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Staatsanwaltschaft greift schneller durch

Ist die Sachlage eindeutig, können Amtsgerichte Straftaten sofort ahnden. Ganz unproblematisch ist das aber nicht.

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© dpa

Von Yvonne Popp

Yamen Z. hat ein Alkoholproblem. Und wenn er trinkt, wird er aggressiv. Auch am 20. September war das so. Da hatte der Syrer vor dem Rewe-Markt auf dem Pirnaer Sonnenstein ein Messer gezückt und damit einen anderen Mann massiv bedroht. Bereits eine Woche später, am 28. September, saß der 39-Jährige deswegen auf der Anklagebank des Pirnaer Amtsgerichts. Gefährliche Körperverletzung lautete die Anklage.

Dass der Mann schon nach so kurzer Zeit zur Verantwortung gezogen werden konnte, ist auf ein sogenanntes beschleunigtes Verfahren zurückzuführen. Dieses wird angewandt, wenn der Sachverhalt einer Straftat einfach und die Beweislage klar ist. Im Unterschied zum normalen Strafverfahren kann ein beschleunigtes Verfahren nur durchgeführt werden, wenn die Tat erst kurze Zeit zurückliegt. Die Ladungsfrist zum Gerichtstermin beträgt 24 Stunden, nicht sieben Tage wie üblich. Auch muss die Staatsanwaltschaft keine schriftliche Anklage erheben. Es genügt, wenn sie diese mündlich zu Beginn der Hauptverhandlung zu Protokoll gibt. Das gesamte gerichtliche Vorverfahren fällt damit weg.

Ziel des beschleunigten Verfahrens ist eine schnelle, unmittelbare Reaktion auf eine Tat. Die Strafe soll quasi auf dem Fuße folgen. Im Falle von Yamen Z. war die Sachlage klar, auch wenn er vor Gericht die Tat zunächst bestritt. „Er hat mich hinter meinem Rücken beleidigt, da bin ich zu ihm hin und habe ihn angefasst“, sagte er. Mit angefasst meinte er: am Hals gepackt.

Mit dem Messer habe er den Mann aber nicht bedroht. „Ich hatte eins in der Hosentasche“, räumt er dann auf Nachfrage ein. Ein Obstmesser sei das gewesen, das er erst kurz zuvor für den häuslichen Gebrauch gekauft haben will. Doch Opfer und Zeugen berichteten, dass der Angeklagte, bei dem wenig später ein Blutalkoholwert von 2,29 Promille festgestellt wurde, sehr wohl ein Messer gezogen und damit in Richtung des Halses seines Opfers gezielt hatte. Zum Glück konnte der junge Araber den Hieb abwehren, sodass er nicht verletzt wurde.

So blieb es für den vorbestraften Yamen Z. bei einer versuchten Körperverletzung. Dafür verurteilte ihn Richterin Simona Wiedmer zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten auf Bewährung. Zudem muss der Mann einhundert gemeinnützige Arbeitsstunden leisten.

Seit Anfang September sind die Staatsanwaltschaften in Sachsen angehalten, bei klaren und eindeutigen Sachverhalten sogenannte beschleunigte Verfahren anzustreben. Per Rundbrief hatte Generalstaatsanwalt Hans Strobl sie dazu aufgefordert. Diese Möglichkeit ist nicht neu, wurde allerdings bisher nicht allzu häufig genutzt. Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) hatte den Vorstoß begrüßt, da die Schnellverfahren geeignet seien, das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu erhöhen. Beschleunigte Verfahren können beispielsweise bei Diebstählen, kleineren Drogendelikten, fremdenfeindlichen Straftaten oder Verstößen gegen ausländerrechtliche Bestimmungen angewendet werden.

Im Landkreis werden beschleunigte Verfahren eher vom Amtsgericht in Pirna bearbeitet, weil es das zuständige Haftgericht ist. In den meisten Fällen, wo das Schnellgericht zum Tragen kommt, ist der Täter auf frischer Tat ertappt und verhaftet worden . Jedoch könnten auch am Amtsgericht Dippoldiswalde beschleunigte Verfahren durchgeführt werden. Bisher ist allerdings noch kein entsprechender Antrag der Staatsanwaltschaft dort eingegangen.

Sieben Monate für Schläger

Am Amtsgericht in Pirna ist Ende September noch ein weiterer Mann per Schnellverfahren verurteilt worden. Nur einen Tag, nachdem er einem Polizisten ins Gesicht geschlagen hatte, kassierte ein Türke eine siebenmonatige Haftstrafe ohne Bewährung. Der Mann war auf der Ausländerbehörde des Landratsamtes derart negativ aufgefallen, dass man ihn des Hauses verwies. Als er trotz Hausverbots weiter aggressiv versuchte, seine Forderungen durchzusetzen, musste die Polizei geholt werden. Doch auch das beeindruckte den Türken wenig. Erst trat er um sich, dann schlug er zu. Ob er die sieben Monate tatsächlich absitzen muss, steht derzeit noch nicht fest. Seine Verteidigerin hat Berufung gegen das Urteil eingelegt, denn auch bei beschleunigten Verfahren sind Rechtsmittel wie Berufung oder Revision möglich.

Das Amtsgericht Pirna hat sich auf mehr beschleunigte Verfahren eingestellt. „Ein bis zwei solcher Verfahren pro Monat sollten für uns gut zu bewältigen sein“, sagt Andreas Beeskow, Richter und Pressesprecher. Zwar bringen Schnellverfahren eine erhebliche Zeitersparnis mit sich, jedoch stellen sie das Gericht organisatorisch vor Herausforderungen. Nicht ganz einfach ist nämlich die zeitliche Koordination. Da nicht mehr als sechs Wochen zwischen Tat und Prozess liegen dürfen, muss schnell ein Verhandlungstermin gefunden werden und gegebenenfalls auch ein Pflichtverteidiger. Da diese meist ohnehin schon einen gut gefüllten Terminkalender haben, werde das nicht immer einfach sein, sagt Beeskow. Ein Pflichtverteidiger steht bei Schnellverfahren jedem Angeklagten zu, sobald dieser eine Freiheitsstrafe von über sechs Monaten zu erwarten hat.

Davon abgesehen ist das Amtsgericht Pirna gut gerüstet. Drei Strafrichter bearbeiten hier beschleunigte Verfahren. Zugleich ist eine Geschäftsstellenbedienstete mit der Bearbeitung der Verfahren betraut, so Beeskow. Damit seien alle Voraussetzungen für zügige Verfahren geschaffen.