Sport
Merken

Gelassen im olympischen Wildwasser: Meißnerin Herzog holt Bronze

Einst wurde Andrea Herzog belächelt. Nach ihrem Überraschungssieg bei der WM 2019 gewinnt sie auch in Tokio eine Medaille. Und das alles ohne Druck und Stress.

 4 Min.
Teilen
Folgen
Mit Bronzemedaille und Sonnenblume: die Meißnerin Andrea Herzog bei der Siegerehrung.
Mit Bronzemedaille und Sonnenblume: die Meißnerin Andrea Herzog bei der Siegerehrung. © dpa

Tokio. Nach dem Bronze-Coup bei der Olympia-Premiere herzte Slalomkanutin Andrea Herzog ihren Trainer, ehe sie ihrem Freund Philipp Reichenbach in die Arme fiel. "Ich bin gerade überglücklich, ich kann es nicht fassen. Die anderen sind super gefahren", sagte die 21-jährige Meißnerin.

Die Anderen, das waren die mehrmaligen Weltmeisterinnen Jessica Fox (27) aus Australien und Mallory Franklin (27) aus Großbritannien, die im Einer-Canadier im Kasai Canoe Slalom Centre in Tokio Gold und Silber holten. Auch Herzog zeigte ein enormes Gefühl beim Tanz um die Stangen und fuhr beim ersten Olympia-Rennen in dieser Disziplin solide zu Bronze.

Für das deutsche Kanuslalom-Team ist es nach Gold durch Ricarda Funk und Bronze durch Sideris Tasiadis bereits die dritte Medaille nach dem dritten Wettbewerb bei den Sommerspielen in Tokio. Dies gelang zuletzt bei Olympia 1996 in Atlanta. "Das gibt uns Zuversicht", sagte Kanu-Verbands-Präsident Thomas Konietzko.

Sportsoldatin Herzog hatte auf der anspruchsvollen Strecke im 25-Stangen-Labyrinth einen Rückstand von 6,09 Sekunden auf die Olympiasiegerin. Herzog leistete sich genau wie Franklin einen Fehler, Fox blieb bei ihrem Lauf dagegen fehlerfrei. Die junge Deutsche wollte angreifen, fand aber die perfekte Linie nicht.

Beifall von der Olympiasiegerin: Jessica Fox aus Australien klatscht, als Andrea Herzog aufs Siegerpodest springt.
Beifall von der Olympiasiegerin: Jessica Fox aus Australien klatscht, als Andrea Herzog aufs Siegerpodest springt. © dpa

"Ich wusste, dass der Lauf nicht perfekt ist. Es waren einige kleine Ecken drin, unter anderem habe ich eine Rückwärtsdrehung an Tor neun gemacht, die nicht unbedingt geplant war", sagte sie selbstkritisch und fügte an: "Auch die blöde Berührung war total bescheuert, aber sie ist nun mal passiert und ich bin froh, dass es trotzdem noch gereicht hat. Ich hätte mich schon sehr über den vierten Platz geärgert."

Ihr Trainer Felix Michel war happy. "Sie ist erst 21, ich ziehe den Hut, mit so viel Kaltschnäuzigkeit da oben am Start zu stehen und es runterzureißen und die Medaille zu holen, das machen nicht viele", sagte der Bundestrainer Canadier. "Gegen eine Franklin, gegen eine Fox am Ende auf Platz drei rauszukommen, ist aller Ehren wert."

Die in Meißen geborene Herzog reiste mit dem Selbstbewusstsein eines Weltcupsieges nach Tokio. Bei der Olympia-Generalprobe auf der Heimstrecke in Markkleeberg bei Leipzig bezwang sie mit einem fast perfekten Lauf die komplett versammelte Weltelite. "Den Sieg hake ich gleich wieder ab, in Tokio geht es bei Null los", sagte sie. Sie liebt es ohnehin lieber defensiv und ruhig.

Doch Drucksituationen sind ihr nicht fremd: Nach ihrem Überraschungssieg bei der WM 2019 - da war sie selbst erst 19 Jahre - wurde es spannend. "Ich habe erstmal etwas gebraucht, um mit der Verantwortung und der Drucksituation klar zu kommen", sagt sie offen und ehrlich. Daher war sie auch über die Olympia-Verschiebung um ein Jahr nicht traurig. "Da hatte ich mehr Zeit, um mich mit der Situation anzufreunden."

"Ich wusste, dass der Lauf nicht perfekt ist", sagt Andrea Herzog danach. Mit der Bronzemedaille ist sie aber überglücklich.
"Ich wusste, dass der Lauf nicht perfekt ist", sagt Andrea Herzog danach. Mit der Bronzemedaille ist sie aber überglücklich. © dpa-Zentralbild

Das kannte sie auch aus ihrer Kindheit: Bei ihren ersten Paddelversuchen wurde sie für zu leicht befunden - und belächelt. In jungen Jahren, wo sie viel mit der Familie im Kanu unterwegs war, machte sie mit ihrem Bruder Robert einen Ausflug in Slowenien zum wilden Fluss Soca. Beim Anblick der damals noch jungen Schülerin war der verantwortliche Instrukteur pessimistisch. Zu zierlich, zu klein und zu kraftlos gegen das wilde Wasser - so sein Urteil. Herzog belehrte ihn eines besseren und bezwang die Strömungen und Wasserwalzen beeindruckend - so wie bei Olympia in Tokio.

Nun steht für Herzog erstmal eine ausgelassene Feier daheim mit der Familie an - und Urlaub. Dann gibt es neue Ziele. "Die gehen nicht aus. Blöd gesprochen war es jetzt nur die Bronzemedaille in Anführungsstrichen. Ich habe noch Luft nach oben, man kann sich immer verbessern", sagte sie. Der Kanusport mache ihr "unglaublich Spaß, man muss nicht alles an Medaillen messen. Ich habe Bock drauf, noch ein paar Jahre weiter zu machen". (dpa)