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Was sich Anna Seidel vom Heim-Weltcup in Dresden erhofft

Deutschlands beste Shorttrackerin will sich in Dresden den Feinschliff für die WM holen. Und sie hält sich nun doch eine Tür für Olympia 2026 offen.

Von Alexander Hiller
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Anna Seidel denkt nun doch über einen Start bei den Olympischen Spielen 2026 nach.
Anna Seidel denkt nun doch über einen Start bei den Olympischen Spielen 2026 nach. © © by Matthias Rietschel

Dresden. Bei ihrem Heimspiel will Anna Seidel nichts dem Zufall überlassen. Sogar ein neuer Rennanzug für die einzige deutsche Shorttrackerin von Weltklasseformat darf es vor dem Weltcup in Dresden, der von Freitag bis Sonntag in der Joynext-Arena steigt, sein. Nein, es muss sogar.

Von ihrem jüngsten Auftritt bei den Universitätsspielen in Lake Placid kehrte sie nicht nur mit einer Silbermedaille zurück, sondern auch mit einem Kratzer am Hals. Eine Kollegin aus China hatte ihr bei einem Sturz mit den Kufen die Haut leicht aufgeritzt. „Ich habe mir aus Lake Placid einen kleinen Schnitt mitgebracht, deshalb werde ich wahrscheinlich mit einem schnittfesteren Anzug laufen“, erklärt sie. Das Material ist kein anderes, aber der Kragen noch ein Stück höher Richtung Gesicht gezogen, damit der Hals noch mehr geschützt wird. Auch neue Kufen musste sie sich besorgen. „Ein Paar habe ich in Lake Placid geschrottet“, sagt sie.

Die Shorttrackerin vom Eislauf-Verein Dresden ist beim Heim-Weltcup der zentrale Dreh- und Angelpunkt im zwölfköpfigen deutschen Kader, der eine Sportart ausübt, die aufgrund der engen Kurvenradien, der hohen Geschwindigkeit und des Rangelns um Positionen nicht ganz ungefährlich ist. In der Weltspitze wird mit Haken und Ösen und mit erlaubtem Körperkontakt gekämpft. Seidel weiß das aus leidvoller Erfahrung. 2020 zog sie sich beim letzten Dresdner Weltcup vor der Coronapandemie einen knöchernen Bänderriss zu. 2021 kämpfte sie sich zurück, war so stark wie selten – bevor eine komplizierte Schienbein- und Wadenbeinfraktur unmittelbar vor der WM alle Hoffnungen zerstörte und beinahe auch ihren Olympiastart 2022 verhinderte. In Peking beendete dann ein Sturz den Traum von einer Medaille.

Nun ist Seidel vielleicht in der Form ihres Lebens, dringt in den Weltcups regelmäßig bis in die A-Finals vor und errang dort schon drei Podestplatzierungen, derzeit ist sie Siebente in der Gesamtweltcup-Wertung. Bei der EM holte sie Bronze über 1.500 Meter. Die 24-Jährige zählt zur Weltspitze, genau das will sie auch in Dresden beweisen. „Die Weltcups liefen in dieser Saison sehr gut. Ich war in so vielen A-Finals wie noch nie davor. Natürlich ist es das große Ziel, weiter so konstant zu laufen, wieder in die A-Finals zu kommen. Ich bin fit, hatte viele Wettkämpfe in den letzten Wochen“, sagt sie.

Die 24-jährige Dresdnerin ist die einzige deutsche Kurzbahn-Eisflitzerin von Weltklasse-Format und mithin das Gesicht des Weltcups von Dresden.
Die 24-jährige Dresdnerin ist die einzige deutsche Kurzbahn-Eisflitzerin von Weltklasse-Format und mithin das Gesicht des Weltcups von Dresden. © © by Matthias Rietschel

Die Nervosität vor dem Heimspiel hat abgenommen, Seidel ist professioneller geworden. „In den vergangenen Jahren war ich daheim immer sehr, sehr nervös“, erklärt sie. „Nun bin ich viel entspannter, mache mir nicht mehr so viele Gedanken, fokussiere mich auf die Rennen und nicht auf das ganze Drumherum.“

In Dresden wird die deutsche Vorzeige-Athletin über 1.000 Meter, 1.500 Meter, mit der Frauen-Staffel und aller Voraussicht nach mit der Mixed-Staffel starten. Genau die richtige Herausforderung knapp einen Monat vor der Weltmeisterschaft (10. bis 12. März) im südkoreanischen Seoul. „Dresden ist so etwas wie der letzte Test, weil es dann schon langsam ernst wird. Die WM ist das große Highlight für alle Teams. Deshalb ist hier jetzt die letzte Möglichkeit, noch gewisse Sachen auszutesten und zu verändern“, betont die Sportsoldatin.

In ihrer Karriere hat Seidel schon einige schwere Verletzungen überstanden. Jetzt aber ist sie besser denn je.
In ihrer Karriere hat Seidel schon einige schwere Verletzungen überstanden. Jetzt aber ist sie besser denn je. © Matthias Rietschel

Die WM könnte auch in anderer Hinsicht ein einschneidendes Erlebnis werden. Erstens hat die erfolgreichste deutsche Shorttrackerin aller Zeiten noch nie eine WM-Medaille gewonnen. Zweitens könnte sie ein Podiumsplatz zum Umdenken bewegen. „Noch einmal vier Jahre bis zu den nächsten Spielen zu planen, ist für mich im Moment sehr weit weg, für mich sehr unrealistisch“, hatte Seidel im April 2022 gesagt. Ändert sie ihre Meinung noch?

In der Deutschen Eisschnelllauf- und Shorttrack-Gemeinschaft gibt es nicht wenige, die darauf hoffen, dass die Lust auf Olympia mit zunehmendem Erfolg wieder steigt. „Ich muss sagen, dass ich mir das offenhalte bis nach der WM. Ich bin immer noch nicht zu 100 Prozent sicher, was ich will und wie es weitergeht. Drei Jahre sind immer noch ganz schön lang, man wird auch nicht jünger“, erklärte sie nun am Mittwoch. „Natürlich lief es zuletzt sehr, sehr gut. Dazu werde ich mich äußern, wenn ich nach der Saison Klarheit habe.“ Es wären nach 2014, 2018 und 2022 ihre vierten Olympischen Spiele.

Gute Ergebnisse in Dresden würden die Olympia-Hoffnungen wohl befeuern. Denn hier erlebt Seidel eine Wohlfühl-Atmosphäre, die Eltern sind in den Weltcup-Ablauf involviert, die Omas und viele Freunde sitzen im Publikum. Die Veranstalter um Sportevent-Manager Christoph Zepernick gehen von einem Besucheransturm aus. „Wir haben die Kontingente für den Vorverkauf bereits erhöht“, sagte er. Die Preise für die Tickets wurden aufgrund der jüngsten Entwicklungen allerdings gesenkt: Von 19 auf 15 Euro für Vollzahler und von zwölf auf neun Euro für Ermäßigte.