Wie eine Dresdnerin zu Olympia schwimmt

Dresden. Der Weg nach Tokio hat klarere Konturen bekommen. In Zeiten, in denen nichts planbar scheint, ist das schon was wert. Der Deutsche Schwimmverband (DSV) veröffentlichte kürzlich, wie, wann und wo sich seine Athleten für die Olympischen Spiele, die im Sommer in der japanischen Hauptstadt ausgetragen werden sollen, qualifizieren können.
Damit kennt auch Leonie Kullman den Weg, der zu ihrer zweiten Olympiateilnahme führen soll. 2016 in Rio de Janeiro war sie mit 16 die jüngste deutsche Schwimmerin, kam mit der Freistilstaffel auf Platz zwölf. Nun ist sie 21, doch diesmal alles anders. Die Spiele wurden wegen Corona bereits um ein Jahr verschoben, das Quali-Prozedere immer wieder angepasst.
Der erste Zeitraum, um die geforderten Normen zu schwimmen, begann nun am 1. Januar und endet am 31. März. Doch es ist eher nur ein theoretisches Fenster. „Es gibt da einfach keine Wettkämpfe, bei denen wir starten könnten“, erzählt die Dresdnerin.
EM wäre nur ein Trostpflaster
Deshalb konzentriert sie sich auf den zweiten Zeitraum, die drei Wochenenden im April, wenn Quali-Wettbewerbe in Wolfsburg, Magdeburg und Berlin stattfinden sollen. Danach steht bereits fest, welche deutschen Schwimmer knapp vier Monate später in Tokio ins Becken springen werden.
Einen schlechten Tag kann sich Kullmann also nicht erlauben, in den vergangenen Jahren gab es deutlich mehr Möglichkeiten und über einen viel längeren Zeitraum, sich für den Jahreshöhepunkt EM oder WM zu qualifizieren. Corona hat auch dieses Prozedere verändert. „Ich habe damit kein Problem“, erklärt sie. „Auch mit dem frühen Zeitpunkt nicht. So kann man sich langfristig und gezielt auf die Spiele vorbereiten.“

Dem DSV ist das offenbar auch extrem wichtig. In den Richtlinien legt der Verband explizit fest, dass die Olympiastarter nicht an den Europameisterschaften Mitte Mai in Budapest teilnehmen dürfen. Anders formuliert: Wer es nicht nach Tokio schafft, darf zum Trost bei der EM antreten. So würde es auch Kullmann ausdrücken. „2018 hätte ich mich noch gefreut, wenn ich bei EM dabei gewesen wäre. Jetzt sieht das ganz anders aus.“
Die EM-Norm hat sie bereits im Dezember über 400 Meter Freistil unterboten – und das deutlich. Selbst zur Olympia-Norm fehlte nur gut eine halbe Sekunde. Die persönliche Bestzeit, die sie in Würzburg schwamm und mit der sie Platz zwei in der deutschen Jahresbestenliste 2020 belegt, hat zudem ihre Planung ein wenig durcheinandergewirbelt.
Eigentlich wollte sie sich auf die 200 Meter konzentrieren, weil dort dank der 4 x 200-Meter-Staffel vier Olympiaplätze vergeben werden, über die doppelte Distanz aber nur zwei. „Nun werde ich wahrscheinlich in Wolfsburg die 400 Meter angehen und zwei Wochen später in Berlin die 200“, erklärt Kullmann.
Berlin ist inzwischen zur Wahlheimat geworden, hier trainierte sie bereits vor den zwei Jahren Auslandsstudium an der University of Alabama, und hier lebt sie seit ihrer Rückkehr 2019 wieder – inzwischen aber nicht mehr allein. Kullmann ist mit Rückenschwimmer Ole Braunschweig liiert. Beide starten für die SG Neukölln und beide wollen nach Tokio. „Es wäre natürlich cool, wenn das klappen würde. Da wir das gleiche Ziel haben, können wir uns gegenseitig motivieren. Das hilft“, findet sie.
Drei Stationen für die Wasserspringer
Auch die Wasserspringer wissen nun, welcher Weg nach Tokio führt. Und der sieht komplett anders aus als bei den Schwimmern. Beim Weltcup in Tokio Ende April müssen zunächst die deutschen Olympia-Quotenplätze ersprungen werden, bei der EM Mitte Mai in Budapest und den deutschen Meisterschaften Anfang Juni, wahrscheinlich in Berlin, entscheidet sich dann, wer bei den Spielen antreten darf.
Neben Tina Punzel und Martin Wolfram rechnen sich auch Saskia Oettinghaus, der in Berlin trainierende Karl Schöne (alle Dresdner SC) sowie Lena Hentschel, die für den TSC Berlin startet und in Dresden lebt, Chancen aus.
Der Weg ist also klar. Einerseits. Ob es aber so kommt oder Wettkämpfe – womöglich sogar Olympia – wegen Corona doch abgesagt werden müssen, ist weiterhin unklar.