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Shorttrack-Ass Seidel: Mit Karacho in die neue Saison

Die Dresdner Shorttrackerin Anna Seidel erzählt, wie sie trotz finanzieller Turbulenzen im Verband so gut wie noch nie in die Saison gestartet ist. Und wie es jetzt weitergeht.

Von Alexander Hiller
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Anna Seidel stürzte zwar beim Weltcup in Salt Lake City, erzielte dennoch ihr bislang bestes Weltcup-Resultat .
Anna Seidel stürzte zwar beim Weltcup in Salt Lake City, erzielte dennoch ihr bislang bestes Weltcup-Resultat . © picture alliance / associated pr

Dresden. Am Ende vom Anfang war sie selbst am meisten überrascht. Noch nie ist Anna Seidel so gut in einen Weltcup-Winter gestartet wie diesmal, und das will etwas heißen bei der 24-jährigen Dresdnerin. Es ist bereits ihre zehnte Saison. In Montreal sowie eine Woche später in Salt Lake City gelangen der mit Abstand besten deutschen Shorttrackerin mit Rang zwei über 1.500 Meter und Platz vier über 1.000 Meter zwei unerwartet starke Resultate.

„Der Weltcup in Salt Lake City war vom Ergebnis sogar mein bester aller Zeiten. Ich habe eine gute Form, hätte aber nicht gedacht, dass es schon für so weit vorne reicht“, sagt Seidel, zumal sie ein paar Wochen zuvor an Corona erkrankt war und im Training nicht das volle Programm absolvieren konnte. Bereits in den Sommermonaten hatte sie Abstriche gemacht und sich bewusst für mehr Urlaub entschieden, „um mal den Kopf freizubekommen“, sagt Seidel und stellt fest: „Ich hätte also viel mehr trainieren können – aber vielleicht war gerade das der Schlüssel. Die Bestform sollte man in unserem Sport im Januar bis März erreichen, da ist noch Luft nach oben.“

Und das wiederum lässt auf eine erfolgreiche Saison hoffen. Die 1,66 Meter große Athletin hat beispielsweise noch nie eine Medaille bei Weltmeisterschaften gewonnen „Der Druck steigt für mich jetzt nicht, eher das Selbstvertrauen. Man weiß, was man kann und wozu ich in der Lage bin“, sagt Seidel mit Blick auf die WM im März im südkoreanischen Seoul.

Das frühe Leistungshoch der Dresdnerin ist nicht zuletzt auch aufgrund der finanziellen Querelen vor dem Saisonstart überraschend. Die Deutsche Eisschnelllauf- und Shorttrack-Gemeinschaft (DESG) hatte ihren Spitzenathleten mitgeteilt, dass Wettkämpfe vom Verband nicht mehr bezuschusst werden. Seidel und ihr Klubkollege Yanghun Ben Jung mussten deshalb zunächst in Vorkasse gehen, um die beiden Weltcups in Nordamerika abzusichern. „Eine Art Krisengespräch hatten wir eine Woche vorm Abflug, da wurde uns der Status Quo mitgeteilt – und wir haben versucht, gemeinsam eine Lösung zu finden“, erzählt Seidel.

Anna Seidel ist seit Jahren die beste und bekannteste Shorttrackerin Deutschlands und hat deshalb auch exklusive Unterstützer wie Red Bull.
Anna Seidel ist seit Jahren die beste und bekannteste Shorttrackerin Deutschlands und hat deshalb auch exklusive Unterstützer wie Red Bull. © ronaldbonss.com

Die Vorbereitung auf den Weltcupstart empfand sie als „recht stressig“. Mithilfe ihres Klubs, dem Eislaufverein Dresden, sowie Sponsoren wurde eine Notlösung gefunden. Alles in allem dürfte es sich um eine vierstellige Summe handeln, die Seidel und Jung für sich und ihre Trainerin Katarina Novotna vorgeschossen haben. „Ich habe mir schon da gesagt: Wenn es gar nicht geht, würde ich auch versuchen, das mithilfe von Sponsoren komplett selbst zu zahlen. Ich trainiere ja für solche Wettbewerbe wie Weltcups. Ansonsten müsste ich auch nicht zum Training kommen, wenn ich da nicht hinfahre“, meint Seidel, die als dreimalige Olympiateilnehmerinnen sponsorenseitig tatsächlich gut leben kann.

Die DESG sah sich zu dieser im deutschen Leistungssport wohl bislang beispiellosen Sparmaßnahme gezwungen, nachdem das Bundesinnenministerium (BMI) gut die Hälfte der bewilligten Fördersumme für den Verband vorerst einbehalten hatte. Auf SZ-Nachfrage verwies das Ministerium wiederum darauf, dass eine Verwendungsnachweisprüfung ergeben hatte, dass die DESG für das Jahr 2020 bewilligte Bundesmittel in Höhe von rund 89.000 Euro an das BMI zurückzahlen muss. Beide Seiten haben sich inzwischen geeinigt. Damit ist die Finanzierung der Weltcup-Saison, die Mitte Dezember im kasachischen Almaty fortgesetzt wird, nun gesichert. Sie habe auch die Zusage der DESG, dass bisher entstandene Kosten vom Verband zurückerstattet werden.

Seidel bleibt dennoch vorerst in Salt Lake City, und das auf eigene Kosten. „Meine Trainingsgruppe daheim hat viele kleinere Wettbewerbe in Europa, deshalb hätte ich in Dresden kein Trainingsteam. Dabei mag ich die Konkurrenz“, erklärt sie – und trainiert bis auf Weiteres mit dem Shorttrack-Team der USA. „Es ist immer gut, Input von anderen Nationen zu bekommen. Ich wohne bei Kristen Santos im Gästezimmer, da wir sehr gut befreundet sind“, sagt Seidel.

In Dresden landet sie erst am 26. Dezember wieder. Und Weihnachten? Verbringt Seidel gemeinsam mit ihrem Freund Moritz Seider. Der deutsche Eishockey-Profi spielt praktischerweise beim NHL-Team Detroit Wings – und das auch an den Feiertagen.