Dresden. Um den Schnee geht es diesmal überhaupt nicht. Dass für den Ski-Weltcup in Dresden, der an diesem Wochenende zum vierten Mal stattfindet, jedes Mal tonnenweise Kunstschnee in einem leerstehenden Hangar am Flughafen Klotzsche produziert und quer durch die Stadt bis ans Elbufer gefahren wird, hat in der Vergangenheit für viel Kritik gesorgt. Vor allem Umweltschützer beklagten das Prozedere.4.500 Kubikmeter sind auch dieses Mal nötig, um die 650 Meter lange Strecke aufzubauen, das Thema ist allerdings ein anderes, ein noch grundsätzlicheres.
Wieso, lautet die immer wiederkehrende Frage, darf der Ski-Weltcup inmitten der verschärften Pandemie-Lage stattfinden? Wer hat das erlaubt? Wie kann das in einer Stadt mit einer Corona-Inzidenz von weit über 300 funktionieren? Sächsische.de beantwortet diese und andere Fragen.
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Warum darf der Ski-Weltcup am Elbufer überhaupt stattfinden?
Die Antwort steht in der sächsischen Corona-Schutzverordnung. In Paragraf 4, der die Schließung von Einrichtungen und Angeboten regelt, werden jene Sportler von den Sportstätten-Schließungen sowie Kontakt-Beschränkungen ausgenommen, „für die ein Arbeitsvertrag besteht, der sie zu einer sportlichen Leistung gegen ein Entgelt verpflichtet und dieses überwiegend zur Sicherung des Lebensunterhalts dient oder die lizenzierte Profisportler sind“. Das alles trifft auf die Athleten des Ski-Weltcups zu.
Auf Nachfrage von Sächsische.de erklärt das für den Sport im Freistaat zuständige Innenministerium ausdrücklich, dass auch die seit Mittwoch geltende, verschärfte Schutzverordnung kein explizites Verbot von Sportveranstaltungen vorsieht. „Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass die Genehmigung der Veranstaltung und des entsprechenden Hygienekonzeptes der Stadt Dresden obliegt“, heißt es in der Stellungnahme.
Und die Stadt hat offenbar ebenso wenig Bedenken. „Dieses Event kann nur unter sehr strengen hygienischen Auflagen stattfinden. Die Sicherheit aller Teilnehmenden hat oberste Priorität“, erklärt der Oberbürgermeister Dirk Hilbert in einem offiziellen Grußwort für den Weltcup.

Wie reagieren die Kritiker und welche Argumente haben sie?
Über Sinn und Unsinn dieser Sportveranstaltung ist in den vergangenen Jahren immer diskutiert worden, Stichwort Umweltbedenken. Diesmal kommt noch der Zeitpunkt dazu. Sachsen ist Corona-Hotspot Nummer eins in Deutschland, und die Landesregierung und auch die Stadtverwaltung haben die Schutzmaßnahmen noch einmal ausgeweitet. Kontakt-Minimierung ist das Gebot der Stunde.
Wie passt da ein Weltcup mit rund hundert Teilnehmern aus 21 Nationen sowie noch einmal rund 120 Helfern dazu, fragen inzwischen auch Menschen, die dem Sport eigentlich sehr wohlgesonnen gegenüberstehen. „In dieser Situation einen Skizirkus durchzuführen, ist unverantwortlicher Irrsinn“, poltert André Schollbach, Fraktionsvorsitzender der Linkspartei im Stadtrat und von jeher einer der schärfsten Kritiker des Weltcup-Standortes Dresden.
Selbst in der Regierungskoalition ist offenbar ein Streit entbrannt. Nach Informationen von Sächsische.de sind Grüne und SPD überhaupt nicht damit einverstanden, dass der Weltcup stattfindet. Das sei den Menschen im Land schwer zu vermitteln, eine Absage wäre das bessere Zeichen gewesen, heißt es. Den offenen Streit haben die Koalitionspartner aber gescheut, angesichts der dramatischen Lage im Freistaat geht es derzeit um größere, viel wichtigere Themen – und auch um Zusammenhalt.

Stand jemals eine Absage der Veranstaltung zur Debatte?
Im CDU-geführten Innenministerium ist von einem Diskussionsprozess die Rede. „Das Ergebnis spiegelt sich in der aktuellen sächsischen Corona-Schutz-Verordnung wider“, teilt das Ministerium mit. Deutlicher formuliert es der Cheforganisator René Kindermann: „Eine Absage war ehrlicherweise nie eine Option, auch nicht in den vergangenen Tagen.“
Die Begründung liefert er gleich mit: „Es war immer klar, dass der Weltcup-Tross in einer Blase unterwegs sein wird mit großen hygienischen Aufwendungen. Zudem hatten wir immer die klare Botschaft unserer Partner und Sponsoren, dass sie bei einer sicheren Durchführung an unserer Seite stehen.“ Unter anderem unterstützen Freistaat und Landeshauptstadt die Veranstaltung mit jeweils 150.000 Euro.
Der Weltcup in Dresden lässt sich zudem nicht losgelöst von sportpolitischen Interessen betrachten. Als Ausrichter fungiert der Deutsche Skiverband, der sich damit wiederum im mächtigen Ski-Weltverband Fis positioniert. Wie erklärt Kindermann doch vielsagend: „Der Weltverband ist extrem glücklich damit, dass der Weltcup in Dresden ausgetragen werden kann.“
Warum ist der Weltcup für Dresden und das Land Sachsen wichtig?
„Eines“, ergänzt Kindermann, „darf man nicht vergessen: So ein Weltcup ist immer auch ein Marketing-Instrument für die Stadt Dresden und den Freistaat Sachsen.“ Rund 80 Millionen Fernsehzuschauer aus aller Welt werden am Wochenende die Bilder von Langläufern vor Dresdens Altstadtkulisse und der Frauenkirche sehen. Dies mache Dresden als Reiseziel bekannt, sagt Corinne Miseer.
Die Geschäftsführerin des Dresdner Stadtmarketings spricht von einer enormen Werbung gerade jetzt inmitten der Corona-Krise, unter der auch der Elbe-Tourismus leide. „Umso wichtiger ist es, positiv wirkende Bilder der Stadt in die Welt zu transportieren“, so Miseer.
Im Innenministerium, das generell nationale und internationale Sportereignisse im Freistaat fördert, sieht man mit dem Weltcup das Image Sachsens als Sportland gestärkt und darüber hinaus eine Vorbildwirkung für den Nachwuchs.

Was passiert sportlich am Wochenende und wie geht es danach weiter?
Zufrieden sind auch die Sportler, die vergangene Woche in Davos und nun eben in Dresden ihrem Beruf nachgehen. Konkret heißt das: Einzelsprint über 1,3 Kilometer (zwei Runden) am Samstag ab 11 Uhr, der Teamsprint dann sonntags ab 10.45 Uhr. Zuschauer sind nicht zugelassen, die ARD überträgt in Ausschnitten. Auch die traditionelle Schul-Ski-Woche fällt aus. Am Heiligen Abend soll alles aufgeräumt sein – bis nächste Saison die fünfte Auflage stattfindet. So lange läuft der Vertrag.
Wie es danach weitergeht, hängt laut Organisator Kindermann auch davon ab, wie sich Stadt und Land positionieren. Er könne weitermachen, „weil wir sehr viel Know-how gesammelt haben und auch ganz viel Renommee in der Welt“. Und auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer ist sichtlich angetan. In seinem Grußwort für den Weltcup hofft er auf den Beginn einer neuen Weihnachtstradition, „die zu Dresden gehört wie der Christstollen und das vom Kreuzchor gesungene Weihnachtsoratorium“.
Transparenzhinweis: Die DDV Mediengruppe, zu der Sächsische.de gehört, unterstützt den Ski-Weltcup als „Skiweltcup Dresden Partner“.