Merken

Stolpersteine bei der Integration

Bautzener Flüchtlingspaten investieren viel Zeit und Kraft – und wünschen sich eine weniger starre Bürokratie.

Teilen
Folgen
© Uwe Soeder

Von Franziska Springer

Bautzen. Die Sonne scheint an einem dieser ersten Frühlingstage auf den weitläufigen Vorhof des Bautzener Steinhauses. Aus den Lautsprechern dudelt Weltmusik von Manu Chao. Eine Gruppe Jugendlicher spielt Basketball, eine andere hockt ein paar Meter weiter in Liegestühlen. Unter breites Sächsisch mischt sich gebrochenes Deutsch. Alle lachen gemeinsam.

Ob dieser Szenerie drängt sich die Frage auf, ob ein Auftaktgespräch zum aktuellen Stand der Integrationsbemühungen überhaupt noch nötig ist. Die Sächsische Staatsministerin Petra Köpping hatte dazu geladen – aus gutem Grund, wie schnell klarwurde: Der Redebedarf ist groß, und zwar auf beiden Seiten. Trotz immenser Fortschritte in der Betreuung von Geflüchteten wartet noch immer viel Arbeit – auf Behörden und Ehrenamtler gleichermaßen.

Problemlagen haben sich verändert

Neun Vertreter der Initiative „Bautzen bleibt bunt – Budyšin wostanje pisany“ nutzten die Gelegenheit, um mit Ministerin Petra Köpping und Oberbürgermeister Alexander Ahrens auf kurzem Dienstweg über aktuelle Fragen in der Flüchtlingshilfe ins Gespräch zu kommen. Sie alle betreuen gemeinsam mit etwa 60 weiteren Engagierten im Landkreis in ihrer Freizeit etwa 300 geflüchtete Menschen. Ausländerbeauftragte Anna Pietak-Malinowska hat die Patenorganisation deshalb für den Sächsischen Integrationspreis vorgeschlagen.

Mit der Auszeichnung hat es nicht geklappt, das sei aber auch nicht das Wichtigste, findet Susett Mildner, die im Bündnis die Patenschaften vermittelt: „Natürlich ist die Wertschätzung, die mit einer solchen Auszeichnung einhergeht, wichtig. Aber die erfahren wir durch die Geflüchteten selbst.“ Bedeutender sei, dass die Ministerin sich für die Probleme an der Basis interessiert: „Der direkte Austausch, zu dem dieses Treffen Gelegenheit bot, bringt uns alle voran.“

Denn die Problemlagen in der Flüchtlingshilfe haben sich in den letzten Jahren entscheidend verändert: Anstatt schneller Hilfe sind es jetzt vor allem diffizile Herausforderungen, bei denen die Paten gefordert sind: Offizieller Schriftverkehr muss geführt, Kita-Plätze gesucht und Behördengänge erledigt werden. Dabei treffen die Freiwilligen immer wieder auf Stolpersteine: So mangelt es im Landkreis an Dolmetschern und Kinderärzten. Für die unbegleiteten Jugendlichen stehen zu wenige Vormünder zur Verfügung. Auch die Qualität der Sprachkursträger und die mangelnde Durchlässigkeit der Sprachkurse stellen nicht zufrieden. „Lösungen für solche Missstände zu finden, kostet vor allem Zeit“, sagt Susett Mildner. Der Bedarf an freiwilligen Helfern sei daher nach wie vor groß.

Grenzen der Belastbarkeit

Aber mit der Zahl der Flüchtlinge ging auch das Interesse am persönlichen Engagement zurück. Das führt bei den noch aktiven Freiwilligen nicht selten zum persönlichen Einsatz bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit und zu steigendem Frustpotenzial bei allen Beteiligten. Immer wieder kommen Fallbeispiele zur Sprache, die alle einzeln betrachtet und geregelt werden müssen, um die betreffenden Personen erfolgreich integrieren zu können.

Das erfordert Kraft: „Leider schöpfen die verschiedenen Behörden ihren Ermessensspielraum nicht immer voll aus“, bedauert Mildner. So benötigten arbeitswillige Flüchtlinge oft einen Leistungsnachweis für eine erfolgreiche Bewerbung. Auf den hierfür nötigen Praxistest wartet aber etwa ein Elektriker bis zu einem Jahr. Letztlich seien es solch ganz praktische Probleme infolge bürokratischer Prozesse, deren Bewältigung auf die Paten zurückfällt. Die aber meistern die Bautzener mit viel Einsatz und ernten dafür großes Lob seitens der Staatsministerin.

Jüngster Erfolg: Geflüchtete Frauen haben sich zusammengeschlossen, um das Projekt Nis’aa ins Leben zu rufen – eine Gruppe für arabisch sprechende Frauen, die sich eigenständig organisiert. Viele von ihnen wollen bleiben. Auch, weil inzwischen Freundschaften entstanden sind. „Das beweist, dass Patenschaften eines der besten Integrationsinstrumente sind“, wirbt Susett Mildner für das Konzept: „Weil sie im Alltag funktionieren.“