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Supermarkt wehrt sich gegen Flüchtlingshetze

Im Internet wird verbreitet, dass Asylbewerber im Heidenauer Real klauen dürfen. Solche Gerüchte sind kein Einzelfall.

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© Katja Frohberg

Von Carina Brestrich, Tobias Winzer und Andrea Schawe

Heidenau. Der neue Aufsteller im Eingangsbereich des Heidenauer Real-Markts ist kaum zu übersehen: Immer wieder halten Leute mit ihren Einkaufskörben an, sehen sich das große Plakat an. Doch das macht nicht auf die neuesten Angebote aufmerksam. Stattdessen wendet sich das Unternehmen an seine Kunden, um mit Gerüchten aufzuräumen. Solche wabern durch die Sozialen Netzwerke, seit gegenüber im alten Praktiker-Markt Flüchtlinge untergebracht sind.

Demnach hätten die Diebstähle im Real-Markt seit ihrer Ankunft drastisch zugenommen. Denn laut einiger Facebook-Nutzer gehen die Asylbewerber nämlich nicht nur im Real einkaufen, sondern würden ihre Waren auch öfter nicht bezahlen. Obendrein müssten die Mitarbeiter die vermeintlichen Diebstähle auf Anweisung von oben durchgehen lassen, heißt es in dem Netzwerk. Dort halten sich weitere Gerüchte hartnäckig, dass Real den Flüchtlingen Gutscheine schenkt und ihnen gesonderte Einkaufszeiten einräumt. Auf der Facebook-Seite „Heidenau hört zu“ brodelt die Gerüchteküche inzwischen so sehr, dass da sogar zum Boykott des Einkaufsmarkts aufgerufen wird.

Kunden meiden Einkaufsmärkte

„All diese Gerüchte stimmen nicht“, stellt der Leiter des Heidenauer Reals, Gerd Wünsch, klar. Weder gebe es mehr Diebstähle noch Gutscheine oder extra Einkaufszeiten. Die Kommunikationsabteilung der Handelskette hatte auf die hetzerischen Einträge reagiert und neben Heidenau auch in Erfurt einen Aushang gemacht, „weil es die Situation dort aus unserer Sicht erfordert“, sagt Markus Pressesprecher Jablonski.

Die Situation in Heidenau erlebt auch Steffi Rentsch jeden Tag mit. Die stellvertretende Leiterin bei Mayer’s Schuhe im Eingangsbereich von Real kann entgegen der Gerüchte jedoch nichts schlechtes über das Einkaufsverhalten der Flüchtlinge berichten. Dass Real nun reagiert, begrüßt sie. Schließlich habe auch sie sich von den Kunden schon einiges über die Flüchtlinge anhören müssen: „Einige sagen schon, dass sie nicht mehr hier einkaufen wollen.“

Maria Richter dagegen geht nach wie vor gern zu Real einkaufen. Die junge Frau hat von den Gerüchten gehört. Sie findet es gut, dass Real nun öffentlich Stellung nimmt, auch wenn sie bezweifelt, ob dies jeder glaube. Dennoch könne Real ein Vorbild sein: „Es wäre gut, wenn auch die Centrum-Galerie in Dresden so was macht.“

Gerüchte bei Facebook sind Humbug

Dass Flüchtlingen unterstellt wird, in Supermärkten zu stehlen, ist nämlich kein Heidenauer Phänomen. Auch anderswo machen Geschichten die Runde, wonach sie Waren nicht bezahlen oder Lebensmittel aufreißen und noch im Markt verzehren. Nicht selten werden die Läden dabei als Komplizen bezichtigt. Asylbewerber dürften klauen, heißt es bei Facebook. Die Kassiererinnen würden nichts unternehmen dürfen – in Freital sei das angeblich bei Lidl, Netto und Kaufland passiert. Zudem soll vor einigen Monaten eine Gruppe junger Männer mit südländischem Aussehen drei Kassiererinnen in einem Netto-Markt nach Feierabend bedroht haben. Die hätten aus Angst die Polizei gerufen. „Dazu ist uns nichts bekannt“, sagt Wolfgang Langenbucher, Chef des Polizeireviers in Dippoldiswalde.

Generell landen bei der Polizei nicht mehr Anzeigen wegen Ladendiebstählen als in den Jahren zuvor. Laut Sprecher Thomas Geithner seien die Zahlen im Dresdner Direktionsbezirk, zu dem auch der Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge gehört, dieses Jahr relativ konstant. Im August seien sie gar um 50 Fälle zurückgegangen. „Es ist die Frage, ob diese Statistik aussagefähig ist. In den sozialen Netzwerken heißt es ja oft, dass die Diebstähle nicht zur Anzeige gebracht werden“, so Geithner. Die Polizei gehe einzelnen Gerüchten aber nach. „Ob das der Penny-Markt in Meißen oder Primark in Dresden war, die Geschäftsleitung hat uns immer bestätigt, dass Diebstähle natürlich zur Anzeige gebracht werden.“ Die jeweiligen Gerüchte seien in keinem Fall bestätigt worden.