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Papa Rauhes letzte Gold-Fahrt: "Krönender Abschluss"

Nach zwei Jahrzehnten Weltklasse verabschiedet sich Deutschlands erfolgreichster Kanute. Das Flaggschiff ist nicht zu schlagen. Auch dank eines Dresdners.

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Wieder Gold für den Kajak-Vierer - und damit ein krönender Abschluss für Ronald Rauhe (zweiter von rechts). Hinter ihm der Dresdner Tom Liebscher.
Wieder Gold für den Kajak-Vierer - und damit ein krönender Abschluss für Ronald Rauhe (zweiter von rechts). Hinter ihm der Dresdner Tom Liebscher. © dpa

Tokio. Ronald Rauhe wischte sich einmal mehr die Tränen aus den Augen. Als nach der Triumphfahrt zum Vierer-Gold das Foto seines Jungen in der fernen Heimat auf dem Handy aufploppte, war es erneut um Deutschlands erfolgreichsten Kanuten geschehen. "Mein Sohn wird in den nächsten zwei, drei Stunden oder vier sind es noch, eingeschult, trotzdem hab ich gerade ein Foto gekriegt", sagte Rauhe in Tokio.

Seine Stimme stockte, er weinte und sagte: "Trotzdem hab ich ein Foto gekriegt, wo sie um drei Uhr nachts wach waren und mein Rennen geguckt haben. Das macht mich einfach stolz. Die Familie hat einen ganz, ganz großen Anteil daran."

Im Kajak-Vierer hatte der 39-Jährige in seinem letzten großen Rennen zusammen mit den Team-Kollegen Max Rendschmidt, der Dresdner Tom Liebscher und Max Lemke knapp vor Spanien triumphiert. "Ich hätte mir nichts anderes erträumen, erwünschen
können. Das macht es mir heute leicht, meine Karriere zu beenden", sagte Rauhe.

"Danke an alle, die uns unterstützt haben. Das sah vielleicht leicht aus, war es aber nicht", erklärte Liebscher, der mit der Dresdner Stadtfahne jubelte, die ihm der Sportbürgermeister Peter Lames mitgegeben hatte. Liebscher hatte auch schon 2016 im Gold-Vierer gesessen und damit den Gold-Triumph wiederholen konnte. Mit Rauhe wurde er vor fünf Jahren zudem Fünfter im Zweier-Kajak, beide weinten danach bittere Tränen.

Nun also der emotionale Abschied für Routinier Rauhe. "Den richtigen Schlusspunkt setzen wir heute Abend. Er wird nicht mehr aus dem Weinen herauskommen. Manche sagen, er ist der Papa von dem Boot", meinte Bundestrainer Arndt Hanisch. "Er ist einfach ein cooler Mensch, ein cooler Typ. Wir werden ihn vermissen." Schlagmann Rendschmidt meinte: "Zum Abschluss nochmal Gold - mehr konnten wir Ronny nicht geben."

Der Dresdner Tom Liebscher jubelt in Tokio mit der Stadtfahne. Die hatte ihm Sportbürgermeister Peter Lames mit auf den Weg gegeben.
Der Dresdner Tom Liebscher jubelt in Tokio mit der Stadtfahne. Die hatte ihm Sportbürgermeister Peter Lames mit auf den Weg gegeben. © dpa

Vor allem für den Deutschen Kanu-Verband war es ein einigermaßen versöhnliches Olympia-Finale. Rendschmidt (29), Rauhe (39), Liebscher (28) und Lemke (24) triumphierten, sie sorgten am Final-Samstag für die erst dritte deutsche Medaille im Kanu-Rennsport bei den Tokio-Spielen - sechs bis sieben Medaillen waren die Zielvorgabe gewesen. Die Frauen schafften es erstmals seit langer Zeit nicht auf das Podest. "Das Gold war schon wichtig, weil wir bei weitem nicht das erreicht haben, was wir uns vorgenommen haben. Es ist ein guter Abschluss, aber es wird an der Gesamtbilanz nichts ändern", sagte Kanu-Verbandspräsident Thomas Konietzko.

Zumindest auf den Kajak-Vierer war einmal mehr Verlass. Auch mit dem Ersatzboot war das Quartett nicht zu schlagen. Gleich nach der Ziellinie feierte die bärenstarke Crew um Rauhe den Sieg über die Spanier mit knappem Vorsprung. Bronze ging an die Slowakei. Als es geschafft war, stieg Rauhe als Erster aus dem Boot und umarmte seine Teamkollegen innig. Für Deutschlands erfolgreichsten Kanuten war es nach über zwei Jahrzehnten Weltklasse der letzte Schlag am Paddel gewesen.

Er kann es nicht fassen. Ronald Rauhe (rechts) gelingt der erhoffte goldene Abschied.
Er kann es nicht fassen. Ronald Rauhe (rechts) gelingt der erhoffte goldene Abschied. © dpa

Der 16-fache Weltmeister Rauhe hat nach Bronze in Sydney 2000, Gold in Athen 2004, Silber 2008 in Peking im Kajak-Zweier und Bronze 2016 in Rio im Einer nun Gold im Kajak-Vierer hinzugefügt. Möglich wurde der im Endspurt sicher eingefahrene Coup auch wegen des Verzichts auf Einzelstarts. "Klar hätten wir auch in dem ein oder anderen Wettbewerb um Medaillen kämpfen können", sagte Schlagmann Max Rendschmidt. Doch dem Ziel Gold ordneten sie alles unter.

Nach der Niederlage beim Weltcup in Szeged gegen die Spanier war das Team angestachelt. "Wichtig ist, den Gegner im Kopf irgendwo anzugreifen", sagte Rauhe und fügte an: "Wir haben uns einen Plan ausgearbeitet, um die Spanier taktisch unter Druck zu setzen." Es darf "gar nicht erst der Gedanke aufkommen, die können gewinnen." Und so kam es dann auch.

Psychologisch wichtig war es für die Crew auch, dass sie mit dem pinken Ersatzboot ins Rennen gehen konnten. Denn das extra angefertigte Olympia-Boot war beim Verladen in Luxemburg von einem Gabelstapler gerammt worden. Die Gabelzinken hatten den K4 so demoliert, dass ein Totalschaden von rund 50.000 Euro entstand. Das baugleiche zweite Kajak wurde in einer Blitzaktion vom Trainingslager in Duisburg nach Japan geschickt.

"Als ich klein war, haben ich die pinken Boote bei Olympia gesehen. Jeder Kanute, der in Deutschland aufwächst, strebt danach und wünscht sich, wie im Kindheitstraum bei Olympia im pinken Boot zu sitzen", sagte Raue und betonte: "Die Historie dahinter ist noch viel ergreifender. So habe ich es als Kind erlebt, so ist es bis heute geblieben." (dpa)