Bautzen
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Die Lyrik eines Bautzen-Häftlings

Bei einer Veranstaltung in der Gedenkstätte Bautzen lebte die Erinnerung an ein letztes Kapitel DDR-Geschichte wieder auf.

Von Carmen Schumann
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Der Liedermacher Stephan Krawczyk vertonte zwölf Gedichte des früheren Bautzen-II-Häftlings Gerhard Bause, die er am Mittwoch in der Gedenkstätte vortrug.
Der Liedermacher Stephan Krawczyk vertonte zwölf Gedichte des früheren Bautzen-II-Häftlings Gerhard Bause, die er am Mittwoch in der Gedenkstätte vortrug. © Carmen Schumann

Bautzen. Als die Bautzener Montagsdemonstranten im Herbst 1989 lautstark vor der Stasi-Dienststelle an der Mättigstraße protestierten und friedlich ihre Kerzen vor deren Eingang abstellten, saß Gerhard Bause jenseits der Mauern im Stasi-Gefängnis Bautzen II. Wie er jetzt den Besuchern der Gedenkstätte erzählte, hatten die Gefangenen damals sehr wohl wahrgenommen, was da draußen vor sich ging, und Hoffnung geschöpft. „Ich wusste, da sind Leute, die auch für mein Recht und meine Freiheit kämpfen“, sagte er.

Unter dem Titel „Ohne Ruhe rollt das Meer“ fand am Mittwoch in der Gedenkstätte eine Lesung und ein Konzert mit Gerhard Bause und Stephan Krawczyk anlässlich der Öffnung der Stasi-Sonderhaftanstalt Bautzen II vor 30 Jahren statt. In dem gleichnamigen Buch arbeitet der Thüringer seine Haftzeit und was danach kam, auf. Als in Bautzen die Demonstranten auf die Straße gingen, wusste Gerhard Bause bereits, dass seine Tage im Gefängnis gezählt sind. Denn der frisch ernannte DDR-Staatschef Egon Krenz hatte am 27. Oktober eine Amnestie für politische Gefangene verkündet. Am 14. November konnte Gerhard Bause die Mauern hinter sich lassen. Doch seine Hoffnung, in seine Heimat nach Thüringen entlassen zu werden, erfüllte sich nicht. Ihm wurde die DDR-Staatsbürgerschaft aberkannt, und er wurde in die BRD abgeschoben. In Gesprächen mit den Offizieren des Stasi-Knastes wurde er dazu vergattert, über die Geschehnisse in den Haftanstalten Stillschweigen zu bewahren. Wie er den Bautzenern erklärte, hatte er die Ankunft in der Glitzerwelt des Westens wie einen Keulenschlag empfunden.

Protestbrief wurde zu krimineller Handlung gemacht

Um mit seinen Erlebnissen und Erfahrungen fertig zu werden, begann der Thüringer Gedichte und Prosatexte zu schreiben. Diese wären nie an die Öffentlichkeit gekommen, wenn ihn der Liedermacher Stephan Krawczyk nicht dazu ermutigt hätte. Der Liedermacher hat zwölf Gedichte von Gerhard Bause vertont und trug sie bei der Veranstaltung am Mittwoch vor. Gerhard Bause und Stephan Krawczyk sind Freunde geworden.

Das erste Mal hatten sich ihre Lebenswege indirekt berührt, als der Liedermacher gegen die Entziehung seiner Zulassung als Berufsmusiker wegen seiner angeblich zu kritischen Lieder mit einem Plakat protestiert hatte. Dies geschah bei der Luxemburg-Liebknecht-Ehrung im Januar 1988 in Berlin. Gerhard Bause, der den Wehrdienst verweigert und außerdem einen Ausreiseantrag gestellt hatte, protestierte mit einem Schreiben an das DDR-Innenministerium gegen das Berufsverbot von Stephan Krawczyk und forderte dessen Freilassung und die weiterer Inhaftierter. Das brachte ihm ebenfalls seine Verhaftung ein, denn der Brief wurde als kriminelle Handlung eingestuft. Nach Stationen in verschiedenen Haftanstalten, saß Gerhard Bause seit Februar 1989 in Bautzen ein. Persönlich kennengelernt haben sich Gerhard Bause und Stephan Krawczyk erst in den 90er-Jahren.

Wie Silke Klewin, die Leiterin der Gedenkstätte Bautzen sagte, seien beide Männer eigentlich keine Feinde des DDR-Regimes gewesen, aber sie wurden zu solchen gemacht. Denn sie seien nicht zu jeder Anpassung bereit gewesen. Das Buch von Gerhard Bause zeichne sich durch seine leisen Töne aus. Es zeige die Auswirkungen der politischen Verfolgung auf das Seelenleben eines Betroffenen.

Das Buch von Gerhard Bause „Ohne Ruhe rollt das Meer“, ISBN 9783937364087 ist in den Buchhandlungen zum Preis von 20 Euro erhältlich.