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Olympia 2040: Welche Rolle Sachsen bei einer deutschen Bewerbung spielen kann

Die Bilanz des sächsischen Teams in Paris war ernüchternd. Doch bei der Bewerbung um die Olympischen Spiele 2040 möchte Leipzig trotzdem gerne Co-Gastgeber sein. Und was wird aus Dresden?

Von Daniel Klein
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Im April 2003 bildeten Ministerien-Mitarbeiter auf dem Theaterplatz in Dresden die olympischen Ringe. Wenig später setzte sich Leipzig im nationalen Voting durch. Für die Spiele 2040 möchte Sachsen gerne ein Co-Gastgeber sein – etwa von Berlin.
Im April 2003 bildeten Ministerien-Mitarbeiter auf dem Theaterplatz in Dresden die olympischen Ringe. Wenig später setzte sich Leipzig im nationalen Voting durch. Für die Spiele 2040 möchte Sachsen gerne ein Co-Gastgeber sein – etwa von Berlin. © dpa PA/ZB/Matthias Hiekel

Leipzig. Einer Tageszeitung war es sogar eine Schlagzeile wert: Die Stadt Potsdam hatte mehr Sportler bei den Olympischen Spielen in Paris am Start als das gesamte Bundesland Sachsen. Dazu passte dann das Abschneiden der Athleten aus dem Freistaat bei den vielleicht stimmungsvollsten Spielen der Geschichte: Lediglich der Dresdner Kanute Tom Liebscher-Lucz holte mit dem Kajak-Vierer Gold, der Leipziger Handballer Luca Witzke gewann mit dem Team Silber.

Christian Dahms, als Geschäftsführer des Landessportbundes quasi der Oberlobbyist für sächsische Körperkultur, kennt die Schlagzeile und natürlich auch die Statistik. „Fakt ist, dass wir seit 1990 eines der kleinsten sächsischen Teams hatten mit einem der schlechtesten Ergebnisse. Da gibt es nichts zu deuteln“, erklärt er, möchte das aber trotzdem nicht so isoliert stehen lassen. Bundesländer bei den Teilnehmerzahlen gegenüberzustellen, hält er für irreführend und macht das am Beispiel der Sprinterin Rebekka Haase fest, die mit der Staffel überraschend Bronze gewonnen hatte. Sie stammt aus Zschopau, lebt und trainiert in Chemnitz, startet aber für einen Verein in Wetzlar. Deshalb wird sie in den Statistiken als Hessin geführt.

Ein anderer Punkt sind die Olympia- und Bundesstützpunkte. Der Trend zur Zentralisierung und Konzentration geht auch an Sachsen nicht vorbei. „Im Rudern zum Beispiel gibt es bundesweit nur noch drei Standorte, keiner davon liegt mehr bei uns“, so Dahms. Auch Dresdner Ruderer waren deshalb zum Umzug gezwungen.

Vorschlag: Nicht mehr alle Sportarten fördern

Die sächsische Medaillenbilanz passt zudem bestens zur deutschen: Weniger Edelmetall gab es seit 1990 noch nie. Auch dafür gibt es laut Dahms Gründe. „Immer mehr Länder stehen auf dem Treppchen, in Paris waren es mehr als 90 und damit fast die Hälfte aller teilnehmenden Nationen. Eine Medaille zu gewinnen, wird immer schwerer, weil es kaum noch sportliche Entwicklungsländer gibt“, findet er. Auffällig ist beim Blick auf das Ranking zudem, das vor Deutschland mit Ausnahme der Niederlande ausschließlich Staaten stehen, die in den vergangenen Jahren Olympia-Gastgeber waren oder es demnächst werden. Die Bundesregierung hat in Paris eine Absichtserklärung unterzeichnet, dass sich Deutschland für die Sommerspiele 2040 bewirbt. Ein Automatismus für eine bessere Ausbeute ist das jedoch nicht.

Auch bei den staatlichen Geldzuwendungen gibt es gravierende Unterschiede. „Wir sind das einzige Land, das alle olympischen Sportarten fördert“, verdeutlicht Dahms. Diese Verteilung wird auch als Gießkannenprinzip bezeichnet. Sie aufrechtzuerhalten, wird bei der allgemeinen Kostensteigerung immer schwieriger. Die Frage ist zudem, ob es nicht sinnvoller ist, sich – wie andere Top-Nationen – auf einige Disziplinen zu konzentrieren, etwa auf die mit guten Erfolgsprognosen oder mit einer langen Tradition in Deutschland.

Dahms ist durchaus ein Freund einer konzentrierteren Geldverteilung, weiß aber auch, dass es im Fall einer Umsetzung erheblichen Widerstand von einzelnen Sportverbänden geben würde. „Wäre zum Beispiel vor Jahren schon angesichts ausbleibender Medaillen die Förderung in der Rhythmischen Sportgymnastik eingestellt worden, hätten wir in Paris kein Olympia-Gold feiern können.“ Und angesichts einer deutschen Bewerbung für 2040 stellt sich die Frage: Wie kommt es an, wenn sich die Bundesrepublik im Vorfeld freiwillig von einigen Sportarten quasi verabschiedet?

Spiele im eigenen Land, das zeigen langfristige Beobachtungen, führen immer zu einer Verbesserung in der Medaillenbilanz, schließlich will sich kein Gastgeber blamieren. Olympia 2040 in Deutschland könnte also auch ein Aufschwung für Sport-Sachsen zur Folge haben – und das nicht nur bei der Medaillenbilanz. Schließlich möchte der Freistaat nicht nur die Zuschauerrolle einnehmen. „50 Jahre nach der deutschen Einheit muss auch Leipzig ein Austragungsort werden. Das lassen wir uns nicht nehmen“, erklärte Ministerpräsident Michael Kretschmer kürzlich kämpferisch beim Sommerempfang des Sächsischen Fußballverbandes.

Mit dieser Aussage hat der CDU-Politiker gleich mehrere Schritte übersprungen. Noch ist völlig unklar, welche Stadt für 2040 ins Rennen geht. Interesse bekundet haben bisher München, das Rhein-Ruhr-Gebiet, Hamburg und Berlin. Für Dirk Thärichen gibt es einen klaren Favoriten. „Wenn man 2040 eine Geschichte erzählen will, dann doch die von 50 Jahre deutscher Einheit. Und wo passt das besser hin als nach Berlin?“, fragt Thärichen, der als Geschäftsführer die Leipzig 2012 GmbH leitete und seit einigen Jahren Vorstand beim Konsum Leipzig ist.

Berlin wäre auch für Leipzig das beste aller möglichen Szenarien, die Distanz ist am kürzesten. „Eine Stunde mit dem Zug – das ist so ähnlich wie die Strecke von Paris nach Lille“, vergleicht Thärichen. In Lille wurden Spiele im Basketball und Handball ausgetragen. Und was will Leipzig 2040? Sportbürgermeister Heiko Rosenthal hat das Interesse beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) bereits hinterlegt, die Gespräche laufen.

Die größten Chancen hätte der Kanupark in Markkleeberg, eine Hinterlassenschaft der Bewerbung für 2012. Einen Kanal für Slalomkanuten gibt es sonst nur noch in Augsburg. Denkbar wären auch Fußballspiele im gerade erst modernisierten Stadion von RB Leipzig, das Gastgeber bei der Fußball-EM war. In den Messehallen war während des Turniers das International Broadcast Centre untergebracht, in dem alle Sendeaktivitäten der TV-Anstalten zusammenliefen. Diese fünf Hallen stünden bei Olympia genauso zur Verfügung wie die Arena direkt neben dem Stadion.

Leipzig rüstet für Olympia auf

Die Halle, in der die Bundesliga-Handballer des SC DHfK ihre Heimspiele austragen, soll wie das gesamte Areal in den nächsten Jahren um- und ausgebaut werden – und damit auch fit gemacht für Olympia. Neben der Arena soll eine Trainingshalle entstehen, ein Parkhaus sowie eine sportbetonte Grundschule. Der Startschuss für das Projekt ist kürzlich gefallen, eine konkrete Zeitschiene gibt es aber noch nicht. Das ärgert Thärichen. „Es läuft ein bisschen die Zeit davon. Wenn man in Leipzig 2040 olympische Handballspiele austragen möchte, dann hätte man sich schon mal als Spielort bei der WM im nächsten Jahr empfehlen sollen“, so der ehemalige Olympia-Planer. Bisher ist die Halle für WM-Partien aber zu klein, sie soll deshalb vergrößert werden.

Und was ist mit Dresden? In der ersten Planungsphase der Leipziger Bewerbung für 2012 spielte auch die Landeshauptstadt eine gewichtige Rolle. Im Olympiapark, dem heutigen Sportpark Ostra, wurden Stadien und Hallen für Fußball, Tennis und Volleyball konzipiert. Umgesetzt wurde lediglich – wenn auch in anderer Form – der Umbau des Heinz-Steyer-Stadions, das in einer Woche eingeweiht wird.

In den Unterlagen für die nationale Bewerbung Leipzigs um die Spiele 2012 waren das die Pläne für den Dresdner Olympiapark, dem heutigen Sportpark Ostra. In späteren Bewerbungsrunden wurde viel in einen Zehn-Kilometer-Radius rund um Leipzig gelegt.
In den Unterlagen für die nationale Bewerbung Leipzigs um die Spiele 2012 waren das die Pläne für den Dresdner Olympiapark, dem heutigen Sportpark Ostra. In späteren Bewerbungsrunden wurde viel in einen Zehn-Kilometer-Radius rund um Leipzig gelegt. © Leipzig 2012 GmbH

Ein anderer Standort am Rande der Stadt tauchte ebenfalls in der Bewerbungsmappe für 2012 auf und ist nun erneut im Gespräch: das Gestüt Moritzburg. „Für die Reitwettbewerbe gibt es für mich keinen besseren Standort“, findet Landessportchef Dahms. Und Thärichen erkennt zwischen Versailles, wo die Pariser Reiterspiele ausgetragen wurden, und Schloss Moritzburg durchaus Parallelen. „Schöne Bilder liefern beide Kulissen.“

Dresdens Sportbürgermeister Jan Donhauser hat bisher noch keinen Kontakt zum DOSB aufgenommen, plädiert für eine landesweite abgestimmte Initiative. Er könnte sich vorstellen, dass Dresden auch Gastgeber für Akklimatisierungs-Trainingslager im Vorfeld der Spiele für Teams aus Übersee sein könnte. „Im vergangenen Jahr war vor den Special Games die Mannschaft aus Puerto Rico bei uns. Das hat wunderbar geklappt“, sagt er.

Leipzigs Ex-Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee, ein Gesicht der Bewerbung 2012, warb beim Leipziger Olympiaball am vergangenen Samstag dafür, sich was zutrauen, Visionen zu haben, zu träumen, um eine Aufbruchstimmung zu erzeugen. Bei der gleichen Veranstaltung warnte Thärichen davor, sich allein auf 2040 zu fokussieren: „In der Regel braucht man zwei, drei Anläufe. Für 2012 waren damals Rio de Janeiro und Paris mit uns ins Rennen gegangen und ebenfalls gescheitert. Rio hat dann die Spiele 2016 bekommen und Paris 2024. Deutschland dagegen fehlte der lange Atem“, so Thärichen. Der wäre auch diesmal nötig.