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Stadt Chemnitz: Hallenverbot für Turn-Trainerin Frehse

Nach der Kündigung darf sie vorerst auch nicht als ehrenamtliche Übungsleiterin für den Verein tätig sein, aber eine Behörde lässt sie weiterarbeiten.

Von Sven Geisler
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Trainerin Gabriele Frehse soll die Turnhallen in Chemnitz nicht mehr betreten dürfen - mit einer Ausnahme.
Trainerin Gabriele Frehse soll die Turnhallen in Chemnitz nicht mehr betreten dürfen - mit einer Ausnahme. © Archivfoto: imago

Chemnitz. Es ist die nächste Zuspitzung in der Chemnitzer Turn-Affäre, wobei es nach wie vor keine neuen Erkenntnisse gibt. Zum 30. April hatte der Olympiastützpunkt Sachsen der Trainerin Gabriele Frehse gekündigt, nachdem sie zuvor fast fünf Monate lang suspendiert gewesen war. Grundlage dafür sind Vorwürfe, die 14 ihrer ehemaligen Schützlinge in Berichten des Magazins Der Spiegel erhoben hatten, sowie ein daraus resultierendes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Chemnitz.

Trotzdem wollte der TuS Chemnitz-Altendorf als Trägerverein des Bundesstützpunktes, an dem derzeit 24 Turnerinnen aktiv sind, die Trainerin ehrenamtlich beschäftigen. Das hatte Präsident Frank Munzer noch Mitte voriger Woche bekannt gegeben. "Frau Frehse fängt definitiv bei uns als ehrenamtliche Übungsleiterin an, um das Training abzusichern", sagte er in einem Interview mit dem MDR.

Daraus wird nun doch nichts. Die Stadt Chemnitz als Besitzer der Turnhallen, in denen Gabriele Frehse tätig sein würde, hat ihr am Freitag ein Hausverbot erteilt. Das bestätigte Sprecher Matthias Nowak auf Anfrage von Sächsische.de. "Dies erfolgte mit der Absicht, zum einen die juristische Klärung des Falls abzuwarten und zum anderen, um nicht weiteres Konfliktpotential vor Ort zu schüren", erklärte er. "Diesen nicht einfachen Schritt hat der Oberbürgermeister (Sven Schulze/Anm. d. Red.) auch allen Beteiligten in einem Schreiben ausführlich begründet."

Am Montagnachmittag traf sich der SPD-Politiker mit Verantwortlichen des Deutschen Turner-Bundes (DTB), des Vereins sowie Elternvertretern. Dabei sollte erörtert werden, wie die verfahrene Situation zugunsten der Sportlerinnen geklärt werden kann. Danach wurde das Verbot jedoch zunächst bestätigt, wie Nowak mitteilte. "Wir wollen versuchen, dass wir in den nächsten zwei Tagen eine Lösung hinbekommen. Das Wichtigste ist, dass die Athletinnen gut betreut werden."

Der Oberbürgermeister fürchtet offenbar um die Zukunft des Bundesstützpunktes Turnen in Chemnitz. Außerdem würde eine weitere Trainertätigkeit von Frehse nach seiner Einschätzung die Chancen für die Chemnitzer Olympia-Kandidatinnen auf eine Qualifikation für die Spiele in Tokio ab 23. Juli mindestens verringern.

Verband schließt jedwede andere Tätigkeit aus

Auf Nachfrage von Sächsische.de weist der Deutsche Turner-Bund (DTB) jedoch zurück, dass es von Seiten des Verbandes eine solche Ansage gibt. "Der DTB kann lediglich bestätigen, dass durch den Oberbürgermeister der Stadt Chemnitz ein Hausverbot verhängt wurde. Einen Ausschluss der Kaderathletinnen von der Qualifikation gibt es nicht." Andererseits hatte der DTB bereits im Januar "die vollständige Beendigung des Arbeitsverhältnisses von Frau Frehse" gefordert und nach der Kündigung durch den Olympiastützpunkt erklärt: "Jedwede andere Tätigkeit von Frau Frehse im Zusammenhang mit der Betreuung von Athletinnen am Olympiastützpunkt/Bundesstützpunkt ist ausgeschlossen."

Im Oktober 2017 trugen sich Pauline Schäfer, die zuvor bei der Weltmeisterschaft in Montreal die Goldmedaille am Schwebebalken gewonnen hatte, und ihre Trainerin Gabriele Frehse in das goldene Buch der Stadt Chemnitz ein. Nach der EM 2018 trennte sich Fre
Im Oktober 2017 trugen sich Pauline Schäfer, die zuvor bei der Weltmeisterschaft in Montreal die Goldmedaille am Schwebebalken gewonnen hatte, und ihre Trainerin Gabriele Frehse in das goldene Buch der Stadt Chemnitz ein. Nach der EM 2018 trennte sich Fre © imago

Dagegen haben die 24 derzeit in Chemnitz aktiven Turnerinnen und ihre Eltern mehrfach darauf gedrungen, in die Aufarbeitung mit einbezogen zu werden, und sich für eine sofortige Rückkehr von Frehse ausgesprochen. Die drei aussichtsreichsten Olympiakandidatinnen Sophie Scheder, die 2016 bei den Spielen Bronze am Stufenbarren gewonnen hat, Lisa Zimmermann und Emma Malewski starteten über die Crowdfunding-Seite GoFundMe im Internet einen Spendenaufruf, um sich mit Frehse auf die internen Qualifikationen vorbereiten zu können: "Bitte unterstützen Sie uns bei der Finanzierung unserer Trainerin, damit wir unseren Traum von Olympia verwirklichen können."

Bis zum Montagabend waren mehr als 30.000 Euro von 218 Spendern eingegangen. Als prominentester Geldgeber schrieb Wolfgang Hambüchen, Vater und Trainer von Reck-Olympiasieger Fabian Hambüchen, auf der Seite persönlich an Frehse: "Ich wünsche Dir von ganzem Herzen, dass Du alle gegen Dich gerichteten Angriffe mit hoch erhobenen Kopf abwehren kannst, Deine tollen Mädels optimal für die nächsten Wettkämpfe vorbereites", schrieb der 66-Jährige und ergriff mit drastischen Worten Partei für seine Kollegin.

Andere würden sich "in den Erfolgen Deiner verantwortungsbewussten und äußerst erfolgreichen Arbeit mit den besten Turnerinnen der Republik seit der Wende sonnen", erklärte Hambüchen, und statt Frehse zu ehren und auszuzeichnen, würden sie "Dich jetzt beleidigen und beschimpfen und Dein Lebenswerk beschädigen". Im Gespräch mit der Deutschen-Presse-Agentur forderte der "das gesamte Präsidium des DTB, den Sportdirektor und die Cheftrainerin wegen kollektiver Unfähigkeit zum sofortigen Rücktritt auf". Nur so könne "weiterer Schaden von der wunderschönen Sportart Kunstturnen" abgewendet werden.

Frehse geht gegen Kündigung gerichtlich vor

Frehse hat sich bisher nicht zu der neuen Entwicklung geäußert, zuvor aber bereits angekündigt, gegen die Kündigung durch den Olympiastützpunkt vorgehen zu wollen. "Ich bin davon überzeugt, dass diese Kündigung einer gerichtlichen Prüfung nicht standhalten wird und ich wieder eingestellt werden muss. Das letzte Wort darüber wird also nicht der DTB oder der OSP, sondern das Arbeitsgericht haben", sagte Frehse dem Online-Portal gymmedia.de.

Im Januar 2017 wurden Sophie Scheder, die bei Olympia in Rio de Janeiro Bronze am Stufenbarren gewonnen hatte, und Gabriele Frehse als sächsische Sportlerin und Trainerin des Jahres 2016 geehrt. Das Verhältnis der beiden ist nach wie vor von großem Respek
Im Januar 2017 wurden Sophie Scheder, die bei Olympia in Rio de Janeiro Bronze am Stufenbarren gewonnen hatte, und Gabriele Frehse als sächsische Sportlerin und Trainerin des Jahres 2016 geehrt. Das Verhältnis der beiden ist nach wie vor von großem Respek © Archiv: Robert Michael

Auch in Bezug auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen des Verdachts der Körperverletzung sei sie "zuversichtlich, dass nach Abschluss all dieser Dinge für jedermann klar sein wird, dass ich mir nichts zuschulden kommen lassen habe". Die Trainerin soll einer Turnerin ein Schmerzmittel - das Opioid Tilidin - zur Einnahme vor einem Wettkampf übergeben haben. Das hat Frehse mehrfach eingeräumt, allerdings verweist sie darauf, sich dafür die Freigabe von einem Arzt eingeholt zu haben, weil die Sportlerin unbedingt turnen wollte.

In einem Untersuchungsbericht war eine Anwaltskanzlei in Frankfurt am Main zu dem Ergebnis gekommen, es gebe "in 17 Fällen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Anwendung psychischer Gewalt durch die Trainerin". Frehse hatte die Anschuldigungen im Kern zurückgewiesen und sich unter anderem im Interview mit Sächsische.de bereits Anfang Dezember 2020 dagegen verwahrt, inzwischen geht sie nach eigener Aussage "gegen eine Reihe der ehemaligen Turnerinnen gerichtlich vor, weil sie gegenüber dem Spiegel Unwahrheiten verbreitet haben".

Profilsport darf die Trainerin weiter unterrichten

Komplett aus der Turnhalle ist Frehse weiterhin nicht verbannt. Das Hausverbot gilt nicht für ihre Tätigkeit als Lehrkraft für den Profilsport. Vier bis viereinhalb Stunden wöchentlich betreut sie im Auftrag des Landesamtes für Schule und Bildung die Leistungssportschülerinnen, die zugleich Kaderathletinnen am Bundesstützpunkt Turnen sind. "Die Kündigung durch den OSP haben wir aus den Medien erfahren", heißt es in einer Antwort auf Anfrage von Sächsische.de. "Es gibt aktuell für das LaSuB keinen neuen Stand, was den bis zum Schuljahresende befristeten Vertrag anbelangt. Dieser läuft automatisch aus."

Nach jetzigem Stand würde Frehse wohl keinen neuen bekommen, denn dafür sei die Trainerliste Sachsens für das neue Schuljahr entscheidend, die über die Sportverbände erstellt wird. "Wir gehen jedoch davon aus, dass Frau Frehse dort nicht mehr ,gelistet` wird", heißt es vom Landesschulamt.

Bereits Anfang März hatte die Behörde argumentiert, die öffentliche Debatte beziehe sich nicht auf das Sportgymnasium, "an dem Frau Frehse seit 2009 mit jährlich befristeten Arbeitsverträgen in der vertieft sportlichen Ausbildung als Lehrkraft eingesetzt ist und von dem uns keinerlei Informationen zu einem dienstlichen Fehlverhalten, weder aus der Vergangenheit noch aktuell, vorliegen".