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„Fall Frehse“ geht in die nächste Instanz

Obwohl die Kündigung von Trainerin Gabriele Frehse für unwirksam erklärt wurde, kehrt sie nicht in die Halle zurück. Weil der Turnverband das nicht will und weiter Druck macht.

Von Michaela Widder
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Für Turntrainerin Gabriele Frehse macht sich auch die Partei Die Linke stark und fordert Aufklärung.
Für Turntrainerin Gabriele Frehse macht sich auch die Partei Die Linke stark und fordert Aufklärung. © Archivbild: dpa/Catalin Soare

Chemnitz. Es ist ruhig geworden um Gabriele Frehse. In den vergangenen Monaten ist die Turntrainerin in der Halle am Sportforum in Chemnitz auch nicht gesehen worden. Was ist passiert in dem Fall, der seit einem Spiegel-Bericht im November 2020 für so viel Aufsehen sorgte?

Ihr letzter öffentlicher Auftritt war im Gerichtssaal in Chemnitz am 1. Oktober. Dort war entschieden worden, dass Frehse weiter am Olympiastützpunkt (OSP) Chemnitz beschäftigt werden muss. Die außerordentliche Kündigung gegen die 61-Jährige, der von ehemaligen Turnerinnen im Magazin Spiegel psychische Gewalt und Medikamentenmissbrauch vorgeworfen wurde, hatte das Arbeitsgericht für unwirksam erklärt.

Unter anderem habe es handwerkliche Fehler gegeben, hatte der Richter festgestellt und zudem die mangelhafte Aufklärung der Anschuldigungen durch den OSP kritisiert. Auf Nachfrage der Sächsischen Zeitung hatte dessen Leiter Thomas Weise kurz darauf angekündigt, es werde keine Berufung geben.

Deutscher Turner-Bund wollte Berufung und machte Druck

Warum ist Frehse trotzdem bisher nicht an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt? Großes Schweigen beim OSP, der seine Entscheidung, das Urteil zu akzeptieren, revidiert hat – und das vermutlich auf entscheidenden Druck des Deutschen Turner-Bundes (DTB), bei dem die sportfachliche Hoheit liegt.

Unmittelbar nach der Urteilsverkündung hatte man darum gebeten, „gegen dieses erstinstanzliche Urteil Berufung einzulegen“, wie es in einem Statement des Verbandes hieß. Sollte Frehse in den weiteren Instanzen Recht behalten, droht im Extremfall die Schließung des Bundesstützpunktes. Der DTB schließt die Zusammenarbeit mit der Trainerin weiterhin kategorisch aus.

Nun läuft ein Berufungsverfahren am Landesarbeitsgericht – Ausgang ungewiss. „Wir“, sagt Frank Munzer, Präsident von Frehses Heimatverein TuS Chemnitz-Altendorf und meint damit sich und seine langjährige Trainerin, „haben entschieden, keine Wasserstandsmeldungen abzugeben. Wir halten die Füße still und warten auf den Berufungstermin.“

Frehse geht Konfrontation aus dem Weg

Juristisch kann sich der Fall noch Monate hinziehen. Für Frehse dürfte das – trotz des erstinstanzlichen Erfolges – weiter eine nervenaufreibende Situation sein. Obwohl die Stadt Chemnitz wenige Tage nach dem Urteil das Hallenverbot gegen sie aufgehoben hat, wird Frehse auch in den nächsten Wochen nicht am Sportforum zu sehen sein. Aus Eigenschutz und aus Schutz für die Talente, die am Bundesstützpunkt verblieben sind, geht sie einer möglichen Konfrontation aus dem Weg.

Noch immer gibt es einige Unklarheiten in dem Fall. Das hat nun die Fraktion der Partei Die Linke zum Anlass genommen und am 4. April einen sogenannte „Kleine Anfrage“ an den Bundestag gestellt. Aus Sicht von André Hahn, sportpolitischer Sprecher der Partei und einer der Antragssteller, findet eine „beispiellose Kampagne und Vorverurteilung in der Öffentlichkeit statt, bei der weder der DTB noch das für den Leistungssport zuständige BMI sich für eine sachgerechte Aufklärung der im Raum stehenden Vorwürfe und den Schutz der betroffenen Person eingesetzt haben.“

Die Linke fordert Analyse und Frehses Rehabilitation

Daher fordere man eine Analyse der zurückliegenden Abläufe und – sofern sich die Unhaltbarkeit der Vorwürfe gegen Frehse bestätigen sollte – ihre Rehabilitation. Im Detail umfasst die Anfrage insgesamt 19 Punkte. Eine Antwort der Bundesregierung erwartet Hahn bis zum 20. April, wie er auf Nachfrage von Sächsische.de mitteilte.

Die langjährige Erfolgstrainerin hat unter anderem Pauline Schäfer zur Weltmeisterin und WM-Dritten und Sophie Scheder zur Olympia-Dritten geformt. Schäfer war eine der Turnerinnen, die Frehse im November 2020 schwer belastet hat. Mit ihren Aussagen im Spiegel, sie sei täglich beleidigt und erniedrigt worden, brachte sie den Fall ins Rollen. Zu dem Zeitpunkt hatte sie sich mit Frehse längst überworfen.

Ihre langjährige Trainingskollegin Scheder wiederum hatte sich hinter ihre Trainerin gestellt. Die 25-Jährige gab im Januar ihren Wechsel nach Köln bekannt. Mitentscheidend für den Neuanfang dürfte neben dem Studium auch die ungeklärte Situation um Frehse gewesen sein.