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Bob-WM: Lochner entthront Bobdominator Friedrich

Diesmal gewinnt der ewige Zweite: Johannes Lochner wird Weltmeister im Zweierbob. Zufrieden ist am Ende auch Francesco Friedrich - mit Platz zwei. Danach kündigt er Revanche an, am besten schon nächste Woche.

Von Tino Meyer
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Weltmeister Johannes Lochner (rechts) und sein Anschieber Georg Fleischhauer bekommen den Pokal von Weltverbandspräsident Ivo Ferriani überreicht - unter freundlicher Mithilfe des Rekordsiegers Francesco Friedrich.
Weltmeister Johannes Lochner (rechts) und sein Anschieber Georg Fleischhauer bekommen den Pokal von Weltverbandspräsident Ivo Ferriani überreicht - unter freundlicher Mithilfe des Rekordsiegers Francesco Friedrich. © dpa/Robert Michael

St. Moritz. Es ist passiert: Johannes Lochner hat die seit 2013 anhaltende Rekordserie von Francesco Friedrich gestoppt und sich erstmals den WM-Titel im Zweierbob geholt. Mit Anschieber Georg Fleischhauer gewinnt der Pilot vom Königssee am Sonntag in St. Moritz am Ende deutlich mit 0,49 Sekunden Vorsprung gegen den zweimaligen Doppel-Olympiasieger Friedrich. Der hat sich vor vier Wochen eine schwere Muskelverletzung zugezogen und ist mit Alexander Schüller nun auf den zweiten Platz gefahren.

"Dieser Sieg bedeutet mir verdammt viel. Es war das letzte Ding auf meiner To-Do-Liste in diesem Sport. Keine Ahnung, wie oft ich schon Zweiter wurde, das wurmt irgendwann einfach nur noch", sagt Lochner, der 2017 am Königssee zeitgleich mit Friedrich die Viererbob-WM gewonnen hatte - und seitdem der Dauerrivale des Bobdominators ist und dabei de facto der ewige Zweite.

Nun hat er Friedrich ausgerechnet in dessen Spezialdisziplin besiegt. Und ausgerechnet in St. Moritz, wo der 32-Jährige vor zehn Jahren seinen ersten von mittlerweile elf WM-Titeln gewonnen hat.

Die neuen Zweierbob-Weltmeister: Johannes Lochner (links) und sein Anschieber Georg Fleischhauer.
Die neuen Zweierbob-Weltmeister: Johannes Lochner (links) und sein Anschieber Georg Fleischhauer. ©  dpa/Robert Michael

"Wir sind sehr zufrieden, wir haben aus allem noch das Beste gemacht. Mehr war diesmal einfach nicht drin. Hansi war am Start besser, in der Bahn besser, hatte ein besseres Händchen mit dem Material", meint Friedrich und sagt, schon auch froh zu sein, zumindest den zweiten Platz abgesichert zu haben. Als Lochner das Ziel erreicht, ist der Pirnaer der erste Gratulant.

0,01 Sekunden beträgt am Ende Friedrichs Vorsprung auf die Drittplatzierten Schweizer Michael Vogt/Sandro Michel. Das dritte deutsche Duo mit Christoph Hafer/Matthias Sommer belegt den vierten Platz (+0,86), die zuvor auch als Medaillenkandidaten gehandelten Briten Brad Hall/Taylor Lawrence werden Fünfter (+0,93).

Die spannende und bei dieser WM bislang am meisten gestellte Frage nach seinem Gesundheitszustand hat Friedrich, der sich kurz vor dem Jahreswechsel einen Muskelbündelriss im Adduktorenbereich zuzog, gleich zu Beginn sportlich beantwortet: mit einer ansprechenden Startzeit. Danach erklärt er: "Wir sind erst mal zufrieden, das Bein scheint zu halten."

Im Ziel macht am Ende dieses ersten WM-Wochenendes schließlich eine Erklärung die Runde: Wenn Friedrich gewusst hätte, wie gut er vier Wochen nach der Verletzung und ohne gezieltem Athletiktraining am Start schon wieder ist, wäre er lockerer und damit mutmaßlich besser Bob gefahren. Denn das ist diesmal sein Manko.

Ganz anders Lochner, der zuletzt vier Zweier-Weltcups in Folge gewann. Er ist auch in St. Moritz der Beste, erwartungsgemäß am Start und vor allem in der Bahn. Nach den vier Läufen á 1.722 Meter auf der weltweit ersten und inzwischen wieder einzigen Natureisbahn steht deshalb fest: Friedrich hat den Titel nicht wie zuvor vermutet am Start verloren, der Pilot vom BSC Sachsen Oberbärenburg hat in der Bahn diesmal viel zu viele Fehler gemacht.

Exemplarisch dafür der dritte Lauf: 0,32 Sekunden liegt Friedrich nach dem ersten Tag zurück und sagt: "Wir müssen uns am Start steigern. Jetzt wissen wir, dass es geht." Das tut er dann auch - mit der mit Abstand besten Startzeit. 5,02 Sekunden bedeuten Saisonbestzeit in St. Moritz, aufgestellt am Tag zuvor von Lochner/Fleischhauer. Sie schaffen am Sonntag indes zunächst jene 5,06 Sekunden, die Friedrich/Schüller am Vortag benötigt haben.

Entschieden hat sich die Zweierbob-WM nicht wie vorher erwartet am Start, sondern in der Bahn. Da erwischte Francesco Friedrich in allen vier Läufen nicht die Ideallinie.
Entschieden hat sich die Zweierbob-WM nicht wie vorher erwartet am Start, sondern in der Bahn. Da erwischte Francesco Friedrich in allen vier Läufen nicht die Ideallinie. © dpa/Robert Michael

An den Lenkseilen aber ist Lochner diesmal eine Klasse für sich. Im dritten Lauf gelingt es ihm sogar, seinen Vorsprung auf den Titelverteidiger mehr als zu verdoppeln auf mehr als vorentscheidende 0,69 Sekunden. Friedrich dagegen macht nach den kleinen Fehlerchen, wie er die Bandenberührungen vom ersten Tag bezeichnet, einen gravierenden Patzer. Der kostet Geschwindigkeit, sorgt für die lediglich fünftbeste Laufzeit und bringt ihn um die letzte kleine und doch auch berechtigte Gold-Chance.

Am Ende entscheidet wie so oft im Bobsport die Komplexleistung, zu der neben Start und Fahrlinie nicht zuletzt das Material zählt. Auch da ist Lochner im Vorteil und erzielt besonders im unteren Streckenabschnitt die höchsten Geschwindigkeiten. Zudem fährt er am konstantesten. Im letzten Lauf verbessern die Sieger auch noch mal die Startbestzeit auf 5,01 Sekunden.

Am Start können Francesco Friedrich und Alexander Schüller nicht nur mithalten, im dritten Lauf gelingt ihnen die Bestzeit. Am Ende freut sich das Duo über WM-Silber.
Am Start können Francesco Friedrich und Alexander Schüller nicht nur mithalten, im dritten Lauf gelingt ihnen die Bestzeit. Am Ende freut sich das Duo über WM-Silber. © dpa/Robert Michael

"Hansi hat verdient gewonnen - nach der ganzen Saison und nach all den Jahren. Er war so oft Zweiter hinter Franz und immer ein fairer Verlierer. Wir freuen uns alle", sagt Bundestrainer René Spies, der Lochner mit Tränen in den Augen gratuliert. Und auch Friedrich lobt er für den zweiten Platz. "Diese Verletzung hat so viel Kraft gezogen, auch die ganze Trainingswoche in St. Moritz wieder. Irgendwann reicht die Kapazität nicht aus, und das hat sich diesmal auf die Fahrspur ausgewirkt. Das ist alles menschlich und erklärbar."

Friedrich wiederum hat bereits Revanche angekündigt - für den Viererwettbewerb am kommenden Wochenende ("Da haben wir wahrscheinlich eh bessere Chancen") und dann bei der WM 2024 in Winterberg. "Das wir heute nicht gewonnen haben, spornt uns noch mehr an, nächstes Jahr zurückzuschlagen. Wir wollen dort unseren WM-Pott wieder zurück holen", sagt Friedrich, macht eine kurze Pause und fügt an: "Das werden wir sicherlich auch tun."