Zumindest am Fernsehen stimmen die Quoten noch. Am vergangenen Wochenende schauten hierzulande fast sechs Millionen die Rennen der Biathlon-WM im slowenischen Pokljuka, das entspricht einem Marktanteil von mehr als 30 Prozent. Die TV-Sender können zufrieden sein, die deutschen Skijäger nicht. Da ist die Quote eher besorgniserregend. Eine Medaille nach bisher acht Rennen ist enttäuschend, und es bleiben nur noch vier Möglichkeiten, die Bilanz aufzupolieren.
Bei der Single-Mixed-Staffel kamen Franziska Preuß und Erik Lesser am Donnerstag nach zehn Schießfehlern und einer Strafrunde nur auf Platz sieben. Somit bleibt die Silbermedaille von Arnd Peiffer im Einzelrennen die einzige fürs deutsche Team, das in der Nationenwertung auf Platz sechs liegt – hinter Tschechien und Österreich. Schon wurde tief in der WM-Historie gekramt und ein Negativ-Rekord vermeldet: Dass es nach sechs Entscheidungen noch kein deutsches Edelmetall gab, ist tatsächlich eine unerfreuliche Premiere. Allerdings liefen die Weltmeisterschaften 2013 in Nove Mesto und die Olympischen Winterspiele ein Jahr später in Sotschi mit jeweils zwei Medaillen ähnlich erfolglos.
Trotzdem ist die Zwischenbilanz ernüchternd – vor allem im Vergleich zu den fünf WM-Medaillen vor einem Jahr in Antholz. Die SZ nennt fünf Gründe:
Die Techniker verwachsen sich
Die Wutrede von Benedikt Doll nach einem Rennen sorgte Mitte Dezember für Aufsehen. „Es hat sich nach Körperverletzung angefühlt“, echauffierte er sich und meinte damit die nach seiner Meinung völlig falsch präparierten Skier. „Bei uns ist es zurzeit noch ein bisschen Lotterie.“ Einen Tag später ruderte er bei der Wortwahl zwar zurück, an der grundsätzlichen Kritik an den Technikern hielt er jedoch fest. Danach schien das Problem behoben, beim ersten WM-Rennen, der Mixed-Staffel, tauchte es jedoch wieder auf. Diesmal sprach der völlig chancenlose Startläufer Lesser das Defizit öffentlich an.
Zu viele Fehler am Schießstand
Peiffer, im Sprint und Verfolger auf den Rängen 36 und 20 noch jeweils der beste Deutsche, brachte es auf den Punkt: „Bei 80 Prozent Trefferleistung kann man so schnell laufen, wie man will, da werden nie Topergebnisse drin sein“, erklärte er und trat mit vier fehlerfreien Schießeinlagen und dem zweiten Platz im Einzel selbst den Gegenbeweis an. Die Frauen liefen bisher zwar deutlich knapper am Podest vorbei, aber auch da waren fast immer zu viele Fehler der Grund. Der Deutsche Skiverband (DSV) beschäftigt den dritten Winter in Folge einen Schießtrainer, zwei Jahre füllte diese Position der ehemalige Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig aus. Der fühlte sich jedoch aufs Abstellgleis geschoben, nur sehr selten nahm jemand seine Hilfe in Anspruch. Jetzt feiert er mit dem österreichischen Frauen-Team und vor allem Lisa Theresa Hauser große Erfolge. Seit dieser Saison hat der DSV die Stelle mit Engelbert Sklorz besetzt. Dessen akribische Arbeit loben alle Athleten, doch Defizite und Fehler beim Schießen abzustellen – das dauert.
Die Laufform passt nicht
Offensichtlich ist das Problem bei Denise Herrmann. Die ehemalige Skilangläuferin konnte in den vergangenen Jahren einzelne Fehler am Schießstand durch überragende Leistungen auf der Strecke wettmachen. Das ist bei der WM ganz anders. Bei den Laufzeiten belegte die Oberwiesenthalerin, die es gewohnt ist, in dieser Teildisziplin ganz vorn zu liegen, die Plätze vier, 24 und 21. „Es flutscht nicht so leicht. Ich bin muskulär angeknockt und auch keine Maschine“, sagte sie fast trotzig. Eine Erklärung hat sie noch nicht gefunden. „Vielleicht liegt es ja an der Höhe“, mutmaßte sie. Das aber ist eher unwahrscheinlich. Wie alle anderen Top-Nationen bestritt das deutsche Team die WM-Vorbereitung in Obertilliach. Der Ort in Österreich liegt in etwa so hoch wie Pokljuka.
Es gibt keine Superstars mehr
Die Zeiten, als Magdalena Neuner und Laura Dahlmeier für reiche Medaillenausbeuten sorgten, sind vorbei. Der Glanz ihrer Erfolge überdeckte womöglich auch manches Defizit. Nur ein Beispiel: Bei der WM 2017 gingen von den acht deutschen Medaillen sechs auf das Konto von Dahlmeier. Die Lücke nach dem Rücktritt eines solchen Ausnahmetalents zu schließen, ist nahezu unmöglich. Das bekommen in diesem Winter auch die französischen Männer zu spüren. Nach dem Karriereende von Martin Fourcade liegen im Gesamt-Weltcup drei Norweger vorn.
Es fehlt der Nachwuchs
Janina Hettich ist mit 24 Jahren die Jüngste im deutschen Team, bei den Männern ist es der 27-jährige Roman Rees. Neuner und Dahlmeier waren jeweils 25, als sie ihre Karrieren beendeten. Anders formuliert: Die deutschen Biathleten haben ein akutes Nachwuchsproblem. Zur WM wurde eine kleinere Mannschaft geschickt als möglich, und selbst von den zehn Teilnehmern erfüllten nicht alle die vom DSV geforderten Normen. Eine Besserung ist kaum in Sicht. Im zweitklassigen IBU-Cup, eigentlich für den Nachwuchs bestimmt, ist der 28-jährige Philipp Nawrath der beste Deutsche – und Vanessa Voigt auch schon 23 Jahre.