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Wer hat denn nun gewonnen?

Verwirrung beim Frauen-Radrennen: Als die Zweitplatzierte ins Ziel kommt, glaubt sie an den Olympiasieg. Doch der ist bereits eine Minute zuvor vergeben worden.

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Anna Kiesenhofer Annemiek van Vleuten
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Anna Kiesenhofer Annemiek van Vleuten Foto: dpa © dpa

Von Lars Weiske

Fuji. Erfolgreich gezockt oder perfekt kalkuliert? Anna Kiesenhofer wird auf Letzteres plädieren. Die studierte Mathematikerin aus dem Weinviertel in Österreich setzte ihren Fluchtplan im olympischen Straßenrennen am Sonntag jedenfalls perfekt um: Nach nur einem Kilometer riss sie aus, 136 Kilometer später überquerte sie völlig überraschend als Olympiasiegerin die Ziellinie am Fuße des Mount Fuji.

Silber sicherte sich die Niederländerin Annemiek van Vleuten, Bronze ging an Elisa Longo Borghini aus Italien. Kurios: van Vleuten jubelte zunächst wie die sichere Siegerin, weil sie nicht mitbekommen hatte, dass Kiesenhofer längst vor ihr ins Ziel gefahren war. Beste deutsche Fahrerin wurde Lisa Brennauer, die als starke Sechste ins Ziel kam. Die letzte deutsche Medaille im Straßenrennen hatte Judith Arndt 2004 in Athen mit Silber gewonnen.

Siegerin fragt sich: "Ist es wirklich aus?"

Ungläubig schüttelte die 30-jährige Kiesenhofer, Doktorin und Expertin für partielle Differentialgleichungen, auf der Zielgeraden am Fuji International Speedway den Kopf und breitete dann jubelnd die Arme aus. "Es fühlt sich unglaublich an. Ich konnte es nicht glauben", sagte die Amateurin überglücklich: "Selbst als ich die Ziellinie überquert habe, habe ich mir gedacht: Ist es wirklich aus? Muss ich noch weiterfahren?"

Für Österreich war es das erste Olympia-Gold seit 17 Jahren, als Kate Allen 2004 in Athen im Triathlon triumphierte. Im Radsport betrug die Wartezeit gar 125 Jahre, 1896 in Athen holte Adolf Schmal einmal Gold und zweimal Bronze. Staatsoberhaupt Alexander Van der Bellen schickte umgehend Glückwünsche nach Tokio. "Was für eine Leistung!", twitterte Österreichs Bundespräsident.

Bei noch heißeren Temperaturen als im Männer-Rennen versuchte Kiesenhofer direkt mit zwei weiteren Mitstreiterinnen mit Freigabe des Rennens ihr Glück in einer Fluchtgruppe. Zwischenzeitlich fuhr sie mehr als zehn Minuten Vorsprung heraus.

Niederländerinnen verschärfen Tempo zu spät

Das Peloton um die niederländischen Favoritinnen forcierte das Tempo in der Folge, rund 50 km vor dem Ziel waren nur noch 20 Fahrerinnen im Hauptfeld verblieben. Trixi Worrack (Erfurt) konnte nicht mehr mithalten und musste bei ihrer fünften Olympia-Teilnahme vorzeitig aufgeben.

Im Peloton setzte van Vleuten, die 2016 in Rio auf Goldkurs liegend kurz vor dem Ziel schwer gestürzt war, einen Kilometer vor dem Ziel dann die entscheidende Attacke auf Silber. Nur Longo Borghini ging mit.

Das Hauptfeld, in dem Brennauer über das gesamte Rennen mithielt, hatte sich zuvor vergeblich bemüht, die aus der Ausreißergruppe verbliebene Kiesenhofer auf ihrem perfekt kalkulierten und nie gefährdeten Soloritt noch einzuholen. Einen Quotenplatz hat die Zeitfahr-Spezialistin für den Kampf gegen die Uhr am Mittwoch aber dafür nicht bekommen. (sid)