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Stadt zahlt für Obdachlosen

Weil Roland K. immer noch keinen Betreuer hat und damit kein Hartz-IV, muss die Stadt für die Kosten aufkommen.

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© Claudia Hübschmann

Von Birgit Ulbricht

Großenhain/Meißen. Menschen wie Roland K. müssten viel früher einen Betreuer zugewiesen bekommen – aber das verstößt gegen die persönliche Freiheit.“ Ramis Kubera ist ratlos. Der Leiter des Meißner Obdachlosenheimes hat sich wirklich um den Großenhainer Roland K. bemüht. Jetzt ist sogar eine Mitarbeiterin vom Amt ins Obdachlosenheim gekommen, was nicht üblich ist, um endlich die Betreuerfrage zu klären.

Doch Roland K. ist seit Tagen wieder im Krankenhaus, und nun ist auch dieser Termin geplatzt. Als Roland K. noch in Großenhain auf der Straße unterwegs war, hat Karla Thiel von der Stadtverwaltung ihrerseits alles versucht, den gebürtigen Großenhainer irgendwo unterzubringen, und sie hatte auch in der Röderstadt mit Roland K. den Weg zur Betreuungsstelle des Landkreises angetreten. Doch Roland K. will im entscheidenden Moment nicht. Keine Hilfe von anderen Menschen und schon gar keinen offiziellen Betreuer.

Durch die Stadt geirrt

Doch allein irrte er monatelang durch die Stadt, ohne Geld, ohne Bleibe und nicht in der Lage, eine für ihn inzwischen lebensbedrohliche Lage von sich aus abzuwenden. Im Rathaus sah man daher nur einen Ausweg – bei Gericht die Betreuung zu beantragen und mit der Polizei vor Ort wenigstens zu vereinbaren, sollte sich Roland K. doch noch durchringen, Hilfe anzunehmen, ihn umgehend ins Meißner Obdachlosenheim zu fahren, damit er den eisigen Nachttemperaturen entflieht. Denn zwingen kann ihn dazu nach Recht und Gesetz niemand. Solange Roland K. einem Betreuungsverhältnis nur hinreichend selbstbewusst widerspricht, können die Ämter nichts tun. Ramis Kubera ist selbst auch keinen Schritt weitergekommen. Zwar wurde er in Meißen umgehend im Heim von einem Arzt begutachtet, und auch der hatte dringend einen Betreuer empfohlen. Mehr konnte er nicht. Eine gerichtliche Verfügung zur Betreuung liegt indes noch nicht vor und wird es vielleicht auch nie geben in einem Fall, der sich offenbar medizinisch wie rechtlich in einer Grauzone abspielt. Und das hat Konsequenzen.

Kein Betreuer, kein Geld

Zuallererst natürlich für Roland K. – der Großenhainer bekommt ohne Betreuer nicht einen Cent und keinerlei Hilfe. Er selbst ist nicht der Lage, Hartz-IV zu beantragen. Heimleiter, Rathaus-Mitarbeiter oder private Helfer dürfen es nicht. Das wäre allein Aufgabe einer staatlich bestellten Person. Doch die gibt es nicht. Wer bezahlt dann das Essen, die Unterkunft für Roland K.? „Seit 31. Dezember versorgen wir Herrn K. privat, von Spenden oder von dem, was Kollegen von zu Hause mitbringen. Genau genommen ist das kein Zustand“, sagt Heimleiter Ramis Kubera.

Für die Unterkunft muss die Stadt Großenhain aufkommen, weil er von dort geschickt wurde. Es sei zwar üblich, dass sich die Betreffenden dann vor Ort nach Meißen ummelden – aber dazu ist Roland K. ja nicht in der Lage. „Da sind wir wieder am Ausgangspunkt“, so Ramis Kubera. Lediglich die Zeit im Krankenhaus fällt heraus aus der Rechnung. Bis Ende März hat die Stadt Großenhain vorerst den Nachtschlaf-Platz in Meißen für Roland K. gebucht. Die Stadt Großenhain zahlt aber ohnehin für solche Fälle. Drei Betten sind für solche Bürger aus Großenhain sozusagen reserviert. Wird kein Bedürftiger geschickt, fallen dennoch pro Tag und Platz immerhin 9,98 Euro an. Übers Jahr kommen so fast bis zu 11 000  Euro zusammen. Im Belegungsfall wie bei Roland K. sind es je nach Aufwand etwa 30 Euro, die die Stadt für die betreute Übernachtung im Heim zahlt.

Die Wohnungen, die die Stadt für Obdachlose in der Herrmannstraße vorhält, nützen in solchen Fällen nichts, denn die Betroffenen können sich nicht mehr selbst versorgen, sind genau genommen längst hilflos. Einer, der das wenigstens hinbekommt, ist Toni. Sein Aufenthalt dort wurde jetzt von der Stadt um weitere drei Monate verlängert.