Von Stephan Klingbeil
Pirna. Ein paar Runden drehen sie noch in der Turnhalle des Beruflichen Schulzentrums in Pirna. Dann steht Gymnastik an. Und zum Schluss noch Glühwein in gemütlicher Runde. Nach dem letzten gemeinsamen Hallentraining vor Weihnachten geht erneut ein erfolgreiches Jahr für das „Wolfsrudel“ zu Ende. Die Lauf-Asse dieser Ü-30-Trainingsgruppe des Leichtathletiksportvereins Pirna (LSV) haben auch 2017 viele Titel und Podestplätze gesammelt.
Zuletzt erhielten sie die Urkunde für Platz zwei in der Vereinswertung der diesjährigen Bezirksrangliste Dresden. Dabei wurden die besten Ergebnisse aus 14 Rennen zusammengezählt. Dass Pirnas Läufer bei der 39. Auflage dieser beliebten Laufserie wieder zu den Stärksten zählten, verwundert kaum. Denn schon seit vielen Jahren räumen die LSVler aus dem „Wolfsrudel“ bei Wettkämpfen ab – regional, national, international. Allein dieses Jahr errangen die Routiniers in der Halle, auf der Bahn und im Gelände 75 Medaillen bei Landesmeisterschaften, deutschen Titelkämpfen und der Senioren-EM in Aarhus.
Bei dem internationalen Höhepunkt in Dänemark war es einmal mehr der zweifache Sportler des Jahres im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Dieter Müller, der in seiner Altersklasse M 60 dreimal Edelmetall holte. Eine Premiere feierte Vereinskollege Günter Werrmann. Im Laufe der Zeit konnte der 79-Jährige in verschiedenen Altersklassen mehr als 100 Siege erringen. Doch ein Titel blieb ihm verwehrt: „Fünf-, sechsmal habe ich bei deutschen Meisterschaften Silber geholt, doch diesmal hat es endlich geklappt mit Gold“, so der Pirnaer. „Da war ich glücklich.“
Der Verein
Werrmann ist schon lange mit dabei. Er ruderte einst bei der BSG Fortschritt Pirna, aus deren Leichtathletikabteilung 1990 der LSV entstand. Entdeckt wurde er bei einem Waldlauf der Ruderer noch zu DDR-Zeiten – von Klaus Müller. Der im vorigen Jahr im Alter von 74 Jahren verstorbene Pirnaer war seit den 1960er-Jahren Trainer und auch Sektionsleiter Leichtathletik der BSG Fortschritt. Er baute das Trainingszentrum in Pirna mit auf, in dem Generationen von Sportlern das Einmaleins des Laufens, Springens und Werfens erlernten. Viele von ihnen schafften in den 70er- und 80er-Jahren den Sprung zum SC Einheit Dresden, dem heutigen DSC, und feierten später internationale Erfolge.
Von Pirna zum großen Erfolg
Müller führte viele Athleten in die Kaderschmiede. Zum Beispiel Ramona Neubert, die Siebenkampf-Weltmeisterin von 1983, DDR-Speerwurfmeisterin Ute Richter und 400-Meter-Ass Carsten Petters. Auch Ellen Kießling, die 1990 EM-Silber über 1 500 Meter holte, zählte zu seinen Schützlingen, ebenso wie Juniorenweltmeister Wolfram Müller. Auch René Herms, der 2009 verstorbene mehrfache Deutsche Meister über 800 Meter, gehörte zu den Sportlern, die von Müller beim LSV trainiert wurden. In der jüngeren Vergangenheit war es die heute 19-jährige Theresa Hauffe, die beim LSV entdeckt und nach ihrem Wechsel zum Dresdner SC 2015 Deutsche U-18-Vizemeisterin wurde.
Der oft unbequeme Müller engagierte sich sehr für den LSV. Mit Gleichgesinnten entwickelte er den Klub zu einem Topverein, in dem unter anderem auch der mittlerweile fünffache Bobweltmeister Francesco Friedrich seine Sportkarriere begann.
Der Mitte der 1990er-Jahre abgeschlossenen Umbau des Kohlbergstadions mit alter Aschenbahn zu einer modernen Leichtathletikanlage ist ebenso Müllers Beharrlichkeit zu verdanken – und dem Einsatz weiterer Mitglieder des Pirnaer Vereins.
Mittlerweile ist es aber ruhiger geworden beim LSV. Erfolgreiche Leistungssportler wie noch vor einigen Jahren sind seit längerer Zeit nicht mehr geformt worden. Dafür gibt es neben den titelhungrigen Senioren-Sportlern auch wieder einige Talente im Juniorenbereich.
Darüber hinaus entsteht womöglich eine Kooperation mit anderen Vereinen zur Nachwuchsförderung. Unter der ehemals vom LSV zum VfL Pirna-Copitz gewechselten neuen Regionaltrainerin Mandy Schneider soll die Talentsichtung vorangetrieben werden. Erste Gespräche habe es schon gegeben, bestätigt der LSV-Vorsitzende Frank Protze-Lindner. Dieser zählte wie Klaus Müller zu den Gründungsmitgliedern der Klubs. „Wir wollten damals die Kräfte bündeln, was außerhalb von so einem großen Verein wie Fortschritt besser klappen sollte“, erklärt Protze-Lindner, der seit 2011 Vereinschef ist. Die Mitgliederzahlen sind in den letzten Jahren stabil geblieben – bei etwa 300.
Wolfsrudel auf Nachwuchssuche
Etwa 40 davon sind in der „Wolfsrudel“-Trainingsgruppe organisiert. Diese hatte sich 2006 in der jetzigen Form gegründet. Mit ihrem Namen erinnert die Truppe an ihren vor sechs Jahren verstorbenen Trainer Jochen Wolf, der schon lange zuvor den Seniorensport bei den Pirnaer Leichtathleten geprägt hatte. Seine Erben als Übungsleiter des Rudels sind Lehrer Frank Losinski und Gunther Hörichs, der im Bankbereich tätig ist. Beide erstellen in ihrer Freizeit die Trainingspläne für die Rudelmitglieder und sind selbst begeisterte Läufer: Das ist ein guter Ausgleich zum Beruf, sagen sie.
Immer wieder unternimmt das „Wolfsrudel“ gemeinsame Ausflüge, startet an den Wochenenden bei oft schweißtreibenden Wettkämpfen. Neue Mitglieder sind willkommen. Dazu lädt die Gruppe regelmäßig zum „Wolfsrudelrevierguide“ ein. Der nächste findet am 7. Januar unter dem Motto „Der Spitzberg ruft!“ statt. Los geht’s ab 10 Uhr im Stadion.