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Straßenbäume werden kaum nachgepflanzt

Im Vorjahr sind an Bundes- und Staatsstraßen mehr als 1000 Bäume verschwunden. Die Gründe sind verschieden.

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© Dietmar Thomas

Von Verena Toth

Region Döbeln. Die Meldung lässt nicht nur Naturschützer aufhorchen: Das Baumsterben an Sachsens Straßen hat eine bedrohliche Dimension erreicht. Jährlich verschwinden zwischen 6 500 und 8 200 Bäume. Gleichzeitig seien die Neupflanzungen im Zeitraum von 2010 bis 2017 auf einen Minusrekord gesunken. Das geht aus der Antwort des Wirtschaftsministeriums auf die alljährliche Anfrage des Landtagsabgeordneten Wolfram Günther (Grüne) hervor.

Auch in Mittelsachsen geht die Zahl der Straßen- und Alleebäume an den Verkehrsadern seit Jahren kontinuierlich zurück. Allein im vergangenen Jahr wurden im Landkreis an Bundesstraßen 358 und an den Staatsstraßen 754 Bäume gefällt. Neugepflanzt wurden 2017 an S-Straßen gerade mal 13 und an B-Straßen nur 15 Bäume. Eine Neupflanzung von Alleebäumen hat es in Mittelsachsen in den vergangenen Jahren gar nicht gegeben. Die Gründe, warum ein Straßenbaum verschwindet, können verschieden sein. Heftige Stürme, so wie im vergangenen Winter und Frühjahr, reißen auch massive Bäume um. An wichtigen Verkehrsadern, die, wie derzeit die
B 169 in Richtung Hainichen oder die B 175 in Döbeln ausgebaut werden, sind Bäume schlicht im Weg. Auch kranke Exemplare müssen fallen, wenn sie bei den regelmäßig stattfindenden Kontrollen als Gefahrenquelle ausgemacht werden. Isabel Siebert vom Landesamt für Straßenbau und Verkehr (Lasuv) erklärt dazu: „Straßenbäume werden von den Straßenmeistereien nur gefällt, wenn sie krank, alt und verkehrsgefährdend sind, und keine andere Abhilfe verfügbar ist.“

Obwohl das Lasuv als verantwortlicher Baulastträger für die Bundes- und Staatsstraßen nicht immer verpflichtet ist, gefällte Straßenbäume zu ersetzen, werde das aus landschaftspflegerischen Gründen dennoch angestrebt, so die Sprecherin weiter. Für angemessenen Ersatz zu sorgen, sei dabei aber nicht immer einfach. Denn: „Die heutigen Vorschriften lassen eine Nachpflanzung an gleicher Stelle zumeist nicht mehr zu.“ Laut einer Richtlinie müssen außerorts 7,50 Meter Abstand zu einem Hindernis, also auch zu einem Baum, eingehalten werden. „Es wäre demnach ein Flächenstreifen von etwa neun Metern Breite neben der Fahrbahn erforderlich. Dafür reichen die vorhandenen Straßengrundstücke einfach nicht aus“, sagt Isabel Siebert. Die Bereitschaft von Grundeigentümern, Flächen für die Neuanlage von Baumreihen zu verkaufen, sei gering. Häufig handele es sich zudem um Flächen der Landwirtschaft und da bestehe ein schwerwiegender Nutzungs- und Interessenkonflikt. Nichtsdestotrotz wird nachgepflanzt, wo sich eine Möglichkeit bietet.

„Die Straßenbauverwaltung ist immer dann zum Ersatz verpflichtet, wenn es sich um einen naturschutzrechtlichen Eingriff handelt“, erläutert Isabel Siebert weiter. Eingriffe in Natur und Landschaft sind Veränderungen, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können. Für solche Eingriffe, die bei großen Straßenbauprojekten zwangsläufig passieren, müssen angemessene Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen durchgeführt werden. „Die Ersatzpflanzungen werden jedoch häufig extern, also in größerer Entfernung zum Straßenbau realisiert.“ Zudem würden nicht nur neue Bäume in die Erde gesetzt, sondern auch Streuobstwiesen angelegt, Gewässer renaturiert und andere Kompensationsmaßnahmen vorgenommen.

Die Lasuv-Sprecherein weist zudem darauf hin, dass in den alarmierenden Zahlen, die als Antwort auf die Frage des Grünen-Abgeordneten aufgeführt worden sind, nur die Straßenbäume aufgeführt sind, die auch wieder an Ort und Stelle beziehungsweise als Straßenbaum gepflanzt wurden. „Ein realistisches Bild über die Anstrengungen für unsere Umweltbilanz ergibt sich erst, wenn auch die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen abseits der Straßenränder berücksichtigt werden“, macht Isabel Siebert noch deutlich.