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Die Karrierepläne der besten Biathletin Deutschlands

Olympiasieg und Staffel-Bronze: Denise Herrmann spricht nach dem Ende der Biathlon-Saison über ihre Erfolge, ihre Kritiker und ihre Pläne für die Zukunft.

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Vertritt Denise Herrmann auch im nächsten Winter Biathlon-Deutschland? Die 33-Jährige knüpft ans Weitermachen Bedingungen, verrät sie im SZ-Interview.
Vertritt Denise Herrmann auch im nächsten Winter Biathlon-Deutschland? Die 33-Jährige knüpft ans Weitermachen Bedingungen, verrät sie im SZ-Interview. © Picture All

Frau Herrmann, Sie sind mit zwei Medaillen aus Peking zurückgekehrt. Waren das rückblickend auch Ihre persönlichen olympischen Momente dieser Spiele?

Da gab es einige. Mit der Goldmedaille im Einzelrennen ist etwas in Erfüllung gegangen, von dem ich schon als Kind geträumt habe und wofür ich jeden Tag motiviert zum Training gegangen bin. Aber es gab auch Momente, die nichts mit Biathlon zu tun hatten. Ich denke an die Staffel und den Teamsprint der Langläuferinnen, zu denen ich durch meine Vergangenheit eine persönliche Beziehung habe.

Auf Ihrer Homepage ist der Olympiasieg noch gar nicht angekommen. Und bei Ihnen selbst?

Auch noch nicht. Die Saison ging nach den Spielen gleich straff weiter, und sie ist erst seit gut einer Woche zu Ende – da blieb kaum Zeit, um das richtig Revue passieren zu lassen. Ich merke das, wenn mich jemand als Olympiasiegerin anspricht. Da habe ich das Gefühl, dass ich gar nicht gemeint bin. Das hört sich für mich total verrückt an. Ich muss wahrscheinlich erst mal richtig zur Ruhe kommen, um das alles zu realisieren.

Ist der Umstieg von den Skilangläuferinnen ins Biathlon-Lager vor sechs Jahren für Sie erst durch die beiden Medaillen zu einem richtig erfolgreichen Wechsel geworden?

Diese These finde ich schwierig. Natürlich macht man Sport, um am Ende erfolgreich zu sein. Aber das tägliche Training muss Spaß machen, sonst klappt es nicht. Und mir hat es Spaß gemacht, deshalb hat es sich aus meiner Sicht auch ohne die beiden Medaillen gelohnt, diesen Umstieg zu wagen – und das in jeder Minute. Durch den Olympiasieg habe ich nun eine Bestätigung bekommen, dass es definitiv die richtige Entscheidung war. Das hatte ich aber auch davor nie angezweifelt.

Sie haben unmittelbar nach dem Olympiasieg die Kritiker gegrüßt und gesagt, dass es für Sie auch eine Genugtuung sei. Was hat Sie an den Berichten und Kommentaren davor gestört?

Damit habe ich nicht nur die Medien gemeint. Ich hatte vor der Saison gesagt, dass mein Fokus komplett auf Olympia liegt und deshalb einige Ergebnisse im Weltcup vielleicht nicht so sein werden wie gewohnt. Und so kam es ja auch. Da wurde dann das Umfeld nervös, es gab Kritik vor allem nach nicht so tollen Ergebnissen mit der Staffel. Alles außerhalb des Podiums ist gleich schlecht – das ist eine Tendenz, die ich beobachte. Für einen Sportler zählt aber noch ein bisschen mehr als das reine Medaillensammeln. Und Biathlon ist nun mal ein Sport, bei dem man nicht weiß, was passiert, wenn man an der Startlinie steht. Da muss man sich alles hart erarbeiten. Es gibt in der Spitze inzwischen viele richtig gute Athletinnen, die Dichte ist enorm hoch.

Finden Sie, dass Platzierungen jenseits der top 3 in der Öffentlichkeit zu wenig gewürdigt werden?

Da muss man differenzieren. Eine Athletin wie ich, die schon einige Mal auf dem Podium stand, erwartet kein Lob für einen 30. Platz. Aber es gibt auch die 20-Jährige, die vielleicht das erste Mal im Weltcup dabei ist. Weil sie aus Deutschland kommt, wird dann erwartet, dass sie sofort vorne landet. Dabei ist ein 30. Platz für sie ein gutes Ergebnis. Es ist nicht mehr wie vor zehn Jahren, dass die deutschen Frauen immer alles gewinnen. Die Kritik fand ich teilweise schon etwas überzogen.

Trotz der Fokussierung auf Olympia ging es bei Ihnen beim Saisonauftakt gleich gut los mit einem dritten Platz. Doch dann kam der Januar mit Platzierungen jenseits der 20 oder sogar 30. Wie groß waren bei Ihnen die Zweifel, dass der Plan doch nicht aufgehen könnte?

Der Weg war das Ziel – das musste ich mir schon immer mal wieder sagen und vor allem geduldig bleiben. Aber mir war klar, dass ich nicht ein halbes Jahr in Top-Form herumlaufen kann, sondern mich auf einen gewissen Zeitraum konzentrieren muss. Dann kommen im Laufe einer Saison Krankheiten hinzu, auch die Impfung ist eine Belastung fürs Immunsystem – das sind alles Dinge, die man mitunter von außen nicht so einschätzen kann. Ich habe dann einige Rennen ausgelassen und letztlich meine Lockerheit wiedergefunden – das war bei den Olympischen Spielen mein Erfolgsrezept.

War die größte Herausforderung für Sie im vergangenen Winter, die nötige Geduld aufzubringen?

Es gab sicher Momente, da hatte ich die ein bisschen verloren. Da brauchte ich ein intaktes Umfeld, das mich gestärkt hat, in dem, was ich mache. Das sind zwei, drei Leute, mit denen ich die Situation ganz klar analysiere. Da wird dann nicht um den heißen Brei herumgeredet, sondern ganz nüchtern besprochen, ob man eventuell an gewissen Stellen etwas um einige Prozente korrigieren muss.

Das Besondere an Ihrem Olympiasieg war auch, dass Sie im Einzel gewonnen haben, der Disziplin also, bei der man keine Strafrunde drehen muss, sondern bei einem Fehler eine satte Minute draufgebrummt bekommt. Dabei ist Ihr Schießen nicht das konstanteste.

Wenn man sich meine Ergebnisse der vergangenen Jahre anschaut, stellt man fest, dass ich im Einzel schon häufiger auf dem Podium stand. In den vergangenen beiden Jahren habe ich in dieser Wettkampfform bis zum Schluss sogar um den Disziplinenweltcup mitgekämpft. Aber das Einzel wird halt selten ausgetragen, vielleicht ist das deshalb nicht so präsent.

Im Biathlon beginnt jetzt die Urlaubszeit. Sie zieht es da gewöhnlich ans Meer, ins Warme. Welches Ziel ist in Coronazeiten realisierbar?

Ich fliege nach Abu Dhabi. Daheim kann man nicht wirklich richtig abschalten. Und man muss dem Körper mal Ruhe gönnen.

Wie geht es nach dem Urlaub weiter?

Das ist eine gute Frage.

Sie haben gesagt, dass Sie die Entscheidung, ob Sie weitermachen oder nicht, auch davon abhängig machen, ob das Gesamtpaket stimmt und ob Sie von der Zusammensetzung des Teams überzeugt sind. Was meinen Sie damit?

Um Höchstleistungen bringen zu können, muss einiges stimmen. Und wenn man wie ich schon einige Jahre dabei ist, weiß man, was da alles konkret stimmen muss. Wenn das gegeben ist, schließe ich nicht aus, dass ich noch ein bisschen was dranhänge an meine Karriere. Aber jetzt will ich erst einmal alles sacken lassen, dann wird es zeitnah eine Entscheidung geben. Grundsätzlich bin ich gesund und auch die vergangenen Jahre immer gut durchgekommen. Da würde also grundsätzlich nichts im Wege stehen.

Inwieweit spielt die Heim-WM nächste Saison in Oberhof eine Rolle bei Ihrer Entscheidung?

Ganz klar: Oberhof wäre noch einmal ein Riesenziel. Vor allem wäre es schön, wenn nach zwei Jahren wieder Zuschauer kommen könnten und man die Stimmung erlebt, für die Oberhof bekannt ist. Am Birxstieg von den Fans hochgetrieben zu werden, ist einmalig.

Das Gespräch führte Daniel Klein.