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Strom auf Zuteilung ist kein Einzelfall

Der Landkreis hat 2017 mehrere Darlehen für Schuldner bewilligt. Wer sich rechtzeitig kümmert, muss nicht im Dunkeln sitzen.

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© André Braun

Von Heike Heisig

Mittelsachsen. Für die nächsten Tage sind zweistellige Minusgrade angekündigt. Kein Problem für denjenigen, der sich Zuhause an der Heizung wärmen, sich schnell heißen Tee kochen kann. Doch das ist offenbar nicht selbstverständlich, wie die Antwort der Kreisverwaltung auf eine Anfrage der Linken im Kreistag zeigt. Nach der hat die Abteilung Soziales im vergangenen Jahr acht Darlehen in einer Gesamthöhe von 8 600  Euro bewilligt, damit Zahlungsrückstände bei Strom- und Gasversorgern beglichen und das Abschalten der Versorgung verhindert werden konnten. Im Jahr davor waren es nur halb so viele Darlehensanträge für zusammen 2 730 Euro.

Doch die Antwort zeigt auch, dass es weder genaue noch geschätzte Zahlen zu Betroffenen gibt, die vor Stromsperren stehen. Grund dafür ist, dass die Abteilung Soziales der Landkreisverwaltung und auch das Jobcenter Mittelsachsen keine Statistik führen. Grundsätzlich überlegten die Mitarbeiter des Jobcenters, welche Wege es gebe, die Notlage abzuwenden. Die Darlehensgewährung sei eine Möglichkeit. Eine andere, dass das Referat Hilfe zum Lebensunterhalt und zur Grundsicherung beziehungsweise das Jobcenter die Abschläge direkt an den Versorger überweisen. Das Jobcenter gibt an, dies nur in Einzelfällen und vor allem dann zu tun, wenn Bedarfsgemeinschaften mit Kindern betroffen sind und es dort darum geht, eine wiederholte Notlage zu vermeiden. Die Abteilung Soziales überweist für sechs Personen die Energiekosten direkt an den Versorger.

„Der Zugang und die Versorgung mit Energie, Strom und Wärme ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und muss ein soziales Grundrecht sein“, findet die Chefin der Linken in Mittelsachsen Marika Tändler-Walenta. Sie befürchtet: „Viele Menschen werden stigmatisiert und schämen sich ihrer Zahlungsunfähigkeit, was zur Folge hat, dass sie sich immer weiter zurückziehen.“

Genau das ist aber der falsche Weg. Denn wer sich rechtzeitig kümmert, dem kann selbst dann noch geholfen werden, wenn der Versorger die Stromsperre schon angekündigt hat. Zur Schuldnerberatung des Diakonischen Werkes finden immer wieder Betroffene den Weg. Im Winter seien es mehr als im Sommer, wenn kein Heizungsausfall zu befürchten ist. Die Schuldnerberaterinnen helfen, Wege zu finden, gegebenenfalls auch durch den bürokratischen Dschungel. „Zuerst empfehlen wir den Betroffenen, sich schnellstmöglich mit dem Versorger in Verbindung zu setzen“, so die Schuldnerberaterin. In den meisten Fällen werde eine Lösung gefunden, die drohende Stromsperre zu vermeiden.

Das ist genau das, was die Mitarbeiter der Stadtwerke auch denjenigen Kunden sagen, von denen sie wissen, dass sie finanziell nur mit Mühe und Not über die Runden kommen. „Wir sind ein regionaler Versorger und können den Leuten unmittelbar vor Ort helfen“, so Gunnar Fehnle, Chef der Döbelner Stadtwerke. Das Unternehmen versorgt in und um Döbeln rund 16 000 Kunden mit Strom, 2 000 mit Wärme und noch einmal 4 000 mit Gas. Davon bekamen im vergangenen Jahr 148  das Einstellen der Versorgung angedroht. Die Zahl pendelt ein wenig, zwischen 139 und 170 in den zurückliegenden Jahren.

Bis es aber soweit kommt und sich schließlich die Mitarbeiter der Stadtwerke zum Abstellen aufmachen, muss der Kunde 14 Tage mit der Abschlagszahlung im Rückstand sein. Es folgt eine Mahnung. Wird die ignoriert, wird das Einstellen der Versorgung angedroht. „Wer zu uns kommt und seine Lage erklärt, der kann die Stromsperre zum Beispiel mit einer Ratenzahlung abwenden“, sagt Fehnle. Nach seiner Erfahrung gibt es zwei Arten von Schuldnern: Die einen, die wirklich mit dem Geld nicht hinkommen und wenigstens versuchen, Lösungen zu finden, und diejenigen, die sich völlig desinteressiert zeigen. Unter Letzteren könnten aber auch Leute sein, die ihre Lage gar nicht überblicken und völlig überfordert sind, erzählt eine Harthaerin, die in ihrer Studienzeit in einer Sozialbehörde tätig war.

Die Stadtwerke jedenfalls haben gute Erfahrungen mit sogenannten Vorkasse-Stromzählern gemacht. 23 sind zurzeit im Einsatz – auf Wunsch von Kunden, die wissen, dass sie schlecht mit ihrem Geld haushalten können.

Der Versorger Envia setzt nicht auf solche Zähler oder Kassenautomaten. „Wir gehen nicht davon aus, dass damit Zahlungsschwierigkeiten und Stromsperren vorgebeugt werden kann“, sagt Josephine Sönnichsen von der Envia Mitteldeutschen Energie AG. Zahlen, wie viele Strom- und Gaskunden 2017 eine Sperrungsandrohung im Briefkasten hatten, nennt sie nicht. „In der Regel vergehen von der ersten Zahlungsaufforderung bis zur Sperrung 65 Kalendertage.“ Problem sei, dass Kunden Zahlungsschwierigkeiten oft zu spät anzeigen. „Das erschwert die Möglichkeit, zu helfen.“ Wege gebe es mehrere: Envia bietet individuelle Abschlagstermine, Stundung, Ratenzahlung und Direktüberweisung durch das Amt an. Was das Richtige für den Kunden sei, könne aber nur bei einer Einzelberatung ermittelt werden.