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Wieder Olympia-Party im Eiskanal - und ein Dresdner mittendrin

Die deutschen Skeleton-Männer feiern einen historischen Abend in China: Christopher Grotheer fährt zum Olympiasieg, der Dresdner Axel Jungk wird Zweiter. Dabei hätte er seinen Start wegen Corona fast verpasst.

Von Tino Meyer
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Ein historisches Bild: Christopher Grotheer (links) und Axel Jungk feiern die ersten Skeleton-Medaillen überhaupt für deutsche Männer bei Olympia.
Ein historisches Bild: Christopher Grotheer (links) und Axel Jungk feiern die ersten Skeleton-Medaillen überhaupt für deutsche Männer bei Olympia. © dpa

Yanqing. Die goldenen deutschen Tage im Eiskanal von Yanqing gehen weiter, dabei wird hier gar nicht mehr gerodelt. Und Skeleton bei den Männern? Ist bei Olympia keine deutsche Domäne. Gewesen – muss man seit Freitagabend Ortszeit hinzufügen. Christopher Grotheer hat nicht nur die erste Medaille für die vergleichsweise junge Kufensparte geholt, der Oberhofer ist kopfüber bei Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 130 km/h zum Olympiasieg gerast. Und Axel Jungk aus Dresden rundet das unverhofft starke Ergebnis ab, er fährt auf den zweiten Platz.

"Das fühlt sich sehr unwirklich an, so unreal. Ich kann es nicht wirklich in Worte fassen. Aber ich bin so stolz auf mich – und genieße das einfach", sagt Grotheer an einem tatsächlich historischen Abend. Der Chinese Wengang Yan holt die erste Skeleton-Medaille überhaupt für sein Land, er wird Dritter.

Im Ziel brechen alle Dämme. Jungk stößt immer wieder Freudenschreie heraus, da ist Grotheer den letzten Lauf noch gar nicht gefahren. Für ihn fühlt sich diese Silbermedaille wie ein Sieg an. "Es war ja total fraglich, ob ich überhaupt hier sein kann. Es war eine unfassbar schwere Zeit in den letzten drei Wochen", sagt Jungk und meint seinen positiven Corona-Test. An Grotheers Überlegenheit besteht zudem von Anfang an kein Zweifel. Wie auf Schienen fährt der 29-Jährige den Eiskanal hinunter, dominiert in allen Läufen und hat am Ende einen deutlichen Vorsprung.

"Einen Olympiasieg und eine Silbermedaille – das muss man begießen, das ist eine super Teamleistung gewesen", sagt Alexander Gassner, der als Achter das Abschneiden komplettiert und als erste Worte findet. Dem Bundestrainer fällt das sichtlich schwerer. "Ich bin sprachlos, einfach nur überwältigt. Das hätte ich nicht geglaubt", sagt Christian Baude. Auch er ist sichtlich angefasst, kämpft mit den Tränen. "Die letzten beiden Tage waren so schön, die Jungs sind traumhaft gefahren. Genau dafür haben wir zwei Jahre hart gearbeitet", verdeutlicht er und gesteht, dass der Olympiasieg gar nicht das Ziel war.

Der Start ist seine Stärke, doch auch in der Bahn ist Axel Jungk diesmal eine Klasse für sich. Von Lauf zu Lauf wird er sicherer.
Der Start ist seine Stärke, doch auch in der Bahn ist Axel Jungk diesmal eine Klasse für sich. Von Lauf zu Lauf wird er sicherer. © dpa/Robert Michael

Zu groß ist die Konkurrenz, die Letten, Russen und neuerdings nun auch die Chinesen. Und so oft, der Ballast ist der gewichtigere, hat es ausgerechnet bei Olympia nicht geklappt. "Wir wollten endlich die Medaille holen", so Baude.

Erst langsam löst sich die Anspannung und auch der Druck, der mittlerweile auf seiner Mannschaft lastete. Aus den lange Zeit Erfolglosen sind schließlich zumindest bei Weltmeisterschaften schon sehr Erfolgreiche geworden. Grotheer gewann den WM-Titel in den vergangenen beiden Jahren, 2020 wurde Jungk zudem Zweiter. Allerdings fanden die Rennen jeweils auf der Heimbahn in Altenberg statt, was kein Makel ist – aber als Erklärung galt. Bis jetzt. "Wir wollten zeigen, dass wir überall Medaillen gewinnen können, nicht nur in Altenberg", betont Grotheer.

Gefragt nach seinen Wünschen für diese Spiele, hat der Bundestrainer gesagt, dass er sehr gerne mit der ersten Männer-Medaille aus Yanqing zurückkehren würde. Nun sind bei der Rückreise am Sonntag zwei im Gepäck. In den chinesischen Bergen krönt das Team eine Entwicklung, die vor drei, vier Jahren nicht absehbar gewesen ist. Bei Olympia 2018 belegte das deutsche Trio noch die Plätze sieben (Jungk), acht (Grotheer) und Alexander Gassner (neun). Das Karriere-Ende schien besiegelt, gefühlt für alle. Nun sind sie die Besten der Welt. "Das ist jahrelange harte Arbeit, auch von meinen Vorgängern Jens Müller und Dirk Matschenz", sagt Baude.

Mit dem Kopf vorneweg: Die Skeletonis erreichen auf der Olympiabahn in Yanqing Geschwindigkeiten von knapp über 130 km/h.
Mit dem Kopf vorneweg: Die Skeletonis erreichen auf der Olympiabahn in Yanqing Geschwindigkeiten von knapp über 130 km/h. © dpa

Besonders emotionale Tage erlebt insbesondere Jungk, der im Vorjahr wegen einer Fußverletzung nicht für die WM berücksichtigt worden ist. Was der 30-Jährige zunächst nicht wirklich akzeptieren wollte. Alles richtig gemacht, stellte Jungk nun kurz vor Olympia fest. Er hatte seine Bestform wiedergefunden, hätte Olympia wegen Corona aber fast verpasst.

Der Dresdner war nach dem Weltcupfinale in St. Moritz positiv getestet worden. Nachdem er die vier notwendigen negativen PCR-Tests in Deutschland gehabt hatte, flog er der Mannschaft nach China hinterher. "Da war ich so richtig auf Krawall gebürstet und hatte einfach nur Bock anzugreifen. Ich wollte allen zeigen, dass ich in der Form meines Lebens bin", erzählt er. Doch bei der Einreise wurde er dann in Peking zunächst wieder positiv getestet. "Das war der K.o.-Schlag. Jeder hat doch gedacht, der hatte es gerade erst, der ist maximal gesichert, geimpft und geboostert plus genesen. Dann kommst du hier an, und der erste Test ist positiv. Da war es bei mir wirklich vorbei", sagt er. Der Nachtest fiel dann negativ aus, und Jungk schaffte es, so erzählt er das, sich ein letztes Mal aufzurappeln.

"Letztendlich waren es drei Wochen Pause, nicht drei Tage. Es war ein ständiges Auf und Ab", meint er, und er gibt Einblick in seine Gefühlswelt nach der Ankunft in China: "Es war kein schönes Gefühl auf dem Zimmer, im Team war es auch sehr, sehr merkwürdig, aber es ist nochmal gut gegangen. Dafür bin ich wirklich dankbar."

Und er grüßt seinen Fanklub zu Hause im Erzgebirge, vor allem aber seine Freundin und seine zwei Brüder. "Ohne sie hätte ich das nicht geschafft."