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Stadt der Fastentücher

Ein vorösterlicher kirchlicher Brauch bescherte Zittau seine wichtigsten Touristenmagnete.

Von Birgit Hilbig
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Die Felsgebilde im Zittauer Gebirge beflügeln die Fantasie.
Die Felsgebilde im Zittauer Gebirge beflügeln die Fantasie. © Foto: TGG Naturpark Zittauer Gebirge

Sie sind die wohl bedeutendsten Schätze der kleinen Stadt im Dreiländereck: die Zittauer Fastentücher von 1472 und 1573. Wie schon der Name verrät, wurden sie ursprünglich in der vorösterlichen Fastenzeit verwendet – um den Altarraum der Kirche zu verhüllen und damit den Blick auf das Allerheiligste zu verwehren. „Zum körperlichen Fasten, zum Beispiel dem Verzicht auf bestimmte Speisen, kam noch ein Augenfasten hinzu“, sagt Daniela Schüler, Pressesprecherin der Städtischen Museen Zittau. Während sich frühe Fastentücher schlicht und vermutlich einfarbig auf ihre Funktion beschränkten, wurden spätere mit Motiven der Heilsgeschichte bestickt oder bemalt. Die kunstvoll bebilderten Zittauer Exemplare sind heute nicht nur in der Fastenzeit, sondern das ganze Jahr über zu bewundern. Das größere und ältere Fastentuch, das in 90 Bildern die biblische Geschichte von der Erschaffung der Welt bis zum Jüngsten Gericht erzählt, wird seit 1999 im Museum Kirche zum Heiligen Kreuz gezeigt. Für das nicht minder wertvolle Kleine Fastentuch wurde 2005 im Kulturhistorischen Museum Franziskanerkloster ein eigener Raum eröffnet. Auf dem Textil ist die Kreuzigung Christi dargestellt, umgeben von den Symbolen der Passion Jesu. Von diesem speziellen Typ gibt es weltweit nur noch acht Exemplare.

Tolerante Oberlausitz

„Eine weitere Besonderheit des Kleinen Fastentuchs ist die Tatsache, dass es von einer protestantischen Gemeinde in Auftrag gegeben wurde“, so Daniela Schüler. „Denn der Brauch des Altarverhüllens ist eigentlich katholisch, und mit der Reformation wurden die Tücher meist aus den Kirchen verbannt.“ Luther zählte sie zum „päpstischen Gaukelwerk“ – in der Oberlausitz sah man das aber wohl toleranter.

Nur wenige wissen, dass es neben diesen beiden Zittauer Fastentüchern noch ein drittes in der Stadt gibt: eine kostbare Kopie des Turiner Fastentuchs. „Die ist tatsächlich nur in der Fastenzeit zu sehen“, sagt die Pressesprecherin. „In der katholischen Marienkirche lebt der Brauch weiter.“ Alljährlich am ersten Sonntag nach Aschermittwoch werde in Zittau die sogenannte „Drei-Tücher-Fahrt“ veranstaltet; das Thema bezieht sich jeweils auf ein Bild aus dem Großen Fastentuch. „Diesmal ging es um Judas und den Verrat.“ Kopien der beiden Zittauer Tücher hängen übrigens in zwei Kirchen von Osnabrück.

Nach Löbau und ins Gebirge

Ostern ist für die Zittauer nicht nur das Ende der Fastenzeit, sondern auch der Beginn der Tourismussaison. Von diesem Zeitpunkt an steigt mit der Zahl der Besucher auch die Zahl der Angebote. Einer der Klassiker ist die Stadtführung: Während dieser Tour wird neben dem Areal um Rathaus, Marktplatz und Johanniskirche auch das Kleine Fastentuch besichtigt. Darüber hinaus ist Zittau ein idealer Ausgangspunkt für Ausflüge ins nahe gelegene Löbau – bekannt unter anderem für den gusseisernen Turm und das Haus Schminke –, an den „Geburtsort“ der berühmten Herrnhuter Sterne sowie ins malerische Zittauer Gebirge. Auf einer Fläche von nur rund 50 Quadratkilometern versammelt es eine beeindruckende Zahl und Vielfalt an Naturschönheiten. Höchste Erhebung ist der deutscht-schechische Grenzberg Lausche mit knapp 793 Metern.

Dieser Beitrag erschien in der Tour de Saxe Juni 2020.