Tokio. Japans Kaiser Naruhito spielt die zeremonielle Hauptrolle, doch der wahre Herrscher von Tokio sitzt daneben und genießt die Huldigung der Athleten: Wenn am Freitag die XXXII. Olympischen Sommerspiele mit 364 Tagen Verspätung feierlich im weitgehend zuschauerlosen Stadion eröffnet werden, wird Thomas Bach dies mit großer Genugtuung verfolgen. Der deutsche IOC-Präsident hat am umstrittenen Sportfest trotz aller Corona-Not mit großer Hartnäckigkeit festgehalten. Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen zu Olympia 2021, das offiziell – wie schon die Fußball-EM – das Jahr 2020 im Namen trägt:
Wie lange gehen die Olympischen Spiele?
Offiziell beginnt Olympia mit der Eröffnungsfeier am Freitag. Allerdings sind die ersten Wettkämpfe schon gelaufen. Sowohl beim Baseball als auch beim Fußball wurden die ersten Gruppenspiele bereits absolviert. Zum ersten Mal um Medaillen geht es erst am Samstag, dann werden elf Olympiasieger gesucht – im Bogenschießen, Fechten, Judo, Schießen und Straßen-Radrennen der Männer könnten auch deutsche Athleten in die Entscheidung eingreifen. Am Sonntag, dem 8. August, wird Olympia mit der Schlussfeier beendet.
Wie groß ist die Zeitverschiebung?
Der Zeit-Unterschied zwischen Tokio und Deutschland beträgt 7 Stunden. Die Eröffnungsfeier beginnt in Japan am Freitagabend um 20 Uhr Ortszeit und ist hierzulande Nachmittags ab 13 Uhr zu sehen.
Welche Probleme gibt es in Tokio?
Das größte Problem ist wenig überraschend Corona. Wegen der Pandemie mussten die Spiele schon um ein Jahr verschoben werden, doch auch jetzt herrscht in der japanischen Hauptstadt der Notstand – insgesamt bereits der vierte. Auch die Sportler sind betroffen. Allein im olympischen Dorf wurden bereits vier Athleten positiv getestet, insgesamt gab es im Umfeld der Spiele bis zum Donnerstagmorgen 87 Coronafälle.
Erschwerend kommt die schwüle Hitze des japanischen Sommers hinzu. Die gefällt nicht nur dem Virus, sondern macht auch den Sportlern zu schaffen. „Es ist wahnsinnig heiß hier, zwischen 30 und auf dem Platz auch schon mal 40 Grad“, sagte Tobias Hauke, zweimaliger Hockey-Olympiasieger. Um auch unter diesen Umständen Top-Leistungen zu bringen, werden zahlreiche Gegenmaßnahmen ergriffen. „Das Wichtigste ist, dass man sich gesund ernährt und ausreichend Flüssigkeit zu sich nimmt“, so Hauke.
Einfluss hatten die hohen Temperaturen gar auf die Wettkampfplanung. So wurden die Marathon- und Geherwettkämpfe wegen ernsthafter Gesundheitsbedenken ins kühlere Sapporo verlegt.
Doch auch Erdbeben und Taifune gelten als Risiken für die Sommerspiele. Insgesamt bebt die Erde in Japan rund 5.000 Mal pro Jahr. In diesem Jahr wurde das Land allein von sieben Erdbeben mit einer Stärke von mindestens sechs getroffen. Und in der Zeit von Mai bis Oktober treffen regelmäßig Taifune das Land. Vor zwei Jahren mussten bei der Rugby-Weltmeisterschaft drei Spiele wegen des Taifuns Hagibis abgesagt werden, der mehr als 100 Menschen das Leben kostete und große Überschwemmungen verursachte. Immerhin: Die Sportstätten für die Sommerspiele sind laut der Veranstalter mit der neuesten Technologie für den Fall der Fälle ausgestattet.
Wer sind die größten Stars der Spiele?
In Tokio haben die ganz großen Namen Seltenheitswert. Klar, es starten die Tennisprofis Naomi Osaka und Novak Djokovic, die Turnerin Simone Biles, die Fußballerin Megan Rapinoe und Baskteballer Kevin Durant, die für Aufmerksamkeit sorgen. Auch Stabhochspringe Armand Duplantis und Tour-de-France-Sieger Tadej Pogacar sind Stars in der Szene.
Aber der große Glamour-Faktor einer Florence Griffith-Joyner mit ihren extravaganten Fingernägeln und ihrer wallenden Mähne oder eines Carl Lewis fehlt gänzlich.
Wie stehen die deutschen Medaillenchancen?
Sichere Goldanwärter gibt es wenige. In der Leichtathletik ist es Speerwerfer Johannes Vetter. Der Dresdner ist seit 19 Wettkämpfen unbesiegt und glänzte mit einer atemberaubenden Serie von 90-Meter-Würfen. Hoffnungen sind auch mit den Auftritten der Basketballer, Fußballer, Handballer und den Hockey-Teams der Frauen und Männer, die beide einen der drei ersten Plätze belegen wollen, verbunden.
Im Vergleich zu den letzten Spielen in Rio de Janeiro vor fünf Jahren schließt der Deutsche Olympische Sportbund einen signifikanten Medaillenrückgang bei den Sommerspielen in Tokio nicht aus. Deutschland war bei den Spielen 2016 mit 42 Medaillen (17 Gold, 10 Silber und 15 Bronze) das fünftbeste Land. Diesmal könnte das deutsche Team sogar auf Rang zehn des Medaillenspiegels abrutschen. Zu diesem Ergebnis kam der amerikanische Daten- und Analysedienst Gracenote.
Dennoch mangelt es im deutschen Team nicht an Trümpfen, die stechen könnten wie die Judo-Weltmeisterin Anna-Maria Wagner, Karate-Europameister Jonathan Horne, Vielseitigkeits-Olympiasieger Michael Jung, Ringer-Ass Frank Stäbler oder sogar die erst 14-jährige Skateboarderin Lilly Stoephasius. Treue Medaillenlieferanten wollen die Kanuten wieder sein. Auch die Reiter, die in Rio sechsmal Edelmetall holten, denken im Plural.
Und Doppel-Weltmeister Florian Wellbrock ist zuversichtlich, dass die Negativserie der deutschen Schwimmer in Tokio zu Ende geht. „Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Durststrecke jetzt enden kann“, sagte der 23-Jährige. Der gebürtige Bremer zählt über 1.500 und über 800 Meter zu den Medaillenkandidaten.
Welche Sportartensind neu im Programm?
Für IOC-Präsident Thomas Bach war es „ein Meilenstein auf dem Weg der Innovation in der Geschichte der Olympischen Spiele“. Bei der Vollversammlung 2016 in Rio nahm das Internationale Olympische Komitee mit Skateboard, Sportklettern, Surfen und Karate vier Sportarten ins Programm für Tokio auf, die zuvor mit der Olympischen Bewegung nichts zu tun hatten. Zusätzlich kehren Softball für die Frauen und Baseball für die Männer ins Programm zurück.
Die Spiele sollen damit jünger und moderner werden, vor allem werden sie in Tokio noch einmal größer. Statt 42 Disziplinen in 28 Sportarten wie vor fünf Jahren in Brasilien stehen diesmal 51 Disziplinen in 33 Sportarten auf dem Zeitplan.
Wo sind die Wettkämpfe zu sehen?
Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ARD/ZDF und Eurosport liefern sich einen Wettstreit im Fernsehen und im Internet. Das ZDF ist am Freitag ab 13 Uhr mit der Eröffnungsfeier und am Samstag mit dem ersten Wettkampftag dran. Danach wechseln sich die beiden Sender täglich ab. Wegen der Zeitverschiebung geht es kurz vor oder nach Mitternacht in Deutschland los. Ende der Übertragungen ist in der Regel um 17.00 Uhr. Bei Eurosport können Sportfans Tag und Nacht Olympia sehen.
Außerdem bieten die öffentlich-rechtlichen Sender im Internet bis zu zehn parallele Livestreams, die auch in den jeweiligen Mediatheken zu sehen sind. Eurosport zeigt unter anderem über die Streaming-Plattformen Joyn und dem kostenpflichtigen Joyn Plus+ bis zu 27 parallele Streams aus Tokio. (sid, dpa)