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Skitalente sollen künftig auch aus Dresden kommen

Trotz der Erfolge bei der Nordischen Ski-WM in Planica sorgt sich der Skiverband um den Nachwuchs. Auf einem Dresdner Eisoval läuft nun ein einmaliges Projekt – mit prominenter Beteiligung.

Von Daniel Klein
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er Lehrmeister zeigt, wie es geht: Tobias Angerer demonstriert den Kindern auf dem Dresdner Eisoval den richtigen Armschwung.
er Lehrmeister zeigt, wie es geht: Tobias Angerer demonstriert den Kindern auf dem Dresdner Eisoval den richtigen Armschwung. © SZ/Veit Hengst

Dresden. Als die Mädchen und Jungen die schmalen Ski anschnallen, fallen Schneeflocken vom Himmel. Besser hätte das Timing nicht sein können, Winterwetter bei den ersten Gehversuchen auf den Langlauf-Latten. Mit Tobias Angerer haben die Schüler der 1. bis 3. Klasse einen prominenten Lehrmeister. Der 45-Jährige gewann bei drei Olympischen Spielen vier Medaillen.

„Ich bin nicht der Herr Angerer, ich bin der Tobi“, stellt sich der Bayer am Montagvormittag bei den Kindern vor. Die Gruppe steht auf dem Freiluftoval neben der Dresdner Eishalle, auf dem in den vergangenen Monaten Schlittschuh gelaufen wurde. Die Kühlaggregate sind nun abgeschaltet, durch den aufgetragenen Eisabrieb liegt eine dünne, weiße Pulverschicht auf der 333 Meter langen Bahn. „Für die klassische Technik ist das absolut ausreichend“, sagt Angerer.

In dieser Woche werden insgesamt 600 Schüler aus Dresden und der Region den in mehreren Stationen aufgebauten Parcours bewältigen. Die Idee ist nicht neu, der Ort schon. Seit 2018 wurde der weiße Belag vom Skilanglauf-Weltcup am Elbufer genutzt. Nach den Weltmeistern kamen die Anfänger. Den Weltcup gibt es nicht mehr, das Projekt „Schulsport auf Ski“ aber weiter. „Es geht darum, dass die Kinder eine Sportart entdecken, ausprobieren, erleben können“, erklärt Angerer. „Und sie lernen ganz schnell. Nach einigen Hinfallern zu Beginn haben sie den Dreh raus.“

Die Jüngsten sind mit viel Eifer dabei und haben Spaß an der für die ungewohnten Sportart.
Die Jüngsten sind mit viel Eifer dabei und haben Spaß an der für die ungewohnten Sportart. © Foto: SZ/Veit Hengst

Angerer gründete nach seinem Karriereende 2014 eine Sportmarketing-Agentur, betreut die Biathlon-Olympiasiegerin Denise Herrmann-Wick. Nebenbei ist er Vizepräsident des Deutschen Skiverbandes (DSV) und blickt nicht nur mit einem Auge zur Nordischen Ski-WM in Planica, wo die Springer und Kombinierer gerade Medaillen einsammeln. Langläuferin Katharina Hennig aus Oberwiesenthal greift nach einem vierten Platz zum Auftakt in den nächsten Tagen wieder an. Die 26-Jährige hatte bei den Winterspielen in Peking im Teamsprint gemeinsam mit Victoria Carl sensationell Gold gewonnen.

Angesichts des Klimawandels und des Schnees, der selbst in klassischen deutschen Wintersportgebieten immer mehr zur Mangelware wird, stellt sich jedoch die Frage: Wie lange gibt es noch genügend Talente? Angerer, der zweimal den Gesamtweltcup gewann, ist da nicht pessimistisch. „Wir haben bei uns in der Region mehr Nachwuchs als vor zehn Jahren“, erklärt er. „Aber man braucht attraktive Angebote, muss die Kinder mit Events locken. Sie kommen nicht mehr von alleine.“ Angerer lebt mit seiner Familie im Chiemgau, seine Frau, die ehemalige Biathletin Romy Groß, stammt aus Dresden. Deshalb kennt er sich in Sachsen bestens aus. Das Skischulprojekt sieht er als einen ersten Schritt. „Die Anmeldung bei einem Verein wäre der nächste.“

Damit die Geschicktesten unter den Langlauf-Anfängern nach dem Schnupperkurs weitermachen, ist Philipp Ebell auf dem Eisoval dabei. Der 33-Jährige kümmert sich als Landestrainer hauptberuflich um den Nachwuchs. Sachsens nordische Skizentren sind Oberwiesenthal und Klingenthal, Dresden gehört bisher nicht dazu. Ebell findet die Idee, hier auf einem Eisoval zu laufen, dennoch alles andere als exotisch. „Bei den Sachsenmeisterschaften standen vor einigen Wochen in einer Altersklasse drei Dresdner auf dem Podium. Und der Skiklub Dresden-Niedersedlitz wurde 2022 in unserem Verband zum Verein des Jahres gewählt, weil sie dort eine richtig gute Nachwuchsarbeit machen. Natürlich fahren sie in der kalten Jahreszeit auch öfter in die Wintersportorte, aber Skilanglauf ist ein Ganzjahressport. Da kann man ganz viel ohne Schnee machen, nicht nur auf Skirollern.“

In den vergangenen Jahren engagierte sich Tobias Angerer (links) auch beim Sprint-Weltcup am Dresdner Elbufer hier 2018 neben Oberbürgermeister Dirk Hilbert.
In den vergangenen Jahren engagierte sich Tobias Angerer (links) auch beim Sprint-Weltcup am Dresdner Elbufer hier 2018 neben Oberbürgermeister Dirk Hilbert. © Thomas Eisenhuth

Gefragt sind also kreative Ideen – und witterungsunabhängige. Die Nachnutzung eines Eisovals als Langlaufrunde ist deutschlandweit einmalig. „Vielleicht sehen das andere Großstädte und kopieren das“, hofft Angerer, der zudem anregt, das Areal künftig generell zweigleisig zu nutzen. Mit einer Verbreiterung der Bahn wäre das aus seiner Sicht machbar.Auch im WM-Ort Planica macht man sich Gedanken um den Nachwuchs. „Wichtig ist, dass wir Kindern und Jugendlichen das Element Schnee nahebringen. So eine WM und solche Erfolge erzeugen ja was. Die Kinder wollen das machen, die wollen sich da probieren“, findet der Sportliche Leiter Andreas Schlütter.

Langlauf-Teamchef Peter Schlickenrieder will den Mangel an Schnee nicht als Begründung für nachlassende Begeisterung der Jugendlichen gelten lassen. Wichtig seien Trainer und Ehrenamtliche vor Ort. „Da ist es fast egal, ob es Schnee hat oder nicht. Weil, dann geht man halt auf Skiroller. Wenn man ein guter Langläufer werden will, muss man nicht in Oberstdorf aufgewachsen sein“, stellte Schlickenrieder klar. Für ihn steht die Freude an der Bewegung im Vordergrund: „Hauptsache man hat Spaß und ist draußen.“

Diese Kriterien werden in Dresden auf jeden Fall erfüllt. „Habt ihr Spaß?“, fragt Angerer die Kinder nach der ersten halben Stunde. „Ja“, antworten die im Chor unüberhörbar. (mit dpa)