eisschnelllauf und Eishockey sprechen. Da fehlen dem Nachwuchs zwei Jahre.
Das sind keine guten Aussichten für Ihre Sportart.
Ich glaube, in Deutschland warten wir auf jemanden, der ein Gesicht und eine Geschichte hat und natürlich Leistung zeigt.
Das Gespräch führte Claus Vetter.