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Von der Pechmarie zur goldenen Reiterin

Keine Medaille für das Team, dafür schlägt die Stunde von Julia Krajewski: Als erste Frau gewinnt sie Einzel-Gold in der Vielseitigkeit.

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"Reiterisch vom Allerfeinste": Julia Krajewski bei ihrem Goldritt auf Amande de B`Neville.
"Reiterisch vom Allerfeinste": Julia Krajewski bei ihrem Goldritt auf Amande de B`Neville. © dpa/Friso Gentsch

Von Tobias Schwyrter

Tokio. Julia Krajewsi wippte unruhig hin und her, dann stürmte sie das Siegerpodest mit einem Freudensprung und lauschte anschließend mit glitzernden Tränen in den Augen der Hymne. Im Sattel der "lieben Löwin" Amande de B'Neville wurde die 32-Jährige als erste Frau überhaupt Olympiasiegerin in der Vielseitigkeit - der goldene Höhepunkt einer Karriere, die wechselhafter nicht hätte sein können.

"Ich kann es gar nicht fassen", sagte die Frau des Tages am ARD-Mikrofon: "Mir geht durch den Kopf, wie viele Menschen hinter mir standen und immer an mich geglaubt haben." Unwirklich fühle sich alles an, "wie ein Traum", und ihr Pferd, dieses wunderbare Pferd, "war für mich schon immer ein Superstar. Jetzt ist sie mein Olympiasieger-Pferd. Besser geht es nicht."

Tränenüberströmt fiel Krajewski nach der Wandlung von der ewigen Pechmarie zur goldenen Reiterin in der Stallgasse jedem um den Hals, der ihr über den Weg lief. "Sie ist wirklich eine ganz würdige Olympiasiegerin", sagte der nach 20 Jahren Amtszeit scheidende Bundestrainer Hans Melzer: "Das war reiterisch vom Allerfeinsten."

Einer der ersten Gratulanten war Krajewskis Vorgänger Michael Jung, der nach einem Patzer im Gelände mit dem ebenfalls einst von Krajewski ausgebildeten Wallach Chipmunk auf Platz acht landete. "Das war wirklich bilderbuchmäßig", sagte der dreimalige Olympiasieger.

Hinter Krajewski holten der Brite Tom McEwen mit Toledo de Kerser und Australiens "ewiger" Andrew Hoy mit Vassily de Lassos Silber und Bronze. Für Deutschland war es nach den beiden Erfolgen der Dressur-Equipe das dritte Reitergold in Tokio.

Olympiagold im Einzel geht zum vierten Mal in Folge nach Deutschland. In Peking triumphierte 2008 Hinrich Romeike auf Marius. 2012 in London und vier Jahre später in Rio siegte Michael Jung.

In der Teamwertung war Deutschland zuvor erstmals seit 2004 in Athen ohne Medaille geblieben. Hinter Großbritannien, Australien und Frankreich blieb der deutschen Equipe trotz einer tollen Aufholjagd nur Platz vier.

Goldener Glanz: Julia Krajewski strahlt über das ganze Gesicht.
Goldener Glanz: Julia Krajewski strahlt über das ganze Gesicht. © dpa/Friso Gentsch

Doch im Mittelpunkt stand Krajewski - und das nach einem Jahr, das für die 32-Jährige alles bereit hielt, "was man an Aufs und Abs erleben kann". Anfang des Jahres starb der Vater, zudem musste sie ihr Spitzenpferd Samourai du Thot in den Ruhestand schicken.

Die Hoffnung kehrte zurück, als die elfjährige Amande "plötzlich so einschlug und abgeliefert hat". Die Liebe zwischen der Pferdewirtschaftsmeisterin und "Mandy" ist eine ganz besondere, am Montag sei die Stute eine "liebe Löwin" gewesen. "Sie hat mit Amande jetzt einen Superstar", sagte Melzer: "Das lässt für die Zukunft hoffen. Da geht noch ein bisschen."

Rückschläge bei Championaten hat Krajewski zur Genüge erlebt. In Rio schied sie im Gelände aus, das Team rettete Silber. Bei der WM 2018 in Tryon leistete sie sich einen Vorbeiläufer im Gelände, Deutschland verpasste die Medaille. Und vor vier Jahren bei der EM in Strzegom/Polen kostete ein Medikationsbefund bei Samourai du Thot die deutsche Equipe Silber.

"Sollte das mit einer Medaille enden", hatte Krajewski vor ihrem abschließenden Ritt gesagt, "ist das der Stoff, aus dem Filme gemacht werden." Die Dreharbeiten können beginnen. (sid)