Von Andreas Weller
Bei der Verteilung von Asylbewerbern geht es offenbar drunter und drüber: Bisher hat Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) so gerechnet, dass der Stadt pro Woche etwa 100 Flüchtlinge vom Land zugewiesen werden. Also 800 bis Jahresende zu den bis gestern 2 803, die die Stadt in diesem Jahr erhalten hat. Er setzte dabei vor allem darauf, dass die Untersuchungen und Registrierungen der Flüchtlinge schleppend laufen und viele erst 2016 in die Stadt kommen, die derzeit vom Land in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht sind.
Nun stellt das Innenministerium klar, dass Dresden doch deutlich mehr Menschen im November und Dezember aufnehmen muss. „Die Annahme, dass Verteilungen in das Jahr 2016 aufgeschoben würden, weil nicht ausreichend Kapazitäten für eine Gesundheitsuntersuchung vorhanden sind, trifft nicht zu“, so Sprecherin Pia Leson. „Nach der mit der Stadt Dresden kommunizierten Planung ist bis Ende dieses Jahres eine Zuteilung von etwa 2 100 Asylbewerbern geplant.“
Das sind 1 300 Personen mehr als die Anzahl, mit der Hilbert rechnet. „Der Oberbürgermeister scheint auf das Prinzip Hoffnung zu setzen“, kritisiert Christian Hartmann, der Chef der Dresdner CDU und innenpolitischer Sprecher seiner Partei im Landtag. Die höheren Zahlen seien vorher klar gewesen. „Die Stadt hätte sich seit August darauf vorbereiten können“, so Hartmanns Vorwurf an Hilbert. Denn die Flüchtlinge, die in Sachsen ankommen, bleiben im Durchschnitt 2,3 Monate in den Erstaufnahmeeinrichtungen, und dann erhält Dresden gut 13 Prozent von ihnen. „Das heißt auch: Im Januar bekommt Dresden 1 715 Flüchtlinge zugeteilt.
Zeichen der „Hilflosigkeit“?
Nun müsse sich schnell um die Unterbringung gekümmert werden. „Für uns schließen sich Schulen, Kitas und Schulsporthallen aus“, sagt Hartmann: „Das sind Schutzbereiche.“ Private Wohnungen seien möglich, den Aufruf von Hilbert an die Dresdner, ihre ungenutzten Wohnungen, Zimmer und Ferienwohnungen anzubieten, bezeichnet Hartmann aber als „Hilflosigkeit“. Die Stadt müsse schnell nicht zu teure Plätze schaffen. Dass die städtische Stesad das Hotel „Prinz Eugen“ in Laubegast für 3,6 Millionen Euro gekauft hat, in dem maximal 115 Flüchtlinge Platz haben, kritisiert er als zu teuer. „Für das Geld hätten 360 Plätze in Containern geschaffen werden können. Darauf muss die Stadt zurückgreifen. Angebote dafür liegen vor.“
Hilbert stellt klar, dass er nicht mit eigenen Zahlen gearbeitet habe. „Das waren und sind immer die der Landesdirektion“, so Rathaussprecher Kai Schulz: „Wir haben allen Planungen die Gesamtprognose bis Jahresende von etwa 5 300 aufzunehmenden Asylsuchenden zugrunde gelegt.“ Hilbert habe darauf aufmerksam gemacht, dass eine wöchentliche Zuweisung von 100 realistisch sein könnte. „In keiner Weise hat die Stadt mit nur 800 Asylbewerbern bis Jahresende gerechnet“, so Schulz. Im SZ-Interview vom Wochenende hatte Hilbert diese Zahl als „realistisch“ bezeichnet.
Schollbach verteidigt Hilbert
Unerwarteten Beistand bekommt Hilbert von Linke-Fraktionschef André Schollbach. Der hat als Landtagsabgeordneter immer wieder zu den Zahlen Anfragen gestellt und von Innenminister Markus Ulbig (CDU) aus Schollbachs Sicht unzureichende Antworten erhalten. „Herr Hartmann versucht hier offensichtlich, die Verantwortung des CDU-Chaos-Ministers Ulbig auf die Stadtverwaltung Dresden abzuwälzen.“ Auch FDP-Fraktionschef Holger Zastrow unterstützt Parteifreund Hilbert. Er ruft die Dresdner CDU zu „Mäßigung und Ehrlichkeit“ auf. Die Verantwortlichen für Asyl hätten alle ein CDU-Parteibuch – von Bundeskanzlerin Angela Merkel bis Ulbig.
Die Stadt werde nun alle Bemühungen darauf ausrichten, dass die zugewiesenen Personen regulär untergebracht werden, ohne dass der Notfallplan eingesetzt werden muss, sagt Schulz. Darin sind auch die Messe, Schulen und vieles mehr vorgesehen. „Ob dies gelingt, hängt davon ab, ob alle in Vorbereitung befindlichen Objekte tatsächlich kurzfristig genutzt werden können“, so Schulz. Dazu gehören die Suche nach privaten Wohnungen, das Mieten von ehemaligen oder wenig besuchten Hotels, Wohnungen von Vermietern und die Einrichtung von Containerstandorten. Diese Container sind ab 2016 geplant. Derzeit werde mit Anbietern verhandelt, die von Hartmann genannten Kosten seien falsch.