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Sprungbrett ins Neißewasser

Die SZ erinnert an Zittauer Gebäude und Menschen, die alle kennen, obwohl sie nicht mehr da sind. Heute: Zittaus Neißebad.

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Von Rolf Hill

Kaum einer der zahlreichen Passanten, die täglich die Grenzbrücke an der Zittauer Friedensstraße überqueren, richtet einen Blick hinüber zur unmittelbar hinter dem Fuß- und Radweg beginnenden Kleingartenanlage „Einheit“. Dabei handelt es sich hier um geschichtsträchtiges Gelände. Herbert Stöcker weiß Näheres zu berichten. Er ist einer der beiden langjährigen Chronisten des Gartenvereins, der in diesem Jahr sein 70-jähriges Jubiläum feiern konnte. „Bereits 1868 befand sich an der damaligen Grottauer Straße, direkt an der Neiße, das Garnisonsbad der Stadt Zittau“, heißt es in seinen Unterlagen. „Im Jahre 1893 erfolgte dann der Abschluss eines Pachtvertrages zwischen der Stadt Zittau und der Königlichen Garnisonsverwaltung.“ Im Mai 1914 wurde es schließlich als Licht- und Luftbad unter dem Namen „Neißebad“ eröffnet. In den nächsten Jahren erfolgte ein teilweiser Ausbau. Sprungbretter wurden installiert und zwei Kähne angeschafft.

Allerdings musste der Betrieb aufgrund der Verlegung des Neißebetts in den Jahren 1926 bis 1933 eingestellt werden. Doch bereits im Mai 1928 wurde das neue, im Bett des Papiermühlgrabens eingelassene Bad eröffnet. Es war von Mai bis September geöffnet und entwickelte sich schnell zu einer beliebten Sport- und Freizeitanlage. Wie Herbert Stöcker aus Umfragen erfuhr, gab es zu jener Zeit im Wohnumfeld viele Arbeitslose und kinderreiche Familien. Die freuten sich natürlich ganz besonders darüber, dass der Eintritt kostenlos war. Das Becken war mit einem Ein-Meter-Sprungbrett ausgestattet. Das Wasser selbst holte man mittels einer Pumpe aus der Neiße. Auf dem Gelände gab es auch einen 1937 vom Reichsarbeitsdienst angelegten Fußballplatz. Neben einem Raum für den Bademeister verfügte die Anlage auch über Umkleideräume und Latrinen. Der Bademeister stellte Holzliegen zur Verfügung und verkaufte Getränke.

An den Wochenenden kam der Eismann in die Anlage. Er machte sich mit einer Glocke lautstark bemerkbar. Ein besonderes Ereignis sei auch die jährliche Überprüfung der Maschinen in der vom Papiermühlgraben gespeisten Mauermann-Mühle gewesen, berichtet Herbert Stöcker. Dabei habe man nämlich immer das Wasser ablassen müssen. Wenn der Graben leer war, fanden sich in den Resttümpeln stets Fische und Flusskrebse, die von den Kindern um die Wette eingesammelt wurden. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges hatte der Badespaß allerdings sein Ende. Die Stadt brauchte das Areal zur Nutzung als Deponie, da sich der bisherige Platz jenseits der Neiße nunmehr auf polnischem Staatsgebiet befand. Weil bereits nach einem Jahr auch hier die Kapazität erschöpft war, gab die Stadt das Gelände zu anderweitiger Nutzung frei. So schlug am 2. Oktober 1946 die Geburtsstunde der Kleingartenanlage „Einheit“.