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Dresdner Top-Wasserspringer erhebt schwerste Missbrauchsvorwürfe

Jahrelang soll der frühere Weltklasse-Wasserspringer Jan Hempel von seinem Trainer missbraucht worden sein. Nun macht der Dresdner in einer Dokumentation die Vorwürfe öffentlich.

Von Maximilian Helm & Michaela Widder
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Wasserspringer Jan Hempel erhebt schwere Vorwürfe gegen den Deutschen Schwimmverband.
Wasserspringer Jan Hempel erhebt schwere Vorwürfe gegen den Deutschen Schwimmverband. © Screenshot ARD Mediathek

Jan Hempel war einer der besten deutschen Wasserspringer der letzten Jahrzehnte. In einer neuen Dokumentation der ARD spricht der Dresdner nun über die Schattenseiten seiner Profikarriere - und wirft seinem ehemaligen Trainer Werner Langer schweren sexuellen Missbrauch vor. Im Verlauf von 14 Jahren soll sich Langer mehrfach an Hempel vergangen haben - erstmals im Alter von elf.

Einer der schlimmsten Übergriffe auf Hempel ereignete sich seinen Angaben zufolge 1992 bei den Olympischen Spielen in Barcelona. Langer habe Hempel unmittelbar vor dem Wettkampf auf einer Toilette vergewaltigt, so schildert es Hempel. Im Springen vom Turm verpatzte er den dreieinhalbfachen Salto und verpasste damit als Vierter eine Medaille. Zu den Vorwürfen kann sich Langer nicht mehr äußern, er nahm sich 2001 das Leben.

1996 wurde Hempel Olympiazweiter, 2000 gewann er bei den Spielen in Sydney Bronze. Insgesamt 14 Medaillen gewann er bei Olympischen Spielen sowie Welt- und Europameisterschaften.

"Was ich heute in den Medien lesen und sehen musste, erschüttert mich zutiefst. Die Vorwürfe kannte ich bis heute nicht.", erklärt Wolfgang Söllner, Präsident der Dresdner SC, in einem Statement. "Nach meinen heutigen Recherchen ist es wohl richtig, dass Jan Hempel 1997 diese Anschuldigungen gegen seinen Trainer vorgebracht hat." Langer sei damals für den Bundesverband am Dresdner Stützpunkt tätig gewesen und habe in keinem Anstellungsverhältnis mit dem DSC gestanden.

"Nach dem internen Bekanntwerden der Vorwürfe ist Herr Langer von der damaligen Bundestrainerin abgezogen und vom DSC mit einem lebenslangen Hallenverbot belegt worden", sagte Söllner. "Es war damals der ausdrückliche Wunsch von Jan Hempel, das Thema aus den Medien herauszuhalten."

2003 beendete Hempel seine Karriere, heute ist der gebürtige Dresdner 50 Jahre alt und lebt im Landkreis Meißen. In den Sommermonaten arbeitet Hempel als Bademeister in Miltitz, ist bei der Gemeinde Klipphausen angestellt.

Heftige Kritik am Schwimmverband

Heftige Kritik richtet sich auch an den Deutschen Schwimmverband (DSV), dessen Umgang mit Sportlern und dessen Leistungsfixierung er schon seit Jahren anprangert. Laut Hempel habe dort niemand ein Interesse an der Aufarbeitung gezeigt.

1997 hat sich Hempel nach eigener Aussage der inzwischen verstorbenen ehemaligen Bundestrainerin Ursula Klinger anvertraut und ihr vom Missbrauch durch Werner Langer erzählt. Sie leitete anschließend Schritte ein, die zu einer Trennung von dem Trainer führten. "Er wurde dann mit der Begründung Stasi-Vergangenheit entlassen, so wurde es mir gesagt", erinnert sich Hempel.

Einer, der in der Dokumentation namentlich kritisiert wird, ist Lutz Buschkow. Der heutige Bundestrainer der Wasserspringer im DSV soll entscheidend dazu beigetragen haben, dass der Fall nicht aufgearbeitet wurde, obwohl er schon 1997 vom Missbrauch erfahren haben soll.

Nach schweren Vorwürfen hat der Deutsche Schwimm-Verband Lutz Buschkow von seiner Tätigkeit als Bundestrainer freigestellt. Inmitten des Medaillenregens bei den Europameisterschaften in Rom zog der DSV den 64-Jährigen am Donnerstagabend "mit sofortiger Wirkung" ab. "Wir haben gesagt, Lutz Buschkow nehmen wir aus dem Feuer hier raus, was aber zunächst mal eine Unschuldsvermutung darstellt. Solange diese Vorwürfe nicht geprüft sind, hat er zumindest mal keine Aufgaben mehr im DSV wahrzunehmen", sagte Verbandspräsident Marco Troll der ARD: "Wir sind schockiert über diese Inhalte, die wir heute zum ersten Mal in dieser Form überhaupt gehört haben."

Weitere Fälle in Würzburg?

Der DSV muss sich strukturelle Vorwürfe gefallen lassen. 2021 musste der Würzburger Freiwasser-Trainer Stefan Lurz nach einer Recherche des Nachrichtenmagazins Der Spiegel zurücktreten und wurde wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in zwei Fällen zu sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Er erhielt zudem Berufsverbot - und muss jegliche Tätigkeit mit Bezug zum Schwimmsport unterlassen.

Der ARD zugespielte Aufnahmen zeigen nun, dass sich Lurz weiterhin regelmäßig auf dem Gelände des Schwimmvereins aufhält. Laut internen Dokumenten hat er dort inzwischen einen Posten als kaufmännischer Angestellter inne. Präsident des Vereins ist der ehemalige Weltklasse-Schwimmer Thomas Lurz, Bruder von Stefan Lurz.

Warum spricht Jan Hempel nun, 21 Jahre nach dem Tod seines ehemaligen Trainers, über die Vorwürfe? Er habe sich im Sinne weiterer Betroffener dazu entschlossen, zu reden. "Man ist es anderen für die Zukunft schuldig, dass man darüber spricht", sagt Hempel.