Darum fordert der Erfolgstrainer mehr Trainer

Peter Schlickenrieder, warum haben die Langläufer am kommenden Wochenende, also schon im Frühjahr, in Oberwiesenthal noch eine deutsche Meisterschaft?
Zum einen aus Terminnöten, weil es das noch einzig freie Wochenende war. Normalerweise wären in der vergangenen Woche die Militär-, Polizei- und Zollweltmeisterschaften gewesen. Aber die sind aufgrund von Corona abgesagt worden. Zudem gibt es auch noch einen trainingsmethodischen Hintergrund. Wir versuchen, mit den Athleten möglichst lange auf Schnee zu sein – im Optimalfall bei uns. Und Oberwiesenthal ist einer der schneesichersten Plätze in Deutschland.
Ist es für die Athleten nicht schwierig, die Motivation im Training nach einer langen Olympia- und Weltcupsaison noch hoch zu halten?
Vor ein paar Jahren war das vielleicht noch so. Mittlerweile gehört es zur Kultur des Langläufers dazu, so lange wie möglich auf Schnee zu trainieren, natürlich auch mit dem nötigen Spaß dabei. Es geht um den Genuss des Skifahrens und der Freude in der Gruppe. Einige Athleten reisen sogar nach der deutschen Meisterschaft noch zwei Wochen nach Skandinavien, um dort aktive Schneeverlängerung zu machen, und danach kommt erst der Urlaub. Die Schneekilometer sind unsere größte Reserve im Vergleich zu anderen Nationen.
Müssen Sie manchmal noch gezwickt werden, dass Sie jetzt zwei Olympiasiegerinnen in Ihrem Team haben?
Ich bin mit dem Kopf tatsächlich schon viel mit dem neuen Olympiazyklus beschäftigt und sehe die Herausforderungen in den nächsten Jahren. Es gibt einen großen Umbruch. Da gehen die Erfolge jetzt manchmal ein bisschen unter. Man muss es fast schon wieder in Erinnerung rufen, dass wir was Großartiges geschafft haben. Das war nicht erwartbar, hat sich auch nicht unbedingt in dem Maß in den Vorleistungen angedeutet. Wir müssen jetzt den Drive mitnehmen und das nächste Level erreichen.

Wie wollen Sie das schaffen, und was muss dafür im Langlauf passieren?
Wir haben wie in allen Sparten Fachkräftemangel. Wir brauchen viele neue Trainer im gesamten System. Der Sport ist ein personalintensives Geschäft. Gute Trainer zu finden, ist ein langfristiges Invest, das Geld kostet. Langlauf ist eine Grundsportart, bei uns bedienen sich ja auch die Kombinierer und Biathleten. Deshalb müssen wir in Personalgewinnung und -entwicklung deutlich investieren. Einfacher Grundsatz: ohne Trainer keine Sportler. Und ein zweiter Punkt ist, dass wir es noch besser schaffen, den selbstbestimmten Athleten zu entwickeln. Bei unseren Frauen wie im Fall Katharina Hennig, die selbst viel Verantwortung übernimmt, ist uns das schon gelungen. Dafür braucht es auch Struktur und eine hohe Betreuungsqualität.
Wie sehen Sie aktuell den Stützpunkt Oberwiesenthal?
Schneesicherheit und Infrastruktur sind in Oberwiesenthal genial. Man braucht aber eine entsprechende Anzahl an Trainern, um die Qualität der Ausbildung auch zu gewährleisten. Es ist ein entscheidender Baustein, solche Stützpunkte wie Oberwiesenthal weiterhin mit Leben zu füllen. Ein 15-Jähriger muss noch nicht unendlich viele Kilometer schruppen. Wir brauchen eine hohe Ausbildungsqualität schon in jungen Jahren, um daraus mal Weltspitze entwickeln zu können.
Sie sind der Motivator für das gesamte Langlaufteam. Woher nehmen Sie Ihre tägliche Motivation?
Gute Frage. Aus dem, was mir der Sport selbst gegeben hat und noch immer gibt. Ich sehe auch unter meinen Trainerkollegen, dass das gemeinsame Sporteln viel Energie gibt. Wenn beispielsweise unser Cheftechniker ein Abschlussfest für sein Team organisiert, dann ist das kombiniert mit einer Mountainbike-Tour. Denn egal, ob unsere Athleten Olympiasieger oder Weltmeister werden oder eben nicht – durch den Sport können sie sich eine Lebensweise erarbeiten, die sie glücklicher macht. Davon bin ich überzeugt, und es ist schön, wenn man das vermitteln darf.
Im Urlaub wird man Sie wahrscheinlich nicht am Strand treffen, oder?
Nein. Wir sind in den Osterferien zehn Tage mit unserem Skiclub unterwegs. Wir werden im Berner Oberland sein und dort ein paar Viertausender machen. Wir sind auf Tourenski von Hütte zu Hütte unterwegs. Outdoorsport verbunden mit Gaudi auf der Hütte – das gibt mir mordsmäßige Energie. Danach bin ich wiederhergestellt.
Russische Sportler wie Langlauf-Star Alexander Bolschunow haben für ihren Auftritt bei einer Propaganda-Show von Präsident Wladimir Putin viel Kritik eingesteckt. Wie sehen Sie das?
Alles, was Putin in die Karten spielt, lehne ich natürlich ab. Für mich ist es ein No Go, aber man sollte zwei Seiten beleuchten. Ich kann mir gut vorstellen, unter welchem Zugzwang der Staatssport steht. In Russland hängt der ganze Sport am Staatsapparat. Da gibt es einen Befehl, und egal ob er will oder nicht, er muss zu Putins Veranstaltung hin. Die Abhängigkeit des Sportlers vom Staat ist viel größer als bei uns. Wenn du aufmuckst – und da kannst du zehnfacher Olympiasieger sein – musst du mit Konsequenzen rechnen.
Das Gespräch führte Michaela Widder