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Streitschlichter gesucht

Nach zwölf Jahren will Friedensrichter Stephan Maes kürzer treten. Die Nachfolgersuche ist nicht ganz einfach.

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© Lutz Weidler

Von Stefan Lehmann

Riesa. Gäbe es keine Hecken als Grundstücksbegrenzung, Stephan Maes hätte vermutlich deutlich mehr Freizeit. Ob zu hoch oder zu dicht am Zaun: Pflanzen sind sozusagen das täglich Brot des Riesaer Friedensrichters. „Der eine sagt, die Hecke sei zu hoch, der andere sagt, er brauche den Sichtschutz. Verstehen kann ich beide“, sagt der 62-Jährige. Seit 2006 ist Stephan Maes als Friedensrichter unterwegs, zuerst nur in Riesa, später auch in Stauchitz und Hirschstein. Er befasst sich dabei vor allem mit kleineren Probleme im täglichen Miteinander, allen voran Streit unter Nachbarn. „Oft waren das mal richtig gute Freunde“, sagt Maes. Ehe die Leute aber zu ihm kommen, hat sich meist einiges angestaut. Würden die Leute öfter miteinander reden, vermutlich wäre sein Ehrenamt überflüssig. Seine Aufgabe sieht Maes deshalb auch vor allem darin, beide Parteien an einen Tisch zu bringen. „Meistens mache ich vor Ort einen Termin aus.“ Dann wird auch die zweite Streitpartei eingeladen. „Eine Verhandlung ist erst der nächste Schritt. Heute glaubt jeder, dass er recht hat. Am Ende einer Verhandlung gibt es meist einen Gewinner und einen Verlierer. So verbessert man das Verhältnis der Nachbarn nicht.“

Seine Aufgabe sieht er darin, „so viel wie möglich von den Gerichten fernzuhalten“. Vor seiner Zeit als Friedensrichter hatte der Riesaer schon insgesamt zwölf Jahre als Jugendschöffe und ehrenamtlicher Richter gearbeitet – und dabei mitbekommen, mit welchen teils unsinnigen Streitereien sich die Justiz manchmal befassen müsse. Dabei habe sie doch weiß Gott Besseres zu tun. Nun allerdings will Maes kürzertreten. Er betreut derzeit unbegleitete minderjährige Asylbewerber, pendelt deshalb nach Schmiedeberg. Da bleibe nebenher nicht mehr viel Zeit. Auch wenn es im Schnitt wohl nur etwa zehn Fälle im Jahr seien, bedeute das Ehrenamt einen gewissen Aufwand – wenngleich der mit 100 Euro Aufwandsentschädigung pro Monat vergolten werde. Auch Maes’ Stellvertreterin Kerstin Schönfeld möchte aus Zeitgründen nicht mehr kandidieren, wenn in wenigen Wochen ihre Amtszeit endet. Immerhin stellvertretend würde sich Stephan Maes aber noch zur Verfügung stellen, sagt er.

In der Stadtverwaltung war man vom „Rücktritt“ des Friedensrichters ein wenig überrascht. „Ich hatte gehofft, dass Herr Maes weitermacht“, gesteht Bürgeramtsleiter Wolfgang Beckel. „Er war kompetent darin, das zu machen.“ Nun ist die Stadt also auf Nachfolgersuche. Keine einfache Aufgabe, denn die Anforderungen sind nicht ohne, sagt Wolfgang Beckel. „Wer steht schon gerne zwischen zwei Parteien, die sich streiten?“ Ohne Menschenkenntnis, Fingerspitzengefühl und grobe Kenntnis der Rechtslage gehe es nicht. Anders als die Schöffen bei Gericht trifft der Friedensrichter seine Entscheidungen am Ende allein. „Das will gelernt sein“, so Beckel, „aber es gibt natürlich auch entsprechende Schulungen für die Friedensrichter.“

Eines sollten Kandidaten für das Amt außerdem mitbringen, sagt Stephan Maes: „Auf alle Fälle ein paar Jährchen Lebenserfahrung. Und sie müssen die Neutralität wahren – zumindest nach außen.“

In manchen Fällen übrigens kann der Friedensrichter nicht mehr helfen. Lebhaft erinnert sich Stephan Maes noch an einen Streit aus einem Riesaer Ortsteil. „Es ging um zu hohe Tannen. Der eine wollte im Sommer den Schatten, sein Nachbar mochte es aber lieber sonnig.“ Als der Tannenbesitzer im Urlaub war, sei der andere einfach auf sein Grundstück und habe den Baum eigenmächtig verschnitten. „Selbstjustiz, das geht gar nicht.“ Dann werde der Streit eben doch ein Fall fürs Gericht.