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Stadt Löbau ersteigert Anker-Nudelfabrik

OB Buchholz deutet eine gemeinsame Nutzung mit Haus Schminke an. Um eine weitere Immobilie gab‘s ein Bieter-Duell.

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© Markus van Appeldorn

Von Markus van Appeldorn

Löbau. Es brauchte nur einen kurzen Amtsakt von Löbaus Oberbürgermeister Dietmar Buchholz (parteilos) und eine halbe Stunde Wartezeit – dann hatte sich die Stadt Löbau ein wertvolles Stück ihrer Architektur- und Industriegeschichte gesichert. Für 164 000 Euro ersteigerte die Stadt am Donnerstagvormittag bei einer Zwangsversteigerung am Amtsgericht Görlitz die ehemalige Anker-Nudelfabrik in der Äußeren Bautzner Straße. Damit befindet sich nun das gesamte bauliche Erbe von Haus-Schminke-Architekt Hans Scharoun in Löbau in den Händen von Stadt und Schminke-Stiftung.

Was künftig mit der Fabrik passiert, wollte Buchholz nach der erfolgreichen Ersteigerung noch nicht verraten. Nur so viel: „Das Gebäude passt sehr gut zu Haus Schminke. Wir haben schon einige Ideen.“ Es hatte bereits in der Vergangenheit Überlegungen gegeben, die Grundstücke zusammenzuführen und das Grundstück von Haus Schminke zum Fabrikhof hin zu öffnen, wie es einst zur Bauzeit der Fall war. Aufgrund der Eigentumsverhältnisse war es aber für die Stiftung Haus Schminke nie möglich, die Fabrik-Architektur in Führungen und Vermarktung mit aufzunehmen. Architekt Hans Scharoun hatte im Auftrag des Fabrikanten-Ehepaars Schminke einen Treppenhaus-Turm an der Hofseite des Gebäudes errichtet. Auch Teile der Inneneinrichtung und des Außengeländes gestaltete er. So finden sich im Bürotrakt noch zahlreiche Türen mit Bullaugen-Fenstern, wie sie auch den „Nudeldampfer“ Haus Schminke schmücken.

Nach der Wende hatte der im August verstorbene Unternehmer Herrmann Siewert den denkmalgeschützten Komplex übernommen. Mit seiner Lehrbauhof GmbH betrieb er dort eine zentrale Ausbildungsstätte für Bauberufe. Die Firma ging insolvent, auf dem Grundstück lasteten zuletzt erhebliche Zwangshypotheken und Grundschulden. Wegen unbeglichener Forderungen betrieben die Stadt Löbau und das Finanzamt nun die Zwangsversteigerung. Den Verkehrswert der rund 9 200 Quadratmeter großen Immobilie hatte das Amtsgericht mit 328 000 Euro angegeben. Als einziger Bieter bot Oberbürgermeister Dietmar Buchholz namens der Stadt genau die Hälfte. Da das bei der Versteigerung ebenfalls anwesende Finanzamt mit dieser Summe zufrieden war, wurde der Zuschlag sofort rechtskräftig.

Der Versteigerung der Fabrik war eine Bieterschlacht von OB Buchholz mit einem Bautzner Spediteur um ein anderes Grundstück des Lehrbauhofs vorausgegangen. Gegenüber der Fabrik auf der anderen Straßenseite befindet sich ein rund 8 500 Quadratmeter großes Areal mit einer Lagerhalle und einem Schulungsgebäude. Die benachbarte Firma Palfinger benutzt Gelände und Halle bereits jetzt zum Abstellen von Fahrzeugen – bislang als Mieter des insolventen Lehrbauhofs. Nun wollte die Firma diese Immobilie ersteigern. Der Erwerb durch Palfinger war auch im Interesse des Oberbürgermeisters. „Die haben Probleme, wenn sie noch unfertige Fahrzeuge rüberbringen auf ihr neu entstehendes Gelände. Deshalb brauchen die den Platz“, erklärte er SZ am Rande der Versteigerung. Unfertige Fahrzeuge hätten noch keine Straßenzulassung und bräuchten daher für das Überqueren der Bautzner Straße jedes Mal eine Sondergenehmigung.

Doch für den anwesenden Prokuristen von Palfinger gab‘s eine böse Überraschung. Die Richterin erkannte sein Gebot nicht an, weil er nicht ausreichend vertretungsberechtigt für die Firma sei. OB Buchholz sprang in die Bresche und bot namens der Stadt 80 500 Euro für das auf einen Verkehrswert von 150 000 Euro taxierte Grundstück. Die Stadt hätte ein erfolgreiches Höchstgebot an Palfinger abgetreten – eine rechtlich gangbare Alternative.

Ein Vertreter des Finanzamtes erklärte, einem Zuschlag unter 85 000 Euro keinesfalls zuzustimmen, worauf Buchholz auch diesen Betrag bot. Da aber schaltete sich der Bautzner Spediteur Hartmut Günther ein und überbot die Stadt. Erst wehrte sich OB Buchholz mit Höhergeboten in 10-Euro-Schritten, dann vierstellig. Die Gesichter der anwesenden Finanzamts-Vertreter wurden immer glücklicher. Nach insgesamt 33 Geboten und Gegengeboten gab Buchholz bei 131 000 Euro auf. Der Spediteur beriet mit den Palfinger-Vertretern anschließend über eine Weiternutzung eines Teils des Areals für den Hebebühnen-Hersteller. Das Gelände sei groß genug. Auch er wollte nach dem Zuschlag gegenüber SZ noch keine näheren Angaben zur künftigen Nutzung machen oder dazu, ob er sich mit seiner Spedition hier ansiedeln möchte. Er versprach aber: „Ich sorge dafür, dass ein Schandfleck in Löbau verschwindet.“