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Exklusiv-Interview: Eisläufer Savchenko/Szolkowy über Streits und neue Pläne

Aljona Savchenko und Robin Szolkowy sind Deutschlands erfolgreichstes Eislauf-Paar - und nach knapp zehn Jahren gemeinsam zurück auf dem Eis. Im Exklusiv-Interview erzählen sie, was war und was jetzt kommen soll.

Von Michaela Widder
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Zurück auf dem Eis: Aljona Savchenko und Robin Szolkowy treten wieder gemeinsam bei Shows auf und verraten im Interview ihre Pläne.
Zurück auf dem Eis: Aljona Savchenko und Robin Szolkowy treten wieder gemeinsam bei Shows auf und verraten im Interview ihre Pläne. © Andreas Kretschel

Chemnitz. Nirgendwo haben sie so viele Runden gedreht wie in der alten Trainingshalle im Küchwald. In Chemnitz reiften Aljona Savchenko und Robin Szolkowy gemeinsam zu Weltklasse-Athleten auf dem Eis. Zusammen wurden sie fünfmal Weltmeister und gewannen zweimal die olympische Bronzemedaille. Nach der Trennung 2014 ging jeder seiner Wege - und beide zogen aus Chemnitz weg. Fast zehn Jahre später sind sie zurück als Nachwuchstrainer. Ihr gemeinsames Ziel: Die Eislauftradition in Chemnitz wiederbeleben.

Aber nicht nur das. Seit einiger Zeit sorgen Savchenko und Szolkowy für großes Staunen, denn sie drehen auch wieder gemeinsam ihre Runden auf dem Eis. An diesem Wochenende haben sie ihren ersten Showauftritt - beim Weihnachtskonzert von Stargeiger André Rieu in Maastricht. Vor dem großen Comeback auf dem Eis gaben sie Sächsische.de ein exklusives Interview.

Aljona und Robin, nach der Trennung 2014 sprachen Sie einige Zeit kein Wort mehr miteinander. Jetzt arbeiten Sie in Chemnitz nicht nur als Trainer zusammen, sondern sie laufen beide auch wieder gemeinsam auf dem Eis. Wie kam es dazu?

Szolkowy: Als wir darüber geredet haben, dass auch Aljona als Trainerin zurück nach Chemnitz kommt, habe ich es mal aus Spaß in den Raum gestellt. Anfang des Jahres waren wir dann mal eine Stunde zusammen auf dem Eis, mehr aus Spaß natürlich. Wir haben ein bisschen rumgegeigelt - doch da schon gemerkt, vom Gefühl passt es. Dann haben wir mal was aufgenommen, um zu sehen, ob unser Gefühl auch stimmt. Und so völlig verkehrt sah es nicht aus.
Savchenko: Ich liebe dieses Gefühl auf dem Eis. Wenn ich auf dem Eis bin, komme ich auf andere Gedanken, kann völlig abschalten. Wenn man das so gern macht, warum nicht wieder versuchen. Ich genieße es.

Robin, Sie haben bereits 2014 Ihre aktive Karriere beendet. Wie erging es Ihnen das erste Mal wieder gemeinsam auf dem Eis?

Szolkowy: Ich hatte neun Jahre Pause. Wenn ich im Paarlauf unterrichtet habe, dann habe ich höchstens mal kleine Mädchen hochgehoben, aber die ganzen Jahre nie mehr was Richtiges auf dem Eis gemacht. Man weiß, wie es geht, das ist im Kopf noch verankert. Nach dem ersten Training hatte ich schon zwei, drei Tage ordentlich Muskelkater. Dann war schnell klar, das wird immer besser. Wenn es also funktioniert und Leute uns noch sehen wollen, dann versuchen wir es.

Und wie war das erste Gefühl bei Ihnen, Aljona?

Savchenko: Auf jeden Fall hat es Spaß gemacht. Ich hatte keinen Muskelkater - weil ich die letzte Zeit ja schon wieder sehr aktiv war. Als Trainerin bin ich immer mit Schlittschuhen auf dem Eis und zeige viel.

Gab es in Ihren Leben überhaupt mal eine längere Phase ohne Schlittschuhe?

Savchenko: Ich habe aufgehört, als ich schwanger war. Ich war von einem Tag voll beschäftigt auf den anderen Tag null beschäftigt, lag im Bett, konnte nichts machen, war im Schlafmodus. Davor war ich 24 Stunden aktiv - und plötzlich konnte ich nicht mal mehr ein paar Schritte gehen. Die Schwangerschaft und auch danach die Corona-Zeit haben mich schon ganz schön rausgehauen.

Verlernt scheint das Eiskunstlauf-Paar nichts zu haben. Dennoch müssen sie vor ihrem ersten Show-Auftritt fleißig in Chemnitz üben.
Verlernt scheint das Eiskunstlauf-Paar nichts zu haben. Dennoch müssen sie vor ihrem ersten Show-Auftritt fleißig in Chemnitz üben. © Andreas Kretschel

Am Samstag (9.12.) haben Sie Ihren ersten gemeinsamen Showauftritt beim Weihnachtskonzert von André Rieu. Wie oft trainieren Sie jetzt zusammen?

Savchenko: Gedanklich 24 Stunden.
Szolkowy: Wir trainieren eigentlich immer, wenn es sich anbietet. Wenn die Eisläufer jetzt auch oft bei Wettkämpfen sind, ist immer mal eine Stunde frei.
Savchenko: Wir laufen, wenn wir uns danach fühlen. Nach elf Jahren Zusammenlaufen kann man auch nach ein paar Tagen ohne Training wieder auf dem Eis stehen und sagen: Wir machen einen Wurf. Und es funktioniert.

Ist es tatsächlich so einfach?

Szolkowy: Zum Vereinsfest im Sommer sind wir gefragt worden und haben eine kurze Nummer mit vier, fünf Elementen gezeigt. Das Gute bei uns ist: Wir gehen aufs Eis und dann wird abgeliefert. Das war früher schon so, und das geht immer noch. Nach der langen Pause war das Programm zum Vereinsfest ein guter Testlauf.

Die ersten Eindrücke vom Eis zeigen: Sie bieten mehr als nur Show. Was haben Sie in Ihrem Repertoire?

Szolkowy: Einen doppelten Wurf-Axel und zwei verschiedene Dreifach-Würfe haben wir schon drauf. Man muss aber auch aufpassen, jetzt nicht von 0 auf 100 Prozent zu gehen. Von 0 bis 80 Prozent - das haben wir drauf, es geht um die letzten 20 Prozent. Aber die Frage ist, ob man das wirklich braucht. Wir können es schon richtig einschätzen, was wir einfach gut können und woran wir noch arbeiten müssen. Und Olympia kommt ja nicht mehr infrage - zumindest nicht für mich (lacht). Was immer unser großes Ding war, war das Eislaufen und dabei das Gefühl zu transportieren.

Und das verlernt man offenbar nicht.

Szolkowy: Die Harmonie ist da, und jetzt läuft es sogar noch besser, ehrlicher - weil wir miteinander reden. Wir haben keinen Trainer, der an der Bande steht. Ingo (Steuer/Anm. d. Red.) hat es nie böse gemeint, er war immer da, wollte vermitteln – und jetzt müssen wir es miteinander klären. Am Anfang, als wir wieder richtig trainiert haben, meinte ich zu Aljona: Schalt‘ mal bitte einen Gang runter. Ich weiß gar nicht, welche Schräglage meine Schlittschuhe noch können. Bei mir fängt der Grenzbereich sehr früh an. Da muss man sich herantasten. Aljona hatte sich ja dann noch ein paar Jahre auf Bruno (Massot /Anm. d. Red.) eingestellt, er hat anders geworfen, weil er einen Kopf größer war – ein Tier im Gegensatz zu mir. Ich habe mit ihr aufgehört. Wenn sich mein Kopf erinnert, dann an Aljona.

Früher haperte es oft an der Kommunikation. Wie erleben Sie jetzt die Zusammenarbeit - auch an der Bande?

Savchenko: Alles, was in der Vergangenheit war, hat uns stärker gemacht. Wir haben beide unsere Erfahrungen gesammelt – und dabei auch Fehler gemacht. Ich finde die Zusammenarbeit mit Robin sehr angenehm. Das Verständnis füreinander ist viel mehr da als früher. Wir reden direkt miteinander. Das tut uns gut.
Szolkowy: Es funktioniert. Es gab mit Sicherheit schon genug Momente, in denen der eine dem anderen die Butter vom Brot hätte nehmen können, um sich zu bereichern an Geld oder Image. Es funktioniert, dass merke ich auch an der Informationsflut mir gegenüber. Da kann eigentlich nichts mehr sein, was Aljona für sich behält. Und ich teile natürlich auch alle Dinge, die uns beide etwas angehen.

Sind die Streitigkeiten von früher damit komplett beseitigt?

Szolkowy: Ja. Das ist jetzt so ein Ding, auf das man sich komplett einlässt – oder eben nicht. Und ich habe das Gefühl, dass wir uns beide darauf einlassen. Wir wissen, wie es ist, wenn es schiefgeht, wenn man sich wegen Sinnlosigkeiten streitet. Eigentlich war es damals Kindergarten, wurde aber auch hochgekocht. Und jeder hatte zu lange etwas mit sich herumgetragen. Wir sind unterschiedliche Typen, aber jeder hat seinen Part, den er besser kann. Und dann sagt der andere: Okay, das überlasse ich Dir. Es fühlt sich jedenfalls gut an.

Ihren ehemaligen Trainer Ingo Steuer sehen die beiden beim Üben im Chemnitzer Küchwald ebenfalls wieder.
Ihren ehemaligen Trainer Ingo Steuer sehen die beiden beim Üben im Chemnitzer Küchwald ebenfalls wieder. © Andreas Kretschel

Während Robin schon einige Zeit länger zurück in Chemnitz ist, sind Sie es seit Frühjahr. Haben Sie sich mittlerweile wieder eingelebt?

Savchenko: Ich bin noch in der Phase, mich hier zu finden. Ohne meine Eltern würde das nicht funktionieren, sie sind eine große Hilfe. Mit einem kleinen Kind ist man schon Vollzeit beschäftigt. Ich bin auch noch nicht ganz angekommen, weil es ein paar Baustellen gibt.

Eine ist die alte Trainingshalle. Hat sich hier seit Ihrem Weggang 2014 überhaupt etwas verändert?

Savchenko: Ich glaube, es hat sich nichts geändert, seitdem Jutta Müller hier gearbeitet hat.

Was müsste aus Ihrer Sicht am dringendsten gemacht werden?

Savchenko: Wir brauchen eine neue Halle oder sie muss komplett saniert werden.
Szolkowy: Die Frage ist, ob eine Sanierung überhaupt Sinn macht. Als wir damals gelaufen sind, kam durch bloße Schwingungen der Rost vom Dach aufs Eis geflogen. Wenn es regnet, stehen überall kleine Töpfe herum, weil es reintropft. Das ist wahrscheinlich schon seit 30 Jahren so. Und wenn es richtig schneit, bekommt das Management der Eishalle langsam Kopfweh, weil keiner weiß, wieviel das Dach aushält.

Wie fällt jetzt Ihr erstes Fazit nach ein paar Monate als Trainer aus?

Szolkowy: Es ist gut angelaufen. Es gib natürlich auch ein paar Baustellen vor Ort, zum Beispiel die Eisbelegungen. Da ist die Frage, wie man für jeden das Beste herausholen kann. Manche Eiszeiten wie mittags sind leer, andere komplett voll. In Oberstdorf gibt es zum Beispiel ein Online-Buchungsportal, so was haben wir hier nicht.
Savchenko: Ja, es ist auf der einen Seite positiv. Wir sind hier, um mitzuhelfen und ein bisschen frischen Wind zu bringen. Aber man hat schon gemerkt, dass hier viele Baustellen sind. Dafür muss man ein gutes Händchen haben. Und mit zwei jungen Einzelsportlerinnen kommt man nicht weit. Es muss hier also noch mehr passieren. Wir hatten auch schon Läufer aus Dresden, Berlin, Mannheim und Litauen da. Wenn Athleten von außerhalb kommen, dann helfen wir uns gegenseitig und natürlich auch dann, wenn der eine mal nicht kann.
Szolkowy: Ich hatte zuletzt ein Nachwuchspaar, das hat sich leider getrennt. Jetzt im Dezember ist beispielsweise die Hauptverantwortliche für die 1. Klasse nicht da, da springen wir mit ein und helfen aus.

Und wollen Sie in Zukunft auch das Standbein mit den Showauftritten ausbauen?

Savchenko: Ja, aber das muss erst alles ein bisschen anlaufen.
Szolkowy: Die meisten Showveranstalter haben noch mit Corona zu kämpfen und sind erst wieder am Aufbauen eines klassischen Nummern-Programms. Die meisten sagen schon zu uns: Wow! Wenn sie aber dann daran denken, wie man uns verkaufen kann, sind sie noch zögerlich, weil wir bisher noch nirgends aufgetreten sind. Das wird also noch ein bisschen dauern, bis es richtig anläuft.