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So hart trifft die Energiekrise den Wintersport

Bob, Skeleton und Rennrodeln in Altenberg, Slalom in Garmisch, die Vierschanzen-Tournee in Oberstdorf und und und. Dafür braucht es viel Energie. Doch die ist nun extrem teuer. Was tun?

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Vergangene Woche hat Eismeister Ralf Mende mit seinem Team die Bobbahn in Altenberg vereist. Dass die Höchsttemperaturen im Plusbereich lagen, machte es nicht schwerer – aber deutlich teurer.
Vergangene Woche hat Eismeister Ralf Mende mit seinem Team die Bobbahn in Altenberg vereist. Dass die Höchsttemperaturen im Plusbereich lagen, machte es nicht schwerer – aber deutlich teurer. © kairospress

Von Sandra Degenhardt und Tino Meyer

Dresden. Ohne Kunstschnee auf Loipen, Pisten und Skisprungschanzen würde der Wintersport längst nicht mehr funktionieren. Seit Jahren ist dieses energieaufwendige Produzieren Normalität, und bislang waren die Kosten zu bewältigen. Aber angesichts der explodierenden Preise für Strom und Gas steht jetzt auch der gesamte Wintersport vor großen Problemen, vom Nachwuchs angefangen bis hin zur absoluten Weltspitze. Selbst Ausfälle von Weltcups in den alpinen und nordischen Disziplinen werden nicht mehr ausgeschlossen. „Gegenwärtig haben wir keinen Plan B“, sagt Michel Vion, Generalsekretär des Weltverbandes Fis. Droht der Energiekollaps?

„Ich bekomme jeden Tag Schreiben von Sportvereinen, die Hilfe wollen“, twitterte Bundesfinanzminister Christian Lindner kürzlich. Und Thomas Weikert, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, meinte: „Der Winter bereitet uns schon Sorgen.“ Denn der Bedarf an Energie ist teils exorbitant, stand aber noch nie so stark im Fokus wie jetzt. So werden beispielsweise für die Vereisung der Bobbahnen pro Saison jeweils etwa eine Million Kilowattstunden benötigt, so viel wie für 250 Vierpersonenhaushalte im Jahr.

Kein Sparpotenzial beim Altenberger Eis

In Garmisch-Partenkirchen schlug vor zwei Jahren die Beschneiung des Skigebiets mit 300.000 Kubikmetern bereits mit 1,35 Millionen Euro zu Buche. Und für das Eismachen in der Erfurter Eisschnelllauf-Halle sind es gut 3,2 Millionen Kilowattstunden, Kosten jährlich zuletzt rund 150.000 Euro. Diesmal wurde daher das Innenfeld nicht vereist und steht damit weder dem Eissport noch der Öffentlichkeit zur Verfügung.

Der deutsche Bob- und Schlittenverband BSD hat ebenfalls erste Maßnahmen ergriffen. Die Kühlung der Bahnen soll auf Minimalbetrieb gehalten werden, die Eisdicke schrumpfen. Wobei das zumindest in Altenberg kein Sparpotenzial darstellt. „Unser Eis liegt schon immer nur zwischen den mindestens erforderlichen anderthalb und drei Zentimetern“, betont Altenbergs Eismeister Ralf Mende, einer der weltweit anerkanntesten Experten im Eiskanal. Mit den Energiekosten hat das nichts zu tun, sondern vielmehr mit der Qualität. „Anderthalb bis drei Zentimeter haben sich für uns bewährt. So bekommen wir die Bahn glatter und damit sicherer“, erklärt Mende.

Dass die Bahnen künftig deutlich später vereist werden sollen, begrüßt Altenbergs Bahnchef Jens Morgenstern mit Blick aus dem Fenster ausdrücklich. Die ersten Trainingsfahrten würde es dann ab November geben und nicht schon in dieser Woche, in der die Skeleton-Nationalmannschaft im Osterzgebirge zu Gast ist und am Freitag die deutsche Meisterschaft austrägt.

Unklare Energiekosten in Oberstdorf

Als der Energie Sachsen Eiskanal, so der offizielle Name, vergangene Woche zum insgesamt 40. Mal vereist wurde, zeigte das Thermometer zweistellige Plusgrade. „Im November ist die Wahrscheinlichkeit deutlich größer, nachts mal Minusgrade zu haben“, sagt Morgenstern, der diese Saison mit energiebedingten Mehrkosten von bis zu 40.000 Euro rechnet. „Wir nehmen das Thema sehr ernst“, betont auch der BSD-Vorstandsvorsitzende Thomas Schwab.

Beim Skisprung-Zentrum Oberstdorf, wo immer das Auftaktspringen der Vierschanzen-Tournee stattfindet, weiß man noch nicht, wie hoch die Stromkosten ab Januar sind. Der Vertrag für das Skisprungstadion wurde gekündigt, das neue Angebot sieht keinen Festpreis mehr vor, sondern einen monatlichen Durchschnittspreis nach den täglichen Preisen an der Strombörse.

„Bisher haben wir auch nicht die Millionen gescheffelt, sondern mussten schauen, dass es überhaupt geht. Es kann an die Existenz gehen“, sagt Geschäftsführer Florian Stern. Sollten bei einer dramatischen Energieknappheit Einschnitte in Oberstdorf und an anderen Sportstätten drohen, müsste das aus seiner Sicht für den gesamten Freizeitsektor gelten. „Warum soll man in Oberstdorf nicht Skilaufen können, kann aber auf die Malediven fliegen, das würde für mich null Sinn ergeben“, sagt Stern.

Veraltete Eisflächen vor dem Aus

Im Eishockey mit den besonders energieintensiven Flächen steht derweil die Zukunft vieler Hallen auf dem Spiel. Für die Vereisung von 1.800 Quadratmetern braucht man jährlich rund 600.000 Kilowattstunden. Je nach Standort und Alter der Halle sind die Energiekosten um den Faktor zwei bis vier gestiegen. Dass sich das Sterben der älteren Hallen nun beschleunigt, gilt als ausgemacht. Und Deutschland hat schon nicht viele Eisflächen. Für die Profi-Klubs dürfte dieser Winter noch zu meistern sein, weil sie meist Mieter in den Arenen sind. Gernot Tripcke, Geschäftsführer der Deutschen Eishockey Liga, befürchtet durch mögliche Hallenschließungen eher Auswirkungen auf den Breiten- und Nachwuchssport.

In Oberhof steht im Februar die Biathlon-WM an. Bei der Sanierung der Arena hat man bereits auf das Thema Energie geschaut. Der Standort sei bei der klimaneutralen Energieversorgung gegenwärtig Vorreiter, bekräftigt Hartmut Schubert, Vorsitzender des Zweckverbandes Thüringer Wintersportzentrum sowie WM- und Oberhof-Beauftragter der Thüringer Landesregierung. Man setze auf effiziente Photovoltaik-Technik, Abwärmenutzung und den Bau eines Blockheizkraftwerkes – so werden schon 60 Prozent der eigenen Energieversorgung produziert. Ein Schneedepot sichert das kostbare Weiß.

Oberhof: Fünf Millionen Kilowattstunden Strom

Aber für die Biathlon-Arena, die Rodelbahn und die Skihalle fallen jährlich rund fünf Millionen Kilowattstunden Strom an. In der Skihalle sind Biathleten und Langläufer aus aller Welt häufig zum Training. Dafür muss ganzjährig Schnee produziert werden, die Kosten derzeit gut 300.000 Euro.

Auch wenn die Energie- und Versorgungskrise vor dem Standort Oberhof nicht haltmache, wolle man Nutzungseinschränkungen im Trainings- und Wettkampfbetrieb unter allen Umständen vermeiden, so Schubert. Aber auch ihm ist klar, in welchem Spannungsfeld der Wintersport und der Betrieb von Sportstätten mit Blick auf deren Energiebedarf stehen. (dpa)