Bischofshofen. Von ersten Springen in Oberstdorf bis zum letzten Wettkampf in Bischofshofen – die Vierschanzentournee war packend von Anfang bis Ende. Und schrieb auch wie bei den vorangegangenen 68 Austragungen wieder besondere Geschichten. Warum diese zehn Tage in besonderer Erinnerung bleiben werden:
GEWINNER UND GLÜCKLICHE
Kamil Stoch: Er wurde von einem der Größten zu einem der Allergrößten. Wie Stoch den kurzzeitigen Ausschluss der Polen in Oberstdorf nach dem positiven Corona-Test seines Teamkollegen Klemens Muranka ohne ein böses Wort hinnahm, dann klaglos ans Werk ging, als er wieder mitwirken durfte und schließlich mit riesigem Vorsprung zum dritten Mal die Tournee gewann – das war unvergleichlich.
Karl Geiger: Wer ihn immer nur als braven Schwiegermutterschwarm kannte, wurde nun eines Besseren belehrt. Der „Karle“ kann auch richtig deftig fluchen: „In den letzten Jahren ist Innsbruck immer unser Genickbruch gewesen. Dass es dieses Jahr wieder so ist: Da kriegt man einfach nur das Kotzen“, ranzte er in Innsbruck in die Mikros, nachdem er dort alle Chancen verspielt hatte. Geiger hat zwar nicht die Tournee, aber mächtig an Profil gewonnen.
Manfred Deckert: Der Tourneesieger von 1982 war zwar nicht selbst dabei, doch der 59-Jährige versteigerte parallel zu den Springen seinen 39 Jahre alten Siegerpokal. Für den Goldenen Adler war bei Ebay ein Startpreis von 999 Euro aufgerufen worden, der neue Besitzer erwarb die Trophäe schließlich für 12.750,99 Euro. Deckert, der heute Oberbürgermeister von Auerbach ist, wird das Geld aus der Versteigerung unter anderem sozialen Einrichtungen in seiner Stadt und Umgebung spenden.
Das Corona-Konzept: Es war ein Ritt auf der Rasierklinge, klar. Und der Ausschluss der Polen beruhte auf einem Fehler, ebenso klar. Doch hätten die Veranstalter irgendetwas anders, etwas besser machen können? Vermutlich nicht. Eine Veranstaltung wie die Vierschanzentournee in diesen Pandemiezeiten ohne entsprechende Erfahrungen durchzuziehen, war ein Wagnis. Die Tournee jedoch versank nicht im Chaos – ein Resultat harter Arbeit.
ENTTÄUSCHENDE UND ENTTÄUSCHTE
Simon Ammann: Der „Simi“ ist einer der liebenswertesten Sportler überhaupt, umso mehr schmerzte es, ihn bei dieser Tournee zu sehen. Platz 32 in Oberstdorf war noch das mit Abstand beste Resultat des viermaligen Olympiasiegers. Ammann wird im Sommer 40, und man wünscht ihm so sehr, dass er einen würdigen Absprung schafft.
Die Österreicher: Die Mitveranstalter erlebten erneut eine Tournee zum Vergessen, blieben zum zweiten Mal in Folge ohne Podiumsplatz bei allen Springen, sind seit Oberstdorf 2016 ohne Tagessieg und seit 2014/15 ohne Gesamt-Triumph.
Markus Eisenbichler: Ein Verlierer ist der „Eisei“ nicht. Und dennoch war das nicht seine Tournee. Als einer der ganz großen Favoriten kam er nach Oberstdorf, verlor seine Leichtigkeit, kämpfte leidenschaftlich, jubelte und fluchte, suchte nach Auswegen – und stürzte in Bischofshofen völlig ab. Weil er aber auch auf Niederlagen menschlich reagierte, blieb er der Publikumsliebling. „I werd ma heid a paar Biere einelatschen und dann werds scho wieder wern“, sagte er nach dem letzten Sprung.
Halvor Egner Granerud und Marius Lindvik: Der eine Norweger – Granerud – kam als Entdeckung der Saison und mit fünf Siegen in Serie zur Tournee, verlor die Form und landete schließlich als Topfavorit nicht einmal auf dem Gesamtpodest. Der andere – Lindvik – indes war zur Tournee in Topform, landete in Oberstdorf vor Stoch und in Bischofshofen hinter diesem auf Platz zwei, wäre sein härtester Kontrahent gewesen – wenn er nicht die zwei Springen dazwischen wegen einer Zahn-OP verpasst hätte. (sid)