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Steimles Welt

Lokalkolorit ist angesagt. Das Bühnenprogramm von Kabarettist Uwe Steimle im Messepark sahen rund 1 000 Besucher.

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© Matthias Weber

Von Constanze Junghanß

Uwe Steimle findet in Löbau sein Publikum. Kaum ein Stuhl bleibt in der Messehalle frei: Rund 1 000 Besucher sind am Sonnabendabend laut Messepark-Chef Joachim Birnbaum gekommen, um mit dem Kabarettisten in dessen Welt einzutauchen. „Steimles Welt“, so heißt das Programm. Diese Welt ist von Dialekt im breitesten Sächsisch geprägt und klingt dank Sofa-Atmosphäre auf der Bühne zuallererst gemütlich. Steimle, der den Namen der Stadt in seinem Willkommensgruß auf „Löööbau“ verlängert, wird dafür heftig beklatscht. Lokalkolorit ist angesagt. Schließlich gilt der Künstler als „Provinzknaller“ und weniger als Globalakteur.

Wobei die „große Politik“ in seinem Programm ebenso eine Rolle spielt, wie seine Reisen mit dem 312-er Wartburg durch Mitteldeutschland, die im Fernsehprogramm vom MDR über den Bildschirm flimmern. Steimle hat Filmausschnitte davon mitgebracht, die auf der Leinwand in der Messehalle gezeigt werden: ein Taubenzüchter, die „Hatschel-Bienen“ einer Imkerin oder ein Rundgang auf einem katholischen Dresdner Friedhof. Es sind kleine Geschichten von Menschen, die sonst eher weniger im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Ein Stück Heimatgefühl – eingefangen mit der Kamera. Dazu gibt es musikalische Einlagen von Prof. Jörg Wachsmuth – der seiner Tuba einen fulminanten „Hummelflug“ entlockt und als einer der weltweit führenden Virtuosen auf dem Instrument gilt. Auch die Comedy-Band „Dresdner Stadtschnepp“ steht mit Banjo, Kontrabass und Bandoneon-Musik auf der Bühne, ebenso wie Michael Seidel, MDR-Autor und Künstler. Er verliest zum Beispiel rührige Zuschauerpost. Seidel kennt Löbau noch von der Landesgartenschau, wie er erzählt, und war da als Autor beruflich mit eingebunden.

Das ist die eine Seite der auf der Bühne präsentierten „Welt“. Die andere ist politisch. Der 54-Jährige kommt nicht von ungefähr im ersten Teil der Aufführung in gewagter Farbkombination auf die Bühne: giftgrünes Jackett, knallgelbes Hemd und schwarze Hose. „So hätte Jamaika ausgesehen“, sagt er und bezieht sich auf den geplatzten Versuch der Koalition zwischen Grünen, FDP und CDU. Applaus gibt es dafür ebenso wie für seine Erklärung, dass die GroKo die Abkürzung für das „große Kotzen“ sei. Grünen-Politiker Cem Özdemir („Da steckt das Wort Emir schon im Namen“) oder der neue sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer („FDJ-Sekretär“) und andere bekommen Uwe Steimles Fett weg. Der Kabarettist trifft damit den Nerv seines Publikums.

Nach seinem Auftritt sagt der Künstler zur SZ: „Die etablierten Parteien haben das Volk verarscht.“ Auf die Frage, wie er denn seinen Schlusssatz im Programm: „Wir warten noch eine Weile und dann marschieren wir los“ eigentlich meint, sagt er, der Marsch solle dann nach Berlin zum Reichstagsgebäude führen. „Friedlich“, betont Steimle noch. Einen Kapitalismus mit menschlichem Antlitz wünsche er sich. Und eine „Lobby der Herzen“. Wie soll das machbar sein? Das bleibt offen. Die Friedenstaube jedenfalls liegt Steimle am Herzen. Zusammen mit dem Publikum wird das Pionierlied gesungen und das Lied der Jungen Naturforscher aus DDR-Zeiten „Die Heimat hat sich schön gemacht ...“. Der Großteil der Besucher zeigt sich textsicher.

T-Shirts mit dem weißen Vogel in der Mitte und versehen mit „Mir san mir“ – das bayrische „Wir sind wir“, geschrieben in kyrillischen Buchstaben – werden als Fanartikel ebenso verkauft wie CDs. Nach seinem über zweistündigen Programm ist Steimle erschöpft, wie er sagt. Nimmt sich aber für jeden Autogramm-Jäger die Zeit, signiert Tonträger, Notizbücher und Handzettel. „Er kommt sehr authentisch rüber und spricht an, was uns so bewegt“, schätzt Familie Hobrack ein. Aus der Nähe von Niesky sind die Hobracks extra angereist, weil ihnen Uwe Steimle auch im Fernsehen gut gefalle. Publikum und Künstler haben sich gefunden. Steimle hat seine Fangemeinde. Ein Zuschauer überreicht ihm und Seidel drei kleine Flaschen „hausgemachten Wachteleierlikör“ aus der Oberlausitz. In Löbau bezeichnet ihn niemand als „völkisch-antisemitischer Jammerossi“. Gegen diese Bezeichnung des Klipphausener Antifa-Aktivisten Andreas Vorrath hatte der Künstler kürzlich erfolglos vor Gericht geklagt (SZ berichtete).