Sport
Merken

Dresdens emotionaler Abschied von Mr. Volleyball

Die Volleyballerinnen vom Dresdner SC kassieren gegen Aachen eine 0:3-Pleite. Trotzdem bleibt der Abend in Erinnerung, weil der Abschied vom langjährigen Präsidenten Wolfgang Söllner ein ganz besonderer ist.

Von Michaela Widder
 4 Min.
Teilen
Folgen
Premiere beim DSC. Wolfgang Söllner (2. v. r.) gehört am Samstag gegen Aachen zum offiziellen Trainerstab und ist auch dabei, als sich die Mannschaft auf das Spiel einschwört.
Premiere beim DSC. Wolfgang Söllner (2. v. r.) gehört am Samstag gegen Aachen zum offiziellen Trainerstab und ist auch dabei, als sich die Mannschaft auf das Spiel einschwört. © www.loesel-photographie.de

Dresden. Am Ende standen die Zuschauer, und sie applaudierten einem Mann zu. Zwar hatten die Dresdner Volleyballerinnen gerade die größte Pleite in dieser Saison kassiert ,und es war auch ein Spiel zum Weglaufen gewesen. Aber die Fans blieben, selbst noch Minuten nach dem letzten Aufschlag.

Funktionäre, erst recht wenn man an die Unsympathen von IOC und FIFA denkt, haben nicht unbedingt das beste Image. Doch es gibt sie auch, die menschlichen, die ehrlichen, die, die mit hohem Sachverstand und Fingerspitzengefühl die Geschicke im Sport leiten.

So jemand ist Wolfgang Söllner, der weit über die Stadtgrenze hinaus bekannt ist. Viele Jahre war er Chef der Volleyball-Abteilung im Dresdner SC 1898, zuletzt langjähriger Präsident des Gesamtvereins und des sächsischen Volleyball-Verbandes. Auch auf nationaler Ebene hat Söllner als Vizepräsident im Verband und in der Liga viel bewegt. Im September stellte er sich nach neun Jahren nicht mehr zur Wahl beim DSC.

Die Nähe zur Mannschaft zeichnete ihn aus

Was schenkt man so einer Persönlichkeit zum Abschied? Fragten sich auch die Volleyballer, zu denen er ja eine besondere Verbindung pflegt. Wolfgang Söllner gehörte am Samstag in der Partie gegen Aachen zum offiziellen Trainerstab, er saß sogar auf der Trainerbank. Dafür bedurfte es sogar der Zustimmung der Liga.

"Das gab es noch nie und wird es wohl auch nicht wieder geben", meinte Geschäftsführerin Sandra Zimmermann, die die Sondergenehmigung beantragt hatte. "Wolfgang zeichnete immer die Nähe zur Mannschaft aus. Er hat uns das vorgelebt."

Also tauschte Söllner seinen Anzug gegen Jeans und schwarzes Polo-Hemd, die offizielle Kleidung des Trainerstabs. Beim Einlaufen der Mannschaft klatschte der 64-Jährige die Spielerinnen ab und lauschte kurz vorm Spiel der letzten Ansprache des Trainers. Dann sollte es eigentlich ein großer Abend für den "Mr. Volleyball" an der Seitenlinie werden.

Am Boden. Die DSC-Volleyballerinnen erlebten ein Spiel zum Vergessen. Nichts lief zusammen beim sechsmaligen Deutschen Meister.
Am Boden. Die DSC-Volleyballerinnen erlebten ein Spiel zum Vergessen. Nichts lief zusammen beim sechsmaligen Deutschen Meister. © www.loesel-photographie.de

Doch die DSC-Volleyballerinnen spielten nicht mit. In nur 72 Minuten verlor die Mannschaft gegen Aachen vor 2.763 Zuschauern in drei Sätzen, und das sehr deutlich: 15:25, 18:25, 18:25. "Das war heute ein schrottreifer Tag", fand Alexander Waibl und versuchte zu erklären, was er selbst noch nicht wirklich verstand: "Wir haben ohne Annahme gespielt, und dann fällt bei uns alles auseinander. Wir haben im ganzen Spiel keinen Plan gehabt." Für den Trainer war es sogar "eines der schlechtesten Spiele", die er in seiner langen Amtszeit in Dresden erlebt habe.

Und es wurmte Waibl besonders, dass ausgerechnet diese Begegnung zu einer denkwürdigen Pleite wurde. "Wolfgang Söllner ist ein außergewöhnlicher Mensch. Deshalb tut es mir umso mehr leid, dass wir heute keine bessere Veranstaltung bieten konnten."

Söllners größter Coup war 2009 die Verpflichtung von Waibl als Cheftrainer. "Mein erstes Jahr war sein letztes Jahr in der Verantwortung als Abteilungsleiter. Ich schätze ihn extrem. Wolfgang ist ein enger Vertrauter", meint der 54 Jahre alte Waibl. Söllner ist auch Patenonkel von seinem ältesten Sohn Mika.

Sein Abschied rührt einige Zuschauer zu Tränen

Nun also erlebte Söllner eine derbe Niederlage zum Abschied. Dafür aber Standing Ovations in der Halle. "Wolfgang ist der Freund, der für alle immer da war, wenn wir verloren haben", meinte der jetzige Volleyball-Chef, als er Söllner nach dem Spiel offiziell ehrte und verabschiedete. Es gab einige in der Margonarena, die Tränen in den Augen hatten.

Auch Söllner selbst war gerührt. "Ich bin sehr berührt. Ich habe doch schon zur Präsidiumswahl so tolle Abschiedsreden bekommen, und jetzt noch das", sagte der Rechtsanwalt. Weil er etwas abergläubisch ist, verließ er während des Spiels sogar die Trainerbank. "Ich habe früher immer den Standort gewechselt, wenn es nicht gut lief."

Der gebürtige Münsteraner, der 1991 nach Dresden kam, fühlte sich am Samstag ein bisschen an die Jahre zwischen 2003 und 2006 erinnert. "Da hatten wir auch so eine junge Mannschaft, der man auch mal Niederlagen zugestehen muss. Entwicklung braucht Zeit", findet er. Söllner bleibt jedenfalls Edelfan, und vielleicht kann er schon am Dienstag gegen Vilsbiburg wieder einen Sieg bejubeln. Dann ohne das große Tamtam.